... derweilen auf "der anderen Seite":

Wahlkampf in den USA - Obamas waghalsige Pirouetten[/b]

[b]Der charismatische Demokrat will unbedingt Präsident werden, deshalb räumt
er nun linke Positionen und betont nun auch konservative Grundwerte. Das wirft
die Frage auf: Wo steht Obama wirklich?
Ein Kommentar von Reymer Klüver

Wenn es einen Schwur des demokratischen Hoffnungsmannes Barack Obama gibt,
dann ist es sein Versprechen, unverzüglich aus dem Irak abzuziehen.
Unumstößlich - oder? Pustekuchen.

Obama hat sich nun ausbedungen, die Abzugsstrategie zu "verfeinern", wie er
sich ausdrückt. Das heißt nichts anderes, als dass sein Versprechen eines raschen
Abzugs nicht mehr gilt. Auch wenn Obama nun angesichts des einsetzenden
Proteststurms zurückrudert und das Gegenteil behauptet.

Für rechtgläubige Linke und politische Traumtänzer mag das ein ungeheurer
Treuebruch sein. Tatsächlich ist diese Korrektur nur Teil eines breit angelegten
Strategiewechsels, eines, wie ein amerikanischer Kolumnist es ausdrückt, "langen
Marsches zur Mitte". Richtiger ist: Es ist ein Sprint. Mit atemberaubendem Tempo
hat Obama in den vergangenen Tagen und Wochen scheinbar unumstößliche linke
Positionen geräumt oder geriert sich als Anhänger von Werten, die die
Konservativen im Land schätzen.

Die Liste ist lang. Seine Vorbehalte gegen Freihandelsabkommen - schon
aufgeweicht. Sein Versprechen, der Wahlkampffinanzierung enge Grenzen zu
setzen - aufgegeben. Das lange vehement abgelehnte Abhörgesetz von Präsident
George W. Bush - hat Obamas Stimme bekommen.

Waffenbesitz generell freigeben

Die Entscheidung des Obersten Gerichts, den Waffenbesitz generell freizugeben -
begrüßt er. Aus guten Gründen hatte der Demokrat sich zuvor lange dagegen
gewandt. Den weisen Spruch des Gerichts, die Todesstrafe nicht auf
Kinderschänder auszudehnen, indes geißelt er. Er schränkt auch seine
Unterstützung für Abtreibungen ein. Und er verspricht die von Bush initiierte
staatliche Unterstützung wohltätiger religiöser Gruppen sogar zu einem
"entscheidenden Teil" seiner Politik zu machen.

In den USA rückt üblicherweise jeder Kandidat im Lauf eines
Präsidentschaftswahlkampfs in die Mitte. Im Vorwahlkampf müssen die Bewerber
bereits die Basis der Partei für sich mobilisieren, und die steht bei den
Demokraten klar links, bei den Republikanern deutlich rechts von der Mitte.

Die Präsidentschaftswahlen selbst aber werden nicht von den treuen
Wahlsoldaten der Parteien entschieden, sondern von der breiten,
unentschlossenen Mitte. Deshalb drängt Obama nun so auffällig und hastig
dorthin. Zumal die Wahl noch keineswegs gelaufen ist, wie der knappe Vorsprung
von fünf bis sechs Prozent für die Demokraten in den meisten Umfragen zeigt.

Für Obama birgt der kalkulierte Schritt zur Mitte Risiken. Sicher werden nicht
wenige enttäuscht sein. Nicht nur die Heerscharen junger Wähler, die er
mobilisiert hat, fühlen sich zu ihm hingezogen, weil er scheinbar einen neuen
Politikertypus verkörpert. Der seine Positionen nicht an politischer Opportunität
orientiert, sondern mutig für seine Überzeugungen einsteht.

Desillusionierte Idealisten und enttäuschte Linke

Der die Einflüsterungen der Lobbyisten verachtet und geradlinig seinen Weg geht.
Kurzum: der anders ist als alle anderen. Diesen Nimbus riskiert er nun. Obama
ist eben doch ein Politiker wie andere auch - nur zugegeben, ein hochbegabter.

Doch desillusionierte Idealisten und die enttäuschte Linke wird Obama verkraften
können. Sie werden ihn ohnehin wählen. Wen auch sonst? Der Kandidat der
Fundamentalopposition, Ralph Nader, ist anders als vor acht Jahren, als er Al
Gore Stimmen zum Sieg nahm, keine Alternative. Die Demokraten wollen siegen.
Nach acht langen Bush-Jahren haben sie nur ein Ziel: Die Republikaner müssen
weg. Das weiß Obama. Er nutzt es, um sich Spielraum zu verschaffen - auch in
der Frage des Irak-Kriegs.

Das ist berechtigt, und nur Schwärmer hatten dies nicht erwartet. Doch der
Umfang der Kurskorrekturen, die Zahl der politischen Pirouetten ist schon
bemerkenswert.
Das wirft eine ebenfalls berechtigte Frage auf: Wo steht Obama
wirklich? In Wahrheit gibt es darauf nur eine Antwort: Niemand weiß es genau.
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Ragon, kein "Wendehals"
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