"Elfenmond" von Guido Krain wurde mir wärmstens von einem Bekannten empfohlen, der sehr gespannt war, was ich davon halten würde. Ein Nachwuchsautor hat sein erstes Fantasywerk als "book on demand" veröffentlicht, also nicht in einem größeren Verlag.

Es handelt sich um ein schwarzes Buch in einem mir nicht geläufigen Format. Das Titelbild zeigt die 3D-Figur einer Elfe, was durch den offensichtlichen Ursprung (Computer) künstlich, durch die gesamte Aufmachung jedoch auch geheimnisvoll wirkt. Zusammen mit der Empfehlung und der Art der Veröffentlichung erzeugt das eine gewisse Erwartungshaltung, zumal laut Buchrücken auch auf regelmäßige Fantasy-Leser so manche Überraschung warten soll.

Dvorkin Bendar, ein Mensch aus einfachen Verhältnissen, erhält durch einen Zufall die Chance, zum Magier ausgebildet zu werden. Auf der Akademie verliebt er sich in Luna, eine junge Elfe, die von allen gemieden wird. Durch eine Kombination von Magie und einem Amulett aus Familienbesitz bekommt Dvorkin einen sprechenden Frosch, der ihn in punkto Zauberei locker übertrifft und zudem ständig dazwischenquatscht. Außerdem werden die Machenschaften von Lunas Vater Cowan, Musterexemplar einer finsteren Elfenrasse, geschildert. Dieser bildet Talon, einen physisch und magisch sehr kräftigen Echsenmenschen, zu seinem Leibwächter aus. Zudem taucht die Dämonin Minka in der Welt der Menschen und Elfen auf, die ihre eigenen Pläne verfolgt. Die verschiedenen Handlungsstränge kreuzen sich recht bald und laufen später zusammen.

Die Geschichte wird anfangs mit mehreren Zeitsprüngen erzählt, was aber nicht unangenehm auffällt. Tatsächlich werden einige wichtige Fakten vorweggenommen, so dass man sich fragt, wie es denn dazu kommen konnte, was durchaus den Reiz einer Erzählung erhöhen kann.

Das erste Problem beim Genießen des Buches besteht darin, dass der Autor die Messlatte viel zu hoch setzt. Wenn auf der Rückseite versprochen wird, etwas Vergleichbares habe man nie zuvor gelesen, dann fühlt man sich automatisch herausgefordert, genau das zu widerlegen und nach Ähnlichkeiten zu suchen.

Und davon findet man selbstverständlich einige: Die Aufteilung der Figuren am Ende - der Starke, die Schöne und der Tollpatsch - gehört zum Standard in Fantasygeschichten der "Schwert und Magie"-Richtung, etwa bei den Conan-Verfilmungen. Die Verfolgung der Helden von übermächtigen Bösen ist ein beliebtes Genreklischee, welches z.B. in "Willow", aber auch "Krieg der Sterne" (trotz der Technik ein Fantasy-Film), Verwendung findet. Die Schilderung aus Sicht eines Menschen, der vom Knaben zum Mann heranwächst, ein sogenannter "Entwicklungsroman", ist aus zahlreichen Fantasygeschichten bekannt.

Ivo überrascht einen nicht, wenn man "Das singende Amulett" und "Karlsson vom Dach" kennt. Immerhin sorgt er für ein Schmunzeln. Die Elfe, wunderschön-leidend-weinerlich-nervig, erinnert an "Das letzte Einhorn", welches ebenfalls von einem eher unfähigen Zauberer beschützt wurde.

Aus der Figur des Magiers hätte man mehr machen können, gerade weil es sich um ein gut erprobtes Konzept handelt. Wie hat er eigentlich seinen Abschluss gemacht, wenn er so wenig Potential zeigt? Wie kann er umgekehrt nach seiner Schulung so unfähig sein? Irgendetwas wird er ja bei der harten Ausbildung gelernt haben.

Dass ausgerechnet die Haupthelden so eindimensionale Charaktere geworden sind, schadet der Geschichte. Wenn man auf den ersten Seiten sieht, dass die E-Mailadresse des Autors mit "dvorkin" beginnt und am Ende eine Widmung an eine Frau erfolgt, zusammen mit einer Anspielung auf Luna, wird man den Verdacht nicht los, dass es sehr klare Vorbilder gegeben hat. Luna wird zudem als Name (wie) für eine reale Person auf den Internetseiten des Autors verwendet. Lena Falkenhagen hat einmal in einem Interview im Fanpro-Forum davon abgeraten, über die eigenen Helden zu schreiben, weil dann die notwendige Distanz fehle. Genau das scheint hier der Fall zu sein und verhindert, dass die Helden etwas vielfältiger werden. Wenn der Autor sein Werk im Nachwort lobt und seine Figuren im Vorwort als "alles andere als mittelmäßig" anpreist, wird man skeptisch aufgrund dieser Selbsteinschätzung.

Die Elfen sind typische Power-Gamer-Charaktere, ebenso wie die Echsenmenschen. Man fühlt sich unfreiwillig an den Weltraumzirkus D'Alembert erinnert, wenn ihnen andauernd Dinge gelingen, die für normale Lebewesen absolut unmöglich oder tödlich gewesen wären. Wenigstens funkt ständig etwas dazwischen, wenn sie ihre Pläne ausführen wollen. Es gibt kaum echte Kämpfe in dem Buch, vor allem nicht mit den Helden, die das, wie nach obiger Beschreibung klar wird, auch kaum überleben könnten.

Die unglaubliche Brutalität der Bösen wird genüsslich in allen Einzelheiten geschildert und steht in völligem Gegensatz zu den lustig-naiven Elementen. Verstörend wirkt die Vermischung von körperlicher Liebe und Gewalt. Um Personen als "böse" zu charakterisieren, reicht weniger aus, das zudem nicht so ausführlich, sondern kurz geschildert werden kann. Der Subplot mit Sklaven etwa ist überflüssig. Nicht nachvollziehbar bleibt die Wandlung des "Bösen". Wer vorher vor Vergewaltigung und Mord nicht zurückschreckt, von Wut gelenkt wird und ansonsten einfach Befehle ausführt, kann beim besten Willen nicht mehr zu einem Sympathieträger werden. Ebenso unglaubwürdig bleibt die Elfe, die einerseits ein Leben lang Einzelgängerin gewesen ist und dennoch über erstaunliche soziale Fähigkeiten verfügt. Die Liebesszene zwischen den Protagonisten ist ok, fällt besser aus als in anderen Büchern und wirkt vor allem nicht anrüchig.

Es war keine gute Idee des Autors, sich auf seine Eltern als Korrekturleser zu verlassen: Rechtschreibfehler findet man schon bei einfachen Wörtern. Dazu kommen verschachtelte, unnötig komplizierte Sätze. Hier wäre ein Lektor notwendig gewesen. Zur Not hätte auch ein Germanistikstudent ausgereicht!

Die Erläuterungen hätte man zumindest teilweise in den Text einbauen können. So wird ständig nerviges Blättern nötig. Außerdem wird nicht jeder Begriff aus dieser speziellen Fantasywelt erklärt. Erschwert wird die Suche einer Textstelle dadurch, dass im gesamten Buch keine Seitenzahlen vorhanden sind. Kurioserweise ist die hier vorgestellte eigene Fantasywelt des Autoren interessanter als die eigentliche Geschichte.

Der letzte Teil, insbesondere der Aufenthalt in der anderen Welt, wurde zu kurz abgehakt. Die Geschichte hat kein echtes Ende, sondern liest sich wie der Auftakt zu einem Zyklus. Das lassen Formulierungen wie "ein wundervoller Anfang" oder der Anhang mit vielen Stichworten befürchten. Zudem wird nicht geklärt, was es mit dem Schwert oder der Sage auf sich hat. Das könnte in einem späteren Buch behandelt werden. Mit "Cvon. Erster Teil des Ushovar-Zyklus" ist ein weiteres Buch aus der gleichen Welt erschienen. Laut Leseprobe taucht hier Loric wieder auf.

Es gibt leider keine Erläuterung zu Ivos früheren Leben und es findet auch keine Rückkehr zur Fee statt. Die Dämonin wird extra "aufgespart". Damit werden die Leser ums erwartete Finale betrogen. Laut Internetauftritt des Autor ist eine Fortsetzung geplant. Die läßt aber auf sich warten.

Eine Auswahl an guten DSA-Romanen zeigt, wie man das richtig macht, oder eben das 2. Elfenbuch, wenn es denn Elfen sein müssen. Einen mir bisher unbekannten Stil habe ich beim polnischen Autoren Andrzej Sapkowski gefunden.

Dass der Verfasser alles selbst gemacht hat, z.B. die Grafiken, ist ok. Als unbekannter Autor hat er das Werk 1 Jahr vor dem Herr-der-Ringe-Fieber herausgegeben. Inzwischen gibt es jedoch mehrere Nachwuchsautoren mit Erstlingswerk (z.B. "Die Trolle" oder diverse neue DSA-Romane), die zeigen, was tatsächlich möglich ist.

Selbst wenn das Genre des Fantasy-Romans nicht neu erfunden werden kann, wird dort immerhin versucht, bekannte Elemente neu zu kombinieren, alten Szenarien neue Seiten abzugewinnen usw. Übernommen wurde hier hingegen ausgerechnet die Unsitte, statt einem geschlossenen Erstlingsroman nur den ersten Band einer größeren Serie zu veröffentlichen.

Internetauftritt von Guido Krain mit Leseprobe, Grafiken und mehr:
www.fantasy-buch.de

P.S.: Ein weiterer Grund, mich über das Buch zu ärgern, besteht darin, dass ich Monate gebraucht habe, um mich endlich zu dieser Rezension aufzuraffen, auch wenn ich die Stichpunkte längst fertig hatte. Es erschien mir einfach als unheimlich viel zu schreiben und nicht einmal dieser Verriss machte mir richtig Spaß! Einerseits finde ich es mutig, dass ein Autor einen solchen Weg außerhalb der großen Verlage geht, um seine Idee durchzuziehen, andererseits finde ich das Ergebnis in vielerlei Hinsicht fürchterlich. Wie soll man gleichzeitig die gute Absicht loben und die schlechte Ausführung kritisieren? Da kann sehr leicht ein verkrampft wirkender Text herauskommen. Deswegen habe ich mich darauf konzentriert, in erster Linie das Buch zu besprechen. Leicht gefallen ist mir das nicht.


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