Zwar mit ein paar Tagen Verspätung, aber hier kommt meine letzte Rezension des diesjährigen Fantasy Filmfest, das mir das mit Abstand hochklassigste Programm geboten hat, seit es in Nürnberg ist und daher mich als Besucher hat. smile

Und dieser (persönliche - den offiziellen habe ich aufgrund einer Kombination von Geldmangel und schlechtem Wetter sausen lassen) Abschlußfilm hat es in sich. Ja, ich lehne mich sogar weit aus dem Fenster und behaupte: Das wird die "Rocky Horror Picture Show" dieser Generation! Die Rede ist von

REPO! THE GENETIC OPERA:

In nicht allzu ferner Zukunft gibt es eine revolutionäre Neuerung: Organtransplantation auf Raten! Auf den ersten Blick sind alle damit glücklich: Unternehmenseigner Rotti Largo (Paul Sorvino) ist dadurch stinkend reich geworden und jede Menge nicht so gut betuchter Menschen überleben schwere Krankheiten oder Unfälle. Doch auf den zweiten Blick ist die Welt nicht ganz so heil, denn die Sache hat einen Haken: Wer mit den Raten nicht nachkommt, dem wird das entsprechende Organ kurzerhand von einem sogenannten "Repo Man" wieder entfernt. Und zwar nicht unbedingt fachgerecht, dafür umso blutiger und vor allem: tödlich!
Ohne ihr Wissen ist die junge, an einer Blutkrankheit leidende Shilo (Alexa Vega, die einstige Kinderdarstellerin aus Robert Rodriguez´ "Spy Kids"-Reihe) in dieses blutige Geschäft verwickelt, denn es gibt eine geheime Verbindung zwischen ihr selbst, ihrem überfürsorglichen Vater (Anthony Stewart Head alias Mr. Giles aus "Buffy"), ihrer bei ihrer Geburt verstorbenen Mutter und Rotti Largo ...

"Repo!" einem Genre zuzuordnen, ist eine wahre Herkules-Aufgabe. Also versuche ich es gar nicht erst und sage stattdessen: Es ist eine SciFi-Horror-Rock-Opern-Musical-Komödie. Ja, das trifft es in etwa. wink
Eines muß klar gesagt werden: Hier wird fast nur gesungen, wer also mit dieser Art von Musik nichts anzufangen weiß: Bitte draußen bleiben! Für wen ist der Film also geeignet? Ich glaube, das läßt sich relativ leicht beantworten: Jeder, der auf Queens Alben "A Night at the Opera" und "A Day at the Races" und vor allem auf die "Bohemian Rhapsody" steht, der dürfte an "Repo!" seine helle Freude haben. Bezogen auf aktuellere Musik würde ich vielleicht Vergleiche zu Nightwish und Within Temptation ziehen, wobei ich mich mit beiden Bands nicht wirklich gut auskenne. Außerdem gibt es in "Repo!" durchaus verschiedene Musikstile, aber insgesamt herrscht auch und vor allem visuell eindeutig ein typischer Gothic-Stil vor.
Das Erfreuliche ist übrigens: Die meisten Songs sind richtig gut. up
Fast noch besser ist jedoch die optische Gestaltung dieser Umsetzung eines vermutlich ziemlich obskuren Bühnen-Musicals. Regisseur Darren Lynn Bousman ist bislang vor allem für die Inszenierung von "Saw II-IV" bekannt - was ich persönlich nicht unbedingt als Empfehlung verstehe. Doch hier überrascht und überzeugt er mit einer geradezu atemberaubenden visuellen Pracht - nun, soweit man beim Vorherrschen diverser Töne der Farbe Schwarz von "Pracht" sprechen kann. grin
Zwischendurch gibt es auch noch gelungene Comic-Rückblenden á la "Max Payne", in welchen die Hintergründe der Protagonisten etwas näher beleuchtet werden.

Vermutlich nicht jedem gefallen wird die Handlung, doch ich persönlich finde ich den absoluten Willen zum hemmungslosen Kitsch mit shakespear´schen Anleihen durchaus beeindruckend. smile
Denn in der Tat dreht sich hier letztlich alles um die Liebe. Aber nein, ein Frauenfilm ist es nicht unbedingt. wink

Besonders wichtig bei einem Musical sind natürlich die Darsteller ... bzw. Sänger. Hier gibt es erfreulicherweise kaum etwas zu bemängeln: Daß Anthony Stewart Head eine famose Stimme hat, durfte er ja schon ein paar Mal bei "Buffy" zeigen. Hier bestätigt er es, seine Leistung ist also keine Überraschung. Ganz anders als bei Paul Sorvino, altgedienter Mafiadarsteller und "Law & Order"-Gründungsmitglied. Seine ersten Szenen scheinen die eher niedrigen Erwartungen zu bedienen: Er brummelt vor sich hin, nicht gerade melodiös, doch zu seiner Rolle passend. Doch dann kommt die erstaunliche Wandlung: Je länger der Film läuft, desto mehr darf Sorvino mit echtem stimmlichen Talent beeindrucken. Die beste Gesangs-Leistung offenbar jedoch wenig überraschend ein echter Gesangs-Profi, denn keine geringere als Sarah Brightman (auch Nicht-Opern-Fans bekannt dank Henry Maske und "Time to say goodbye") spielt eine wichtige Nebenrolle als Sängerin in der titelgebenden "Genetic Opera".
Aber damit noch nicht genug, denn auch Paris Hilton ist mit von der Partie! Na, wer hätte wohl jemals damit gerechnet, daß mal ein Film Sarah Brightman und Paris Hilton vereinen würde? Zum Glück darf Ms. Brightman wesentlich mehr singen, aber zu ihrer Ehrenrettung sei gesagt: Hilton macht ihre Rolle gesangstechnisch gar nicht so schlecht, vor allem überzeugt sie aber in einer erstaunlich selbstironischen Rolle als maßlos verzogene Tochter von Rotti Largo. Ich würde ja sagen, Paris Hilton verliert in diesem Film nicht ihr Gesicht, aber ... nunja, schaut euch den Film an. grin
Bei der eigentlichen Hauptdarstellerin Alexa Vega bin ich mir jedoch noch nicht so ganz sicher, was ich von ihrem Gesang halten soll. Der erste Eindruck war ziemlich ... naja. Aber dann gefiel sie mir eigentlich immer besser. Das Problem ist meiner Meinung nach, daß ihre Stimme nicht so ganz zu den der anderen Darsteller paßt. Ihre Stücke klingen denn auch mit Abstand am poppigsten. Das ist nicht schlecht - gefiel mir aber eindeutig weniger als das von Brightman, Head, Sorvino und einigen anderen gebotene.

Soweit klingt das alles also ziemlich begeistert, nicht wahr? Es gibt aber auch ein paar kleinere Mängel: So stören zwei oder drei unnötig alberne Szenen mit Largos dämlicher Brut die schön düster-skurrile Atmosphäre und auf der anderen Seite sind ebenfalls zwei oder drei Splatter-Szenen (Entnahme der Organe) unnötig heftig geraten. Vermutlich werden die im Falle eines regulären deutschen Kinostarts sowieso rausgeschnitten, dann dürfte nämlich eine FSK16-Freigabe kein Problem sein. Und, ganz ehrlich: In diesem speziellen Fall würde ich einer solchen Form von Zensur zustimmen. Dieses Gesplattere dient nämlich vermutlich keinem anderen Zweck als einer Art Hommage an Regisseur Bousmans "Saw"-Vergangenheit. Einen anderen Sinn kann ich darin jedenfalls nicht entdecken. Außerdem hätte ich gerne etwas mehr von manchen Nebenfiguren gesehen, allen voran dem mysteriösen Grabräuber, der die ganze Geschichte irgendwie umrahmt (und, soweit ich das verstanden habe, vom gleichen Darsteller, Terrance Zdunich, gespielt wird wie in der Bühnenvorlage - UND der zudem Co-Autor und Co-Komponist des Musicals ist!).

Fazit: Wer alle Voraussetzungen erfüllt (also die Musik mag, Musicals allgemein mag, schaurig-skurrile Geschichten mag und nichts gegen eine gute Portion Kitsch hat), der bekommt hier ein wahres Festmahl serviert.
9 Punkte.

P.S.: Hoffentlich gibt´s bald den Soundtrack auf CD. smile

Last edited by Ralf; 05/09/08 03:37 PM.