Originally Posted by Ralf

Was den angeblichen DSA-Bonus betrifft (wie kann der eigentlich bei buad und Ddraiggy aufgebraucht sein, wenn es doch seit über einem Jahrzehnt kein DSA-Spiel mehr gab?)


Wie Ddraig schon schrieb: Es liegt *gerade* an der langen Zeit, die vergangen ist. Mein "DSA-Stand" hört irgendwo mit Borbarad und den Sieben Gezeichneten auf. Von aktuellen aventurischen Entwicklungen habe ich nichts mitbekommen, so dass ich befürchte, dass die von Dir angesprochenen (und begrüßenswerten!) Brückenschläge zum offiziellen Aventurien ebenso an mir vorbeigehen, wie das Treffen der Gruppe mit offiziellen aventurischen Persönlichkeiten. Sprich: ich zweifel, dass sich ein "heimisches Gefühl" einstellen wird weil ich annehme, dass sich zuviel getan hat. Aventurien ist vermutlich nicht mehr das, was es war, als ich es verlassen habe. Daher rührt auch meine Skepsis und mein Bangen, die ich Drakensang entgegenbringe: Wenn sich das "Ich bin in Aventurien!"-Gefühl nicht einstellt (einstellen sollte), muss Drakensang andere Qualitäten aufweisen, um mich in seinen Bann zu schlagen. Ich stelle also Ansprüche an Drakensang, die (weit) über "Hurra, es ist ein DSA-Spiel!" hinausgehen. Inzwischen gibt es ja vermehrt Hinweise darauf, dass Drakensang eben nicht nur von seinem DSA-Bonus lebt, was mich optimistischer stimmt und meine Skepsis mindert - ohne sie gänzlich zu zerstreuen natürlich. Zwerg bleibt Zwerg. wink


Originally Posted by Ralf

buad: Wenn du "The Witcher" erwartest, bist du bei "Drakensang" falsch. Warst es allerdings auch schon bei der NLT. Zum Grundkonzept von DSA gehört es und gehörte es schon immer, daß man HELDEN spielt. Die müssen sich natürlich nicht immer heldenhaft verhalten, aber letztlich stehen sie immer mehr oder weniger auf der Seite des Guten. Wer *böse* Charaktere spielen will, muß sich an D&D halten.


Da hats Du mich komplett falsch verstanden. Es geht mir überhaupt nicht darum, böse orientierte Gruppen/Charaktere zu spielen. Aber einer der mMn großen "Vorteile" von DSA gegenüber etwa D&D war es, dass es eben nicht nur in schwarz und weiß Tönen malte. Gut und böse waren oft nur schwer voneinander zu unterscheiden, und Aventurien stellte sich eher als Welt voller Grautöne dar. Daher will ich, dass die Taten meiner "Helden" hinterfragt werden. Ich will mit den Konsequenzen leben müssen, ich will vor moralische Dilemma gestellt werden. Ich will, dass das "Gute" mit Dreck beschmiert wird und einen Gestank nach Tod und Verwesung verströmt, ich will, dass das Böse einen Heiligenschein bekommt und funkelt wie ein Diamant im Sonnenlicht. Ich will, dass sich die "edlen Recken" bei genauerem hinschauen als gewissenlose Bastarde entpuppen und dass sich der verrufene Dämonolge als liebender, verantwortungsbewusster Vater herausstellt. Ich will Licht in der Dunkelheit und Schatten in der Sonne. Ich will in Gewissenskonflikte gestürzt werden die mich fragen lassen, ob ich noch auf der richtigen Seite stehe. Ich will, dass so manche großartige, heldenhafte und "gute" Tat mehr Schaden anrichtet und grausamere Konsequenzen hat als eine vermeintlich weniger gute Entscheidung. Ich will, dass sich Verbündete als erbarmungslose Tyrannen herausstellen, ich will mit zwielichtigen Typen zusammenarbeiten, denen ich keinen Schritt über den Weg trauen würde. Ich will auf den Abschaum der Menschheit treffen, der weitaus menschlicher ist und mehr Güte zeigt, als so mancher angebliche "Menschenfreund". Ich will auf den edlen, gepriesenen Recken treffen, der in Wahrheit ein blutrünstiger Schlächter und Sadist ist und dessen "Edelmut" nur so weit reicht, wie es ihm von Nutzen ist. Ich will dem einfachen Bauern begegnen, der im Angesicht der Gefahr sein Leben für ein Pferd oder eine Kuh riskiert, und ebenso den Ritter, der vor dem nahenden Tod panisch davonläuft und die ihm Anvertrauten Hilflosen im Stich lässt. Ich will auf Hinterlist, Ehrlichkeit, Gnade und Grausamkeit gleichermaßen treffen, und das alles im Namen des gleichen Gottes. Ich will *echte* Helden spielen, nicht jene, die "Für das Gute!" brüllend auf alles eindreschen, was den Anschein des Bösen erweckt, und das auch nur deswegen, weil irgendwer sagt, die dort seien der Feind, der alles "gute und edle" bedroht - und wenn ich's doch tue, dann will ich, dass eben jener, der das sagt, sich *danach* als übler Halunke herausstellt, der nur auf seinen eignen Vorteil bedacht ist oder für mehr als zweifelhafte Überzeugungen bereit ist, skrupellos alles zu beseitigen, was im Wege steht - koste es, was es wolle. Es ist nichts heldenhaftes dabei, gegen übermächtige Gegner anzutreten. Viel heldenhafter ist es, wenn die Recken versuchen, ihre Welt zu erkennen und zu verstehen - und auch mal den Mut aufbringen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, das vermeintlich "Gute" blosszustellen und anzuprangern und aufzuzeigen, wie hohl und barbarisch es doch im Grunde genommen ist. Alles andere richt nach Bannstrahler.

Auf den Punkt gebracht: Ich will ein *erwachsenes*, anspruchsvolles Rollenspiel, eines zum mitdenken, eines zum abwägen und zum zweifeln, eines, in dem es nicht nur eine heile und eine kaputte Welt gibt, sondern in der die "Wahrheit" irgendwo dazwischen liegt - eine Welt, mit der man sich arrangieren muss, voller falscher Vorurteile, Verrat, Intrigen aber auch Mut und Loyalität. Es muss nicht so extrem sein wie in "The Witcher", wo es immer nur das kleinere Übel gab. Aber die primitive und mehr als fragwürdige Einteilung in "Gut" und "Böse" sollte im Inneren des Spiel, in seinem Kern, keine Rolle spielen (wohl aber in der "Welt" selbst, in dem ihre Bewohner für sich diese Einteilung treffen - auch wenn sie bei genauerem Hinsehen unhaltbar ist). Ich will mit den Abgründen der Menschen konfrontiert werden, mit ungerechtem Hass, Zank, Neid und Eifersucht, aber auch mit den "schönen" Seiten der Menschlichkeit wie Liebe, Kunst, Humor und Weisheit. Ich brauche keine strahlenden Helden; echtes "Heldentum" ist schmutzig, dreckig und voller Blut - und es stinkt.

DSA hat mMn das Potential, eine solch *ambivalente* Welt darzustellen - schon immer gehabt. Alles andere - das Epos vom strahlenden, unfehlbaren Helden, der gleich einem Avatar das Gute und Reine verkörpert, ist mMn Kinderkram (nicht, dass das nicht auch gefallen und Spass machen könnte!). Das DSA, an das ich mich erinnere, hat das nicht nötig, und sollte sich es in diese Richtung entwickelt haben, dann kann ich nur enttäuscht den Kopf schütteln und meine Hoffnungen auf jene setzen, die auch mit der Zeit reifen.


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In "Drakensang" sind die meisten Questen ziemlich linear, das stimmt. Aber es gibt sehr wohl durchaus weitreichende Entscheidungsmöglichkeiten, wo man sich beispielsweise zwischen zwei rivalisierenden Handelshäusern oder zwei Räuberbanden entscheiden muß. Und soweit ich das mitbekommen habe (soweit bin ich im Spiel noch nicht) gerät man sogar in einen Konflikt zwischen
Hexen und Praioten!


Laut RPG-Forum sind alle diese Entscheidung nicht wirklich weitreichend, sondern nur auf das jeweilige Kapitel bezogen. Die frage ist natürlich auch, ob die Entscheidungen, die man trifft, nur für die Gruppe relevant sind, oder ab dadurch auch in der *Welt* grundlegende Änderungen stattfinden. Was zur Frage führt, wie stark die Gruppe in die Welt integriert ist.

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Und ja, die Umwelt reagiert sehr wohl auf die Taten der Helden. UND auf die Helden selber, sprich deren Sozialstatus bzw. Talentwert Etikette. Nachdem man beispielsweise den ersten größeren Abschnitt der Haupthandlung absolviert hat, kommen einem immer wieder NPCs entgegen, die einen direkt darauf ansprechen und sich erst jetzt vertrauensvoll mit einem Problem an den großen Helden wenden. Es scheint sogar einen anderen NPC zu geben, der sich die von mir begangenen Heldentaten auf die eigene Fahne schreiben will (an dem Punkt bin ich gerade angelangt). Das sieht doch nicht so übel aus, oder?


In der Tat, das hört sich wirklich gut an. Ich kann mich gut an unsere alten Diskussionen erinnern, nach denen die "Helden" einen Bekanntheitsindex haben sollten, auf den die Umwelt unmittelbar reagieren könnte. Demnach würden Räuber eine bekannte Heldengruppe alles andere als überfallen, sondern klammheimlich das Weite suchen, wissend, dass mit diesen Recken nicht gut Kirschen essen wäre. Ebensogut kann ich mich aber daran erinnern, dass wir nicht nur einen Bekanntheitsgrad diskutierten, sondern auch eine Art Charakteristik der Gruppe. Diplomatisch agierende Gruppen werden eher mit heiklen Aufträgen bedacht als solche, die Aufgaben üblicherweise durch Faust und Schwert lösen...