Nach dem Fantasy Filmfest kommt nun wieder die normale Kinokost. Heute mit:

WANTED:

Wesley Gibson (James McAvoy) ist ein Loser, wie er im Buche steht. Und vielleicht das schlimmste daran ist: Er weiß es - und kann scheinbar doch nichts dagegen tun! Doch eines Tages erhält er eher ungewollt Hilfe dabei, als die laszive Fox (Angelina Jolie) auftauch und ihn auf beeindruckende Art und Weise vor einem mysteriösen Killer rettet, der Wesley offenbar töten will. Warum das so ist, erfährt er wenig später von Sloan (Morgan Freeman), dem Chef einer Geheimorganisation mit Namen "Die Bruderschaft". Wie sich herausstellt, ist Wesleys Vater - den er nie kennengelernt hat - selbst Mitglied dieser Bruderschaft gewesen, die nichts anderes als eine Gruppe von Profikillern im Auftrag des Schicksals höchstselbst ist! Doch dann wurde Wesleys Vater vom Verräter Cross (Thomas Kretschmann) getötet - und Wesley soll ihn nun rächen ...

"Wanted" basiert auf einem Comic von Mark Millar, ist aber dem Vernehmen nach einer ziemlich lose Adaption - zur Verärgerung der Fans des Comics (obwohl Millar selbst die Filmstory abgesegnet hat). Im Grunde genommen erinnert Wesleys Geschichte auch ein wenig an die von Peter Parker - nur daß Wesley nicht zu Spider-Man wird, sondern zu einem Profikiller. Das ist nicht unbedingt eine heldenhafte Tätigkeit, selbst wenn sie offenbar für einen guten Zweck geschieht. Dementsprechend plagen Wesley denn auch einige Zweifel ob seiner vermeintlichen Berufung. Daß "Wanted" eine Comic-Verfilmung ist, ist stets ersichtlich. Die Protagonisten können beispielsweise um die Ecke schießen und beherrschen diverse andere übermenschliche Kunststückchen. Womit ich ehrlich gesagt so meine Probleme habe. Wenn es wie bei den Superhelden-Comics eine echte - wenn auch mitunter hanebüchene - Erklärung für die Superkräfte der Protagonisten gibt, dann kann ich das akzeptieren. Bei "Wanted" beschränkt sich die Erklärung aber mehr oder weniger auf "Es gibt ein paar Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten". Na toll.
Dennoch macht "Wanted" durchaus Freude - zumindest in der ersten Filmhälfte, in der es eine wahre Freude ist, McAvoy im totalen Weichei-Modus zuzuschauen. grin
Seine Ausbildung durch Fox, einhergehend mit einer grundlegenden charakterlichen Wandlung, ist amüsant und unterhaltsam. Nachdem die Ausbildung beendet ist, geht es leider steil bergab.
Es gibt ja bekanntlich jede Menge Filme, denen Gewaltverherrlichung vorgeworfen wird. In den meisten Fällen halte ich das für blanken Unsinn, weil selbst die Darstellung expliziter Gewalt noch lange nicht automatisch gewaltverherrlichend ist. "Wanted" ist meiner Meinung nach eindeutig gewaltverherrlichend. Zu stilisiert und selbstverliebt sind die - visuell beeindruckenden - Actionszenen inszeniert, zu sehr verkommen sie mitunter zum Selbstzweck, zu menschen(und tier)verachtend entwickelt sich die Handlung. Nein, das ist nicht das, was ich von einem guten Action-Film erwarte. Zumal "Wanted" sich selbst allen Übertreibungen zum Trotz viel zu ernst nimmt. "Shoot ´em up" beispielsweise hat das letztes Jahr viel besser gelöst. Der ganze Film war ein Witz - und wollte nichts anderes sein! Deshalb hat er als klassischer "No-brainer"-Actionfilm einwandfrei funktioniert.
Was "Wanted" außerdem schadet, ist die Handlung. Die ist zwar immerhin nicht ganz so banal und geradlinig wie bei vielen anderen Actionfilmen, aber leider viel zu vorhersehbar und in den Details häufig zu unlogisch.

Ein weiteres Problem sind die Figuren des Films. Erst gestern abend habe ich mich daran begeistert, wie perfekt es den Machern von "Dr. House" gelungen ist, in nur drei Episoden (=120 Minuten) der neuen Staffel satte zehn neue Charaktere einzuführen, die allesamt prägnant und erinnerungswürdig sind. "Wanted" schafft in nahezu der gleichen Zeit (110 Minuten) genau eine überzeugende Charakterisierung - nämlich die von Hauptfigur Wesley Gibson (und auch dessen Entwicklung innerhalb der Story ist nicht völlig glaubwürdig geraten), dessen Darstellung James McAvoy ganz vorzüglich gelungen ist. Selbst Angelina Jolies ausgesprochen sexy (auch wenn sie mittlerweile ein wenig arg dünn ist) gespielte Fox oder Morgan Freemans Sloan bleiben erschreckend blaß, ganz zu schweigen von den potentiell durchaus interessanten Nebenfiguren innerhalb der Bruderschaft.

Das klingt jetzt alles sehr negativ, aber einiges davon ist eher subjektive Kritik. Positiv muß auf jeden Fall festgehalten werden, daß der russische Regisseur Timur Bekmambetov ("Night Watch", "Day Watch") erneut sein großes Talent für optisch innovatives Action-Kino voll ausspielt. So übertrieben die Action-Szenen auch geraten sind - sie sehen toll aus!

Fazit: Wer einfach mal wieder einen sinnfreien, aber spektakulären Action-Kracher genießen will und dabei bereit ist, inhaltliche Mängel (die innerhalb des Action-Genres gar nicht SO schwerwiegend ausfallen) und moralische Fragwürdigkeiten - die gegen Ende der Handlung wenigstens halbherzig hinterfragt werden - hinzunehmen, der wird mit ziemlicher Sicherheit nicht enttäuscht werden. Mir ist das nicht ganz gelungen, wenngleich ich nicht leugnen kann und will, daß ich mich phasenweise durchaus gut unterhalten gefühlt habe (vor allem in der ersten Filmhälfte).
5,5 Punkte.

Last edited by Ralf; 10/09/08 12:29 PM.