Den Sturm aufhalten. Wie soll das denn gehen? Salterian hat noch nie von Magiern gehört, denen es gelungen ist, große Naturgewalten abzuwehren. Na gut, einen Wind umlenken, das geht, aber einen ganzen Sturm? Das dürfte im Bereich der Unmöglichkeit liegen.
Es sei denn…
Salterians Gedanken werden von der Magierin abgelenkt.
„Wir müssen es schaffen ihn umzuleiten! Habt ihr eine Idee?“
Umleiten… Eine Närrin. Man kann einen so gewaltigen Sturm nicht einfach „umleiten“, selbst wenn die halbe Stadt aus Magiern bestehen würde und diese helfen würden.
„Das dürfte nicht gehen, aber es gibt andere Wege Stürme aufzuhalten…“
Salterian kann, obwohl sie am rennen sind, die Blicke auf sich spüren.
„Was meint ihr?“
„Man kann… Man kann sie versiegeln, wir Siegelformer haben da sogar einige Vorteile. Jedoch…“, Er macht eine Pause, „Dazu muss ich ins Herz.“

„Das Herz…“ murmelt Darkon.
„Eine windstille Zone in der Mitte eines jeden Sturms, wenige haben es geschafft sich dort aufzuhalten, Überlieferungen zufolge steht die Zeit sogar still, wenn man sich dort aufhält.“
Salterian nickt.
Sie sind an dem Südtor angelangt.
Er hört aus der Ferne Schritte.
Ein Mann in einer weiten Robe, mit einem angebunden Buch an der Hüfte und ein schlicht angezogener anderer Mann mit einer Gleve auf dem Rücken, laufen auf sie zu.
Die drei warten einen Augenblick, als diese sie eingeholt haben.
Keuchend bleiben sie vor ihnen stehen.
„Ihr!“ spricht der Mann in der Robe, „Ihr wart es doch, die Kuttenmann umgebracht haben, oder irre ich mich?“
Darkon und Salterian nicken.
„Aber das ist jetzt nicht wichtig. Wir müssen den Sturm vor der Stadt abhalten. Werdet ihr uns helfen?“
Der Mann mit der Gleve meldet sich zu Wort.
„Was können wir denn tun? Wir sollten lieber verschwinden.“
„Es gibt einen Weg du Trottel! Ihr meint das Herz oder?“ antwortet der Andere.
„Ja.“
„Nun denn, folgt mir.“

Sie durchqueren das Südtor und sehen die Ausmaße des Sturms.
Etwa eine Viertel Stunde Fußweg von der Stadt entfernt, ein gigantischer Wirbelsturm, der weit in den Himmel ragt. Selbst hier spürt man einen starken Wind, und der Gruppe fällt es schwer sich auf den Beinen zu halten, die meisten benutzen zur Hilfe Magie.
„Wer wird es machen?“ fragt der Mann mit dem Buch.
„Was?“ fragt Darkon gegen.
„Ist nicht wichtig. Ich.“ Meldet sich Salterian.
„Der Siegelformer also, ich habe von euch gelesen.“
„Ihr seid ein Hexer oder?“ der Magus deutet auf das Buch.
„Gut erkannt. Ich werde einen Dämon beschwören, haltet euch an ihm fest er bringt euch an die Windmauer, von da an müsst ihr selbst weiterschauen…“
Der Hexer wechselt einen Blick mit dem Mann mit der Gleve. Beide nicken.
Salterian hält sich die rechte Schulter, das wird nicht leicht.
„Lasst uns beginnen.“

Der Mann mit der Robe nimmt sein Buch und schlägt es auf. Rascheln der Seiten.
Er beginnt in einer seltsamen Sprache zu murmeln. Nein, diese Sprache ist ihm gewiss unbekannt. Manche Worte sind wie ein Zischen, manche beinahe geflüstert.
Der Himmel verfinstert sich und es fängt an zu regnen. Schwarzer Regen, fast wie Öl. Die Flüssigkeit sammelt sich auf dem Boden und wird zu einer kleinen Pfütze.
„Erhebe dich!“ ruft der Hexer und greift in die Pfütze.
Als er die Hand wieder herauszieht, folgt ihr eine Kreatur, zuerst nur eine große schwarze Masse, nimmt sie schnell Gestalt an und wächst auf die Höhe eines Hauses an.
Salterian weitet die Augen. Dieses Buch, nein, dieses Buch ist verboten, das enthaltene Wissen ist verboten. Das kann nicht sein.
Doch dafür ist jetzt keine Zeit, der Sturm nähert sich langsam der Stadt.
„Was habt ihr vor?“ fragt die Magierin.
„Wir können nur helfen den da“, der Hexer zeigt mit dem Finger auf Salterian, „in das Herz des Sturms zu bringen. Von dem genauen Vorgang der Versiegelung weiß ich nur Brocken, also ist er, sobald er im Herz ist, auf sich allein gestellt. Mein Dämon hier sollte schwer genug sein um nicht all zu leicht von dem Sturm weggeweht zu werden, doch wird das nicht reichen. Wir brauchen etwas um die Windmauer zu knacken.“
Salterian stellt seinen Siegelring senkrecht auf den Boden auf.
„Kanalisiert eure Kräfte einfach darauf, den Rest mache ich. Sucht euch einfach eines der Elemente aus, es ist einfacher als ihr denkt.“

Nach wenigen Augenblicken ist es soweit.
Salterian sitzt auf dem Hals des beschworenen Dämons, der keinen Laut von sich gibt. Die ledrige, dunkelgraue Haut ist hart und unbequem, aber was tut man nicht alles um eine Stadt zu retten. Die Art des Dämons kann der Magus jedoch nicht bestimmen, es ist ein erschaffener Typ, hat somit also wohl keine Gattung.
Hinter ihm schwebt der Siegelring, der zu zwei Teilen aufgeladen wurde und Salterian somit nicht auf sein eigenes Mana angewiesen ist.
Der Sturm kommt immer näher, nur noch weniger als zehn Minuten Fußweg trennen sie von ihm.
„Bereit?“ ertönt die Stimme des Hexenmeisters.
„Für so was ist man nie bereit…“ antwortet Salterian.
Der Dämon rennt los.
Der Magus schafft es gerade noch, sich an einem Horn festzuhalten, eher er rückwärts zu Boden gefallen wäre, was aus dieser utopischen Höhe ein Problem gewesen wäre.
Salterian hätte es nie für möglich gehalten, dass eine so große Kreatur so schnell laufen kann.
„Jetzt!“ ertönt eine Stimme aus der Gruppe.
Eine Tonkugel fliegt durch magische Kraft an ihnen vorbei, landet auf dem Boden und platzt auf. Rauch kommt heraus, der sich aufteilt und die Form von drei Obelisken annimmt, die sich in großem Radius um den Sturm verteilen.
Eine Zeit lang verbinden sie sich mit einer Linie aus Blitzen, verankern sich schließlich im Boden und fangen an zu leuchten.
„Eine tolle Vorstellung…“ denkt Salterian.
Als der Dämon dem Sturm näher kommt, muss Salterian sich mit seiner ganzen Kraft festhalten, um nicht weggeweht zu werden, wobei sie gerade ein Mal die Hälfte des Weges hinter sich haben.
Doch dann passiert etwas Unerwartetes.
Als sie in das Dreieck der Obelisken laufen, nimmt der Wind ab. Anscheinend dämpfen die Obelisken den Wind, sodass der Dämon Salterian bis zu der Windmauer trägt.
„Die Windmauer, eine Barriere die Stürme umgibt und von magischer Natur ist. Sie kann nur mit mittelstarkem Aufwand von Magie durchbrochen werden, wodurch ein Zugang zum Herz des Sturms gewährleistet wird. Versucht man sie ungeöffnet zu passieren…“ hier endet die Passage aus einem Lehrbuch. Salterian hat nicht so große Lust darauf rauszufinden, was passiert wenn man die Windmauer nicht bricht.
Sie stehen davor.
„Also dann.“ Murmelt Salterian.
Der Magus lässt den Siegelring langsam vor den Dämon Richtung Windmauer schweben, als er kurz vor dieser anhält, fängt das Mithril an, in einem Grünton zu leuchten.
„Nauthiz!“
Der Siegelring fliegt in die Windmauer, am äußersten Rand sprühen kurz Funken. Die Barriere in der Mitte des Rings löst sich auf, doch übt der Rest großen Druck von außen auf ihn ein, Salterian hat nicht viel Zeit.
„Danke fürs Tragen mein Großer.“ Verabschiedet sich der Magier von seinem Träger.
Der Dämon rührt sich nicht. Salterian steigt auf die Schulter auf springt zum Siegelring.
Er landet, etwas unbeholfen, auf dem Ring und springt hindurch in das Herz des Sturms, der Siegelring folgt ihm sogleich.

Es ist wie in den Büchern beschrieben. Von außen umgibt ihn die sich ständig bewegende Windmauer, nach oben folgt der Kanal des Wirbelsturms. Es herrscht absolute Windstille, und die Zeit fühlt sich träge an, ähnlich dem aktivierten Zeitsiegels. Die Luft ist kühl.
Salterian darf keine Zeit verlieren.
Er zieht einen Dolch aus seinem Gürtel und zeichnet hastig ein Pentagramm in die Erde und beschriftet es mit einigen Runen. Ein kurzer Blick zum Siegelring, alles in Ordnung.
Der Magier stellt sich in die Mitte des Fünfsterns und lässt den Siegelring eben auf den Boden sinken, die fünf Spitzen des aufgezeichneten Pentagramms zeigen auf die fünf Elemente des Rings. Das Windelement markiert er als Medium.
Er öffnet seinen Umhang und gibt seinen rechten Arm frei.
Bis knapp zur Schulter ist es zu sehen.
Der Arm ist halb ein einer anderen Dimension. Alles, was da ist, ist eine bläulich schimmernde, halb durchsichtige Ansammlung von Mana. Auf der Oberfläche sind verschiedene Symbole befestigt, die meisten sind einfache Siegelrunen die auf Papier geschrieben worden sind, viele sind schon verblasst. Doch einige sind auch direkt in den Arm eingefasst worden, am Ellebogen, an der Handfläche und am Unterarm sind jeweils eine Rune der Bindung.
Salterian öffnet und schließt seine Hand einige Male.
„Nicht mehr lange…“
Er kniet sich hin und legt den Arm auf den Fokus des Pentagramms und beginnt den Siegelprozess.
Langsam fängt er die Elemente dieses Sturms ein und überträgt sie in das Windsiegel des Rings. Hass. Zerstörung. Dieser Sturm ist eindeutig erschaffen worden.
Zwischendurch findet er jedoch auch normale Windfragmente, sonst könnte dieser Sturm ja schlecht existieren. Er sucht weiter.
Neben weiteren Bestandteilen einer großen Beschwörungsformel findet er lange Zeit nichts, bis er etwas anzapft. Eine schwarze-grüne Ader, die bis zur Spitze des Sturms sehr fein durchgeht. Sehr dunkles grün.
Er erinnert sich. Die Kutten der zwei Magier aus dem Gasthaus hatten die selbe Farbe, haben sie etwa den Sturm heraufbeschworen, immerhin wollten sie den Mann, der den Sturm verflucht hat, zum Schweigen bringen. Doch dafür ist jetzt keine Zeit, der Sturm ist beinahe versiegelt.Plötzlich erfolgt ein Rückstoß und Salterians Arm wird aus dem Pentagramm gestoßen.
Schmerzen durchfahren seinen Arm. Was ist passiert? Hatte er etwas falsch gemacht? Das Pentagramm? Nein. Das Element? Nein, Wind ist wohl am passendsten für eine Sturmversiegelung. Sein Arm selbst? Ja, das muss es sein. Die letzten Siegel lösen sich vom Arm und landen auf dem Boden, wo sie verbrennen. Nur noch die drei Bindungssiegel halten den Arm, und das Mana breitet sich immer weiter aus, es ist schon fast an der Schulter.
Er muss hier raus. Doch wie? Er muss den Sturm so schnell es geht versiegeln, doch nur wie mit diesem Arm? Dieser verdammte Arm. Er wird hier sterben.
Ein Bild schießt ihm durch den Kopf.
Nein.
Noch nicht, und nicht so.
Er sammelt seine letzen Kräfte und erlangt für kurze Zeit Kontrolle über den Arm zurück und legt die flache Hand auf den Boden.
„Fesseln des Winds, bindet diesen Sturm und lasst ihn nicht mehr frei. La…guz.“
Es passiert alles recht unspektakulär.
Als wenn sich im Herz selbst ein weiterer Sturm bildet, der den echten neutralisiert.
Die Energie sammelt sich im Siegelring, der sich unter der starken Belastung verbiegt.
Von der einen Sekunde zur anderen ist der Sturm weg.

Salterian findet sich auf dem Gebiet vor der Stadt wieder.
Der Ohnmacht nahe, gelingt es ihm aufzustehen und sich umzusehen, sodass er wieder zum Stadttor schaut, wo die Magier von vorhin ihm entgegenkommen.
Langsamen Schrittes und sich die Schulter haltend, geht er auf sie zu. Den Arm spürt er nicht mehr, nur dass seine Augen sich komisch anfühlen.
Hinter er ihm der kaputte Siegelring, dessen Windelement bedrohlich dampft und blitzt. Bevor ihn die Kraft in den Beinen verlässt, hört er nur einen zu gehassten Satz.
„Was ihm Namen Gottes…“

Last edited by Skydragon; 23/01/08 08:04 PM.