Nachdem ich mir eine Übersicht mit Ralfs und Schweiges DSA-Romanbewertungen gebastelt hatte, habe ich mir einige DSA-Bücher gebraucht gekauft. "
Blutopfer" von
Barbara Büchner war das erste davon, welches ich gelesen habe. Eigentlich waren die bisherigen literarischen Ergüsse, welche ich von Büchner kenne ("
Seelenwanderer" und eine Kurzgeschichte in "
Von Menschen und Monstern") eher abschreckend. Andererseits spielt "Blutopfer" in Lowangen, dem Svellttal und dem Orkland (alles Regionen und Orte aus der Nordlandtrilogie!), so dass ich ihm doch eine Chance geben wollte.
Roisin Bellentor ist von Beruf Sohn. Von seinem Vater, einem reichen Händler in Lowangen, wird er für einen Nichtsnutz gehalten. Zwar kann er sich den ganzen Tag diversen körperlichen Freuden hingeben, ist jedoch auf Dauer damit unzufrieden. Dazu kommt, dass er ein Magiedilettant ist und seine Fähigkeit, unbewusst das Geschirr im Schrank klappern zu lassen, den anderen gehörig auf die Nerven geht.
Dieser Alltag ändert sich, als sein Freund bei der Akademie der Verformungen seinen Abschluss macht und bald darauf einen Auftrag seines Meisters erhält: Er soll ins Orkland ziehen, um den Nachtwandlern, einem seltsamen und unbekannten Chimärenvolk, zu helfen. Roisin muss aus einem zunächst geheimen Grund unbedingt mitkommen. Seine Frau, eine Thorwalerin aus Olport, die ihn nur aufgrund ihrer Armut geheiratet hat, freut sich über die Abwechslung und kommt mit. Der Akademieleiter heuert noch einen Wildnisführer und eine Söldnerin an und die Gruppe ist komplett.
"Blutopfer" bietet mehr Stimmung als Spannung. Das ist schön zu lesen. Kein Wunder, wurden doch viele Inhalte, insbesondere Erzählungen und Personen, aus der Orklandbox übernommen. Viel Hintergrundwissen aus der Box wird durch den Kundschafter erzählt. Auf ihrem Weg haben die fünf Protagonisten typische Reiseereignisse fürs Svellttal und das Orkland. Der Höhepunkt des Romans ist ok und die Rückreise trotz einiger Wiederholungen ebenfalls lesenswert.
Dennoch findet ein DSA-Kenner eine Menge
zum Meckern: Es ist z.B. unwahrscheinlich, dass die Reisebegegnungen in schöner Regelmäßigkeit auftreten wie in dem Buch. Die auf dem Hinweg zurückgelegte Strecke ist reichlich unlogisch: Am ersten Tag fährt man bis nach Svellmia und dann benötigt man noch zwei Tage bis Tiefhusen, obwohl der Svellt hier viel schneller fließt. Bei den doppelten Beschreibungen auf dem Hin- und Rückweg fragt man sich, ob das Buch eventuell anders geplant war ohne Schlussteil. Unklar bleibt, ob das Schloss, in dem die Chimären wohnen, von Zwergen oder Kopffüßlern erbaut wurde (oder teils-teils). Im Roman finden sich hierzu an verschiedenen Stellen unterschiedliche Angaben. Auch wirkt es sehr seltsam, dass eine freiheitsliebende Thorwalerin sich für Geld in eine Händlerfamilie einheiratet, anstatt mit ihrer Sippe auf Beutefahrt zu gehen.
Trotz der schönen Reisebeschreibungen ist "Blutopfer" alles andere als ein Meisterwerk von Barbara Büchner. Dafür hat sie einfach zu viel direkt aus der Orklandbox abgeschrieben. Ich habe mir den Spaß gemacht und im
Artikel über das Buch in der Wiki Aventurica alle Parallelen aufgelistet, die mir aufgefallen sind. So kann jeder, der den Roman und die Box hat, das selbst überprüfen. Ein DSA-Spieler weiß, dass viele Informationen aus den Regionalbeschreibungen keinem gewöhnlichen Bewohner Aventuriens bekannt sind. Deswegen funktioniert der Kniff, dass sich Personen unterhalten und dabei Texte aus der Orklandbox abspulen, nicht oder wirkt zumindest sehr unaventurisch.
Zudem ist Büchners Eigenanteil zu wenig überzeugend: Im Orkland leben gutartige Chimären, die zwar wenigen Leuten bekannt sind, aber dennoch von Magiern und Forschern weit und breit geschätzt werden. Das direkte Tor zu Borons Hallen soll mystisch-überderisch erscheinen, wirkt aber dennoch trivial. Natürlich muss der Gegner irgendetwas mit Dämonen zu tun haben. Die seltsame Prophezeihung am Anfang, in der schon der Name einer später auftretenden Person genannt wird, rundet diesen negativen Eindruck ab.
Insgesamt bleibt eine nett zu lesende Reisebeschreibung einer Gruppe, die durchs Svellttal und das Orkland zieht. Den überderischen Kram, der in dem Buch dargestellt wird, würde ich hingegen mit einem Schulterzucken ignorieren und ganz gewiss nicht in meine Vorstellung Aventuriens übernehmen.
Für ein Buch von Barbara Büchner ist "Blutopfer" erstaunlich gut, weil sie so viele Texte anderer Autoren verwendet hat. Dass man aus Beschreibungen in DSA-Publikationen einen überzeugenden Roman schreiben kann, ohne platt abzukupfern, hat Daniela Knor mit ihren Werken "Roter Fluss" und "Der Tag des Zorns" gezeigt. Wer einen guten DSA-Roman lesen möchte, der im Svellttal spielt, dem sei "Das letzte Lied" empfohlen.