Solche Berechungen nennt man Statistik - und ja, die Statistik ist *nur* ein Modell, dass keinen Anspruch auf absolute Exaktheit erhebt.

Statistische Methoden werden daher auch nur dort angewendet, wenn das Ergebnis nur eine Größenordnung verdeutlichen soll - für exakte Zahlen kommt man ums Auszählen nicht herum. Da aber exakte Zahlen oft nicht wirklich benötigt werden sondern die Angabe einer Größenordnung völlig ausreichend ist, genügen in solchen Fällen auch durchaus statistische Modelle - ohne, dass sie am Leben vorbeigehen.
Und das beste daran - sie sind hinreichend richtig und liegen mit geringen Fehlerquoten dicht an der Realität.

Es ist wie mit den Kommastellen - man gibt immer nur soviele an, wie *sinnvoll* sind - selbst, wenn der Taschenrechner noch ein Dutzend mehr im Angebot hat...

Natürlich versagt die Statistik und gibt *falsche* Ergebnisse wieder, wenn etwas Unerwartetes "geschieht". Um bei Deinem Beispiel mit den Apfelkisten zu bleiben: wenn die unterste Kiste z.B. *gar* keine Äpfel enthält sondern Birnen, weil der Transportarbeiter vor dem Stapeln wieder irgendetwas Verbotenes geraucht hat oder seinen Kopf zu sehr nach der jungen Sekretärin des Chefs verdreht hat, du weist schon, die, deren Brüste wie edelsteinbesetzte Melonen wirken und die immer diesen *verdammt* kurzen Rock trägt...
In einem solchen Fall - also wenn eine *falsche* Kiste im Stapel ist (nicht, wenn der Rock besonders kurz ist - obwohl das irgendwie auch in den kausalen Zusammenhang hineingehört <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />), versagt das Modell - weil es eben nur unter bestimmten Annahmen zutrifft, wie übrigens *jedes* Modell.

Deswegen muss jeder, der ein solches Modell einsetzt, zuvor abschätzen, ob es überhaupt angemessen und zulässig ist, das Modell zu benutzen - oder ob man sich besser daran macht, alles selber abzuzählen. Wenn also bekannt ist, dass die Sekretärin wieder mal lasziv durch die Lager geschlendert ist, dann weis der, der die Menge der Äpfel bestimmen soll, vermutlich aus Erfahrungen, dass es besser ist, die Äpfel einzeln zu zählen (oder zumindest zu kontrollieren, ob in allen Kisten Äpfel sind oder sich eine mit edelsteinbesetzten Melonen, äh, Birnen daruntergemogelt hat).

Selbst in dem Fall, dass alles korrekt ist, *kann* es zu Abweichungen jenseits des Akzeptablen kommen. In der gesamtheit sind solche Abweichungen jedoch so selten, dass das Aufwand-Nutzen Verhältnis eindeutig für das Modell spricht.

Übrigens ist jedes Modell nur dafür geeignet, wofür es entwickelt wurde. Mit dem Modell für die Äpfel kann man nicht Blumenkohl oder Bananen oder edelsteinbesetzte ... ähem... zählen, ohne es zuvor *anzupassen* - sprich, eine experimentelle Grundlage zu legen.

Wenn ein Forscher sich also mit etwas Unbekanntem beschäftigt und davon ein Ergebnis bekommt, dass sich mit einem mathematischen Modell wesentlich einfacher beschreiben ließe als mit zeitaufwendigen, mühsamen Handarbeiten - dann bleibt es dem Forscher trotzdem nicht erspart, das *erste* Mal eine entsprechende experimentelle Reihe aufzustellen, wo er tatsächlich alles per Hand macht (und die Ergebnisse günstigenfalls mehrfach reproduziert, und zwar nicht nur das zählen, sondern von Anfang an - sozusagen beginnend mit der Apfelernte oder zumindest mit dem Beladen der Kisten) und erst dann ein entsprechendes Modell zu entwicklen, um sich zukünftig die Mühsal zu ersparen. Und sollte er zu dem Schluss kommen, dass seine Auszählwerte zu stark schwanken, dann verbietet sich ein entsprechendes Modell ohnehin.
Wenn ein Forscher sich das nicht zu Herzen nimmt, dann sind Fehler und falsche Interpretationen vorprogrammiert - mit Modellen, und mit jenen, die auf statistischen Abschätzungen beruhen ganz besonders, muss äußerst sorgfältig und verantwortungsbewusst umgegangen werden, da sie eben immer nur Modelle sind - und das heißt, dass sie *niemals* die Realität widerspiegeln können sondern immer die ein oder andere Annahme und/oder Vernachlässigung machen.
Viele Modelle sind übrigens schon im Nachhinein als unbrauchbar verschrottet worden - weil sich herausgestellt hat, dass die Annahmen und Vernachlässigungen, sprich, die Vereinfachungen einfach zu massiv waren und daher das Modell mitunter ein falsches Bild widergegeben hat. Für *bestimmte* Situationen sind jedoch selbst solche unbrauchbaren, eigentlich "falschen" Modelle durchaus noch einsetzbar. Beispiel: Das Bohrsche Atommodell, das den Bau eines Atoms mit einem Planetensystem vergleicht.

Wie auch immer: Modelle gehen nur dann am "Leben vorbei", wenn sie unsachgemäß, ohne nachzudenken oder leichtfertig eingesetzt werden. Zu Anfang muss man sich darüber klar sein, was man erreichen will - wenn die *genaue* Anzahl der Äpfel von Interesse ist, dann ist es sträflich, hier ein statistisches Modell zu verwenden. Wenn dagegen nur eine ungefähre Zahl interessiert, dann kann man sich das mühsame Zählen sparen - muss aber trotzdem zum *richtigen* Modell greifen und darüberhinaus auch dafür sorgen, dass die kurzberockte Sekretärin in ihrer Schreibstube bleibt.
Die Verwendung von Modellen ist also auch eine Aufwand-Nutzen-Frage, oder vor allem eine Aufwand-Nutzen-Frage. Sie hat durchaus ihre Berechtigung, und ohne die Verwendung von Modellen wäre wissenschaftliches Arbeiten (und auch viele andere Tätigkeiten!) gar nicht vorstellbar. Daher gehen Modelle keineswegs *am Leben vorbei*, sondern sie sind - für uns Menschen zumindest - ein integraler Bestandteil unseres Lebens!

p.s.: Euer Bio-Kurs scheint da einige didaktische Schwächen aufzuweisen - eigentlich sollte mMn immer erklärt werden, wie ein Modell zustandekommt und warum seine Nutzung zulässig ist!