Das Ende 2005 erschienene
Neverend ist ein etwas neueres "Rollenspiel ohne Hektik" (im Vergleich zu den meisten anderen hier erwähnten Spielen). Allerdings ist es sicher nicht jedermanns Sache: So sind zum Beispiel Name und Aussehen des Hauptcharakters festgelegt, nicht wählbar. Man (auch Mann) spielt die gefallene Fee Agavaen, die sich einer Räuberbande angeschlossen hat und zu Beginn des Spiels von einem erfolgreichen Beutezug zurückkehrt. Die Bande feiert, in der Nacht machen sich jedoch zwei der Banditen mit dem Gold aus dem Staub und klauen Agavaen auch noch ihr Amulett.
Neverend ist ein recht kampflastiges Spiel mit Rundenkämpfen nach Art asiatischer Rollenspiele. Wenn ein Charakter an die Reihe kommt, wählt er eine Angriffstechnik, einen Zauber oder einen Gegenstand aus dem Inventar. Der Zeitaufwand dafür hängt von der Mächtigkeit des Angriffs ab (und von den Charakterwerten). Man kann also im gleichen Zeitraum mehrere schwächere Angriffe einsetzen (und ist dann mehrmals an der Reihe) oder einen stärkeren. Da die verschiedenen Angriffstechniken diverse Begleiteffekte haben können (blutende Wunden, Betäubung, Schwächung usw.), ist einiges an Taktieren möglich.
Anfangs sind die Kämpfe ziemlich schwer; gegen manche Gegner hilft nur die Flucht (und gelegentlich nicht mal die). Obwohl bei Zufallskämpfen immer nur Gegner halbwegs passender Stufe auftauchen können (auf die leichten Gegner wird man also irgendwann nicht mehr treffen), werden die Kämpfe im Spielverlauf tendenziell leichter, und irgendwann kommt man recht locker mit allen Gegnern klar - spätestens, wenn der eigene Charakter eine höhere Stufe erreicht hat als die Maximalstufe der Zufallsgegner, 25.
Beim Erkunden der Gegend läuft Agavaen in der Vogelperspektive über eine Art große Karte. In gewissen Abständen kommt es zu Zufallskämpfen (die Gegner sind vorher nicht zu sehen), und es wird zu einer 3D-Kampfansicht geschaltet. Außerdem gibt es Orte, an denen feste Gegner herumstehen; nähert man sich ihnen, wird ebenfalls gekämpft. Wenn Agavaen an besondere Orte (wie Städte oder Höhlen) kommt, wird auf feste Hintergrundbilder umgeschaltet, in denen die Fee in Adventuremanier herumlaufen kann. Je nachdem, wo sie steht, kann eine bestimmte Form der Interaktion möglich sein (Sprechblase: Reden, Lupe: Untersuchen, Zahnrad: Benutzen, Hand: Nehmen). Gelegentlich muss man genau hinsehen, um etwas zu bemerken, aber die meisten "Rätsel" sind sehr einfach. Eine Übersichtskarte gibt es leider nicht.
Wenn Agavaen eine Stufe aufsteigt, kann man 7 Punkte nach Belieben auf ihre 5 Attributwerte verteilen. Zusätzlich gibt es Waffen- und Zauberfähigkeitswerte, die sich nur durch Benutzung erhöhen. Erreicht man bestimmte Werte, gewinnt man automatisch neue Angriffstechniken dazu oder kann sie sich von einem Lehrmeister beibringen lassen.
Für Zauber sucht man sich "Rezepte", die aus einer Runenkombination bestehen. Runen findet man als Beute oder kann sie bei Händlern kaufen. Setzt man sie zu einer bekannten Kombination zusammen, wird der Zauber einmal mehr pro Tag verfügbar. So kann man sich innerhalb gewisser Grenzen aussuchen, welche Zauber man wie oft benutzen können möchte. Es gibt allerdings keinen festen Tag/Nachtwechsel, man kann sich jederzeit in Gasthäusern (gegen Geld) oder in der freien Natur (verbraucht ein Zelt) schlafen legen. Da viele Tränke nur bis zum nächsten Schlafen wirken, versucht man das später gerne mal ein wenig hinauszuzögern. Beim Schlafen werden alle Lebenspunkte geheilt, was vor allem am Anfang recht wichtig ist.
Einen großen Teil ihrer Reise bestreitet Agavaen allein, es kommt jedoch immer wieder mal zu Kämpfen, in denen sie von bis zu 2 Leuten unterstützt wird. Außerdem kann man mehrere Begleiter anwerben, die aber nicht aufsteigen und daher irgendwann nicht mehr nützlich sind.
Einige der wichtigeren Gespräche im Spiel sind vertont, wenn auch nicht immer in guter Qualität. Für die meisten Nebenaufgaben muss man Texte lesen. Mehrere Quests kann man auf verschiedene Weise lösen, und vor allem in Gesprächen hat man gelegentlich die Möglichkeit, gut oder böse zu agieren. Kleiner <span class='standouttext'>Spoiler : </span><span class='spoiler'>Feen haben sogar etwas mit Jedi-Rittern gemeinsam: Wenn sie oft genug böse Entscheidungen treffen, verändert sich ihr Äußeres leicht.</span>
Obwohl es zahlreiche Aufgaben zu erledigen gibt, kommt Neverend nicht an den Umfang der meisten anderen Rollenspiele heran. Es war allerdings auch nie ein Vollpreisspiel, sondern kam für € 24,99 auf den Markt und ist auf Grabbeltischen inzwischen für € 5,- zu haben (oder in der Spielesammlung "4Games Vol. 6").
Es gibt einen Patch und ein kostenloses "Add-on" (mit einem neuen Auftrag, drei neuen Gegnern und einem neuen Zauber) zu Neverend, doch auch in der aktuellsten Version sind noch zahlreiche Bugs vorhanden, die wohl nicht mehr bereinigt werden. Vieles davon sind Kleinigkeiten, oder es lässt sich leicht umgehen (nie Sprechblasen auswählen, wenn gar kein Gesprächspartner zu sehen ist, sonst stürzt das Spiel ab). Bei mir ist Neverend mehrere Male abgeschmiert ("... hat ein Problem festgestellt und muss beendet werden"), aber da es eine Schnellspeicherfunktion gibt und das Spiel schnell wieder lädt, hat mich das nicht so sehr genervt, dass ich aufgehört hätte zu spielen. In der ungepatchten Version kann man sich wohl seine Spielstände zerschießen, wenn man in der Stadt Grenegar oder deren Nähe speichert, und im
Forum wird berichtet, dass es das Problem noch geben soll, bei mir sind da jedoch keine Schwierigkeiten aufgetreten. Das "Add-on" hat zudem einen neuen Bug verursacht, der verhindert, dass man das Spiel auf dem bösen Weg durchspielen kann - wer gerne böse spielt, sollte daher lieber nur den Patch installieren.
Im Netz gibt es viele Verrisse der ungepatchten Version von Neverend, etwa
hier. Fairer und aussagekräftiger finde ich allerdings
diese ausführliche Rezension der gepatchten Version. Mir hat das Spiel trotz vieler Schwächen und Fehler gut gefallen, vor allem wegen der adventureartigen grafischen Präsentation, die Szenen oft aus ungewöhnlichen Blickwinkeln zeigt. Wäre noch etwas mehr Arbeit in die Fehlerbeseitigung, das atmosphärische Erzählen der Geschichte und das Balancing der Kämpfe gesteckt worden, hätte Neverend ein richtig schönes Spiel werden können. So hat es leider einige Unzulänglichkeiten, und jeder muss selbst entscheiden, ob er sich damit abfinden mag.