Up-Close and... personal?

Endspurt im US-Wahlkampf - Ein Kopf, ein Bauch und tausend Fragen[/b]

[b]George W. Bush und John Kerry kurz vor dem Tag der Entscheidung:
Der eine folgt göttlichen Eingebungen, der andere einem Heer von
Beratern - aber Kompetenz und Courage vermissen die Wähler bei
beiden.
Von Wolfgang Koydl

Das neue Lächeln hängt noch immer so schief im Gesicht des
Präsidenten wie ein verbogener Brillenrahmen. Ganz neu ist es streng
genommen gar nicht mehr; George Bush hat es letzthin häufig
aufgesetzt, meist gegen Ende seiner Auftritte, wenn das Country-Duo
Brooks & Dunn die Schnulze "Only in America" anstimmt, oder an
irgendeiner anderen rührseligen Stelle seiner Standardrede.

Man ahnt ja, was er mit dem Mienenspiel ausdrücken will: Die milde,
tröstende Nachsicht eines Geistlichen, der über den Schwächen
gewöhnlicher Sterblicher schwebt, sie aber kennt und vergibt. "Fürchtet
euch nicht", will er wohl sagen, "bei mir ist Geborgenheit." Doch leider
hat die Rolle des guten Hirten noch nie zu Bush gepasst, und deshalb
spiegelt sich in seinem Antlitz eher spöttische Herablassung wider denn
Mitgefühl.

John Kerry wiederum scheint eigentlich nur deshalb zu lächeln, weil ihn
sein Stab davon überzeugt hat, dass dies leider Gottes unabdingbar
zum Wahlkampfgeschäft gehört. Er lächelt entweder widerwillig oder
emotionslos, auf alle Fälle aber so, als ob es ihm physische Pein
bereiten würde.

Selbst in den besten Momenten erinnert sein Mienenspiel eher an einen
Bestattungsunternehmer, dem beim Kondolieren der freudige Gedanke
an die fette Gewinnmarge für den Eichensarg mit Messingbeschlägen
durch den Kopf zuckt. Meistens freilich blickt Kerry grimmig auf sein
Publikum hinab, als ob er selbstlos ein lebensgefährliches
Himmelfahrtskommando nach Art seiner Vietnamkriegs-Einsätze anträte,
anstatt für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von
Amerika zu kandidieren.
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