Nun will ich auch mal meinen Senf dazugeben.

Ich bin nicht der Meinung, dass Waffen-SS und Marines bzw. Guantanmo und KZ einander äquivalent sind - dazu sind die ursprünglichen Absichten der jeweiligen Vergleichpartner zu unterschiedlich.

Es mag aber durchaus sein, dass gewisse Parallelen bestehen, und dass die marines bespielsweise in der zukunft einen Weg einschlagen könnten, der dem der Waffen-SS sehr nahe kommt - wenn man nicht gewaltig aufpasst. Falls die marines in einem richtig großen Konflikt (mögen uns alles Götter davor bewahren) von der Kette gelassen werden - wer will dann noch dafür seine hand ins Feuer legen, dass sie sich nicht zu einer "zweiten Waffen-SS" entwickeln? Ich nicht, denn mMn haben viele der "jungs" dort durchaus eine gewisse Veranlagung. Stones Erklärung von dem Einreden, man sei eine "elitäre", allen anderen weit überlegene Einheit, spielt sicherlich eine Rolle. Woraus man ableiten könnte, dass jede Elite-Einheit in diese Richtung tendieren könnte. Tut sie wahrscheinlich auch, nur ist die frage, wie rigoros mit Verstößen umgegangen wird. Werden Verstöße gedeckt, verschleiert und nur dann geahndet, wenn man ansonsten Gefahr läuft, sein Gesicht zu verlieren? Werden sie *verharmlost* und als "Einzelfälle" charakterisiert?

Guantanamo und KZ: kein guter Vergleich, eigentlich unpassend. Schliesslich wurden KZ als Menschenvernichtsungsfabrik geführt, mit dem bestimmenden Ziel, möglichst viele Menschen möglichst effektiv zu vernichten. Tod auf dem Fließband. Industrielle Hinrichtung. Und *davon* ist die berüchtigte Bucht in kuba nun wirklich weit, weit entfernt!
Aber: die ersten KZs waren ursprünglich Internierungs-/Arbeitslager. Die Rolle als Vernichtungslager entstand erst später. Und da wird der Unterschied zu Guantanamo schon deutlich geringer. Und deswegen gilt auch hier: wenn eine Regierung ein solches Lager deckt, die Vorgänge verschleiert und es trotz öffentlicher Empörung und kritik weiterhin uneingeschränkt betreibt, dann mus man gehörig aufpassen, dass aus dem Internierungslager nicht eine neue Form des KZ wird, in dem nicht nur gefoltert und festgehalten, sondern auch systematisch gemordet wird.

Und deshalb halte ich eine Formulierung von "fast harmlos" für ausgesprochen unglücklich und wirklich haarsträubend - das war ein fettes Eigentor, Elgi.

Gerade weil uns inzwischen klar ist, was im Dritten Reich alles lief, sind wir verpflichtet, jede noch so "kleine" Menschrechtsverletzung gnadenlos zu ahnden und anzuprangern! Wir können es uns nicht erlauben, sie zu "verharmlosen" indem wir behaupten, sie wären kaum der Rede wert im Vergleich zu den greueltaten, die in den deutschen KZs verübt wurden!

Es gibt keine "fast harmlosen" Menschenrechtsverletzungen, und wer eine solche Formulierung gebraucht, der muss sich nicht wundern, wenn er fortan als jemand gilt, der aus der Vergangenheit nicht gelernt hat. (Um misverständnissen vorzubeugen: ich persönlich zähle Elgi *nicht* dazu, trotz dieser üblen Formulierung).

Am Anfang sind es "fast harmlose" Verletzungen. Die sind schlimm und eigentlich nicht tolerierbar, aber weil sie im Vergleich zu den KZs ja auf niedrigem Niveau sind, kommen die Betreffenden damit noch durch, irgendwie. Und später, wenn die Verletzungen immer gröber werden und in dem berüchtigten Lager viele leute einfahren, aber niemand mehr herauskommt, obwohl es eigentlich schon aus allen Nähten platzen müsste, da ist es zwar nicht mehr "fast harmlos", aber da wurde schon zu lange gewartet, da kann man nicht mehr vernünftig gegen vorgehen. Und dann erleben wir die Wiedergeburt des Vernichtungslagers, und wer ist es diesmal, die Moslems, Männer, die als Terrorist verdächtigt werden, weil sie einen Bart tragen oder einen Rucksack auf dem Rücken haben, Andersdenkende, Kriegsgegner, Umweltaktivisten? Darauf kann ich verzichten, und ich bin fest überzeugt, dass ihr mir alle beipflichtet.

Wir leben in einer Zeit *nach* dem Dritten Reich und begehen mMn einen groben Fehler, wenn wir heutige Greueltaten an den "Qualitätskriterien" des 2. WK messen! In der heutigen Zeit ist Guantanamo nicht weniger erschreckend als damals ein KZ, und zwar ganz einfach deswegen, weil es das Potenzial besitzt, die damalige zeit zurückzubringen - und uns 60 Jahre in der Entwicklung der Menschrechte zu rauben! Jeder sollte sich eigentlich die Hand vor die Stirn schlagen und sich fragen "Geht das schon wieder los?"
Also: "Wehret den Anfängen!", wie auch Stone schon betonte.

*Ich* sage, wer Guantanamo als "fast harmlos" im Vergleich zu einem KZ bezeichnet oder angesichts von Massakern durch Marines von "Einzelfällen" spricht, der *bagatellisiert* die gegenwärtigen Menschenrechtsverletzungen, und der ermöglicht damit indirekt ihre Fortführung und eventuell sogar ihre Zunahme - denn die Anzahl der nötigen Schritte zu einer der Waffen-SS vergleichbaren Einheit oder zu einem KZ ist begrenzt, und der Weg bereits eingeschlagen.

Einerseits wird Ddraig vorgeworfen, seine Argumente würden auf eine "Schuldminderung" für das dritte Reich abzielen - obwohl seine Stellungnahme diesbzüglich ziemlich eindeutig war, und zwar dagegen - andererseits wird durch eine durch unglückliche Formulierungen die gegenwärtige Situationen verharmlost. Genaugenommen sitzen also beide parteien im selben Boot, haben lediglich ein anderes Ruder in der Hand.