So, ich bin durch. laugh

Meine Rezension gestalte ich heute mal mit einer Auflistung von Stärken und Schwächen:

Die Stärken:
- Die Atmosphäre. Den Programmierern ist es wunderbar gelungen, Aventurien zum Leben erwecken und in Zusammenarbeit mit den DSA-Autoren eine spannende, unterhaltsame und für die aventurische Geschichte sehr bedeutsame Story unter Mitwirkung vieler bekannter DSA-Meisterfiguren zu erzählen. Und das auch noch in erstklassig verfaßten Texten und Dialogen! up
- Die Vertonung: Auch die Musik ist sehr atmosphärisch geraten und hält sich meist bescheiden im Hintergrund. Was aber auch ein kleiner Kritikpunkt ist, denn ein bißchen spektakulärer hätte die Musik an manchen Punkten der Geschichte schon sein dürfen. Entgegen dem ersten Eindruck muß ich auch die Sprecher loben. Zwar gibt es bei den Nebenfiguren ein paar Ausfälle und gelegentlich merkt man doch, daß Sprecher ihre Sätze ohne Kenntnis der Story-Zusammenhänge aufsagen mußten (sprich: Es hapert manchmal an der richtigen Betonung, ein altbekanntes Problem bei Computerspielen), aber die Hauptfiguren und speziell die spielbaren Charaktere sind fast ausnahmslos hervorragend besetzt worden (der einzige wichtige NPC, dessen Stimme mich nicht überzeugen konnte, war eigentlich Arombolosch). Als ich nach etwa der Hälfte des Spiels dann sogar die markante Stimme von Manfred "Bruce Willis" Lehmann vernahm, war das glatt ein Argument, den von ihm gesprochenen Traldar permanent in meine Gruppe aufzunehmen. grin
- Die Party: Zwar ist in diesem Punkt bei weitem nicht alles perfekt geraten (siehe Schwächen), aber die meisten spielbaren Charaktere sind mir vor allem aufgrund ihrer prägnanten, häufig amüsanten Kommentare zum Spielgeschehen (und der herrlichen Meckereien, wenn sie im Landhaus darauf warten, wieder in die aktive Gruppe zu dürfen grin ) schnell ans Herz gewachsen.
- Das Kampfsystem: Ich bin wirklich dankbar, daß die Möglichkeit der automatischen Pause nach jeder Kampfrunde integriert wurde. Dadurch ist es problemlos möglich, bequem und taktisch den Kampfverlauf zu bestimmen. Ganz ehrlich: Ich hatte das im Vorfeld viel schlimmer erwartet ...
- Die Questen: Zahlreich, vielfältig, teilweise erfreulich kreativ (Torwache!).
- Die weitgehende Bugfreiheit! up
- Die Grafik: Nicht spektakulär, aber sehr schön und ausgesprochen stimmig. smile
- Die Spieldauer: Nicht zu lang (ich mag diese RPGs, die man jahrelang spielen kann, nicht wirklich), aber auch keineswegs zu kurz. Für meine Bedürfnisse genau richtig!

Die Schwächen:
- Die Questen: Zwar sind sie für sich genommen meist gelungen, aber leider gibt es viel zu wenige komplexe, "mehrstufige" Questen wie die mit der Fehde der beiden Handelshäuser. Da hätte ruhig etwas mehr Mut sein dürfen, oder wollte man die Spieler etwa nicht überfordern? down
Absolutes "Downlight" des gesamtes Spiel war für mich denn auch das Kapitel im Dunkelwald, wo die wichtigen Questen teils ziemlich dämlich und unglaubwürdig ausgefallen sind und zudem unzählige Möglichkeiten ausgelassen wurden. Die Handhabung der Sache mit den zwei konkurrierende Räuberbanden beispielsweise ist geradezu lächerlich (gerade angesichts der schönen Vorbereitung dieser Storyline durch den "Aventurischen Boten"). Und es gab zu wenige alternative Lösungsmöglichkeiten, selbst wenn diese offensichtlich gewesen wären (wie bei der Sache mit dem falschen Bart).
- Die Zusammenstellung der Heldengruppe: Auch hier gilt, daß ich - wie oben angesprochen - die einzelnen Charaktere sehr gelungen fand, aber wiederum fehlt mir die Tiefe. Es gibt - falls ich nichts verpaßt habe - nur zu einem Gruppenmitglied eine echte "persönliche Queste" (Rhulana), die zudem sehr kurz geraten ist. Da gefällt mir die Methode wie z.B. bei "KOTOR" wesentlich besser, wo jedes Gruppenmitglied eine ausführliche persönliche Queste zu erledigen hat. Schon, weil es dem Spieler die Charaktere auf diese Weise wesentlich näher bringt und er Hintergründe zu den einzelnen Personen erhalten kann. Diese Möglichkeit ist bei "Drakensang" fast gar nicht gegeben, auch die Gesprächsoptionen mit den Gruppenmitgliedern sind ausgesprochen mager geraten. Schade.
Weiteres Problem: Es gibt zu viele potentielle Gruppenmitglieder! Sicher ist auch das ein Grund, warum man auf eine größere Komplexität der einzelnen Figuren verzichtet hat. Anders wäre es definitiv besser gewesen.
- Die Umsetzung des DSA-Regelwerks bzw. das aktuelle DSA-Regelwerk selbst: Die arg abgespeckte Charaktergenerierung zu Beginn des Spiels wurde ja schon vielfach - und zurecht! - bemängelt. In der zweiten Spielhälfte erfährt man dann einen weiteren Nachteil, der sich aus dem Verzicht auf viele Talente und Zauber ergibt: Man hat viel zu viele Steigerungspunkte für viel zu wenig Talente/Zauber, sodaß die Gruppe am Ende beinahe zu Superhelden verkommt. Das ist vermutlich auch ein Zugeständnis an die Mainstream-Spieler, hat aber mit DSA wenig zu tun! down
Außerdem ist ein Ungleichgewicht zwischen den "normalen" und den magiekundigen Charakteren gegeben. Während vor allem erstere zu genannten Superhelden mutieren, werden zweitere eher benachteiligt, da sie die gleiche Anzahl von Steigerungspunkten erhalten, aber unter Talenten UND Zaubern (und Eigenschaften) aufteilen müssen. Das entspricht wohl dem aktuellen DSA-Regelwerk, gefällt mir aber trotzdem nicht. Früher war das besser gelöst. Überhaupt finde ich es auch nicht sonderlich gelungen, daß man nun jederzeit Werte steigern kann. Dadurch verkommen die früher freudig erwarteten Stufenanstiege zu Nicht-Ereignissen, da ihr einziger Einfluß eine mögliche geringfügige Erhöhung der Maximalwerte einzelner Talente und Zauber darstellt.
Zugegeben: Das neue System hat den Vorteil, daß man nicht bis zum nächsten Stufenaufstieg warten muß, wenn man storybedingt irgendein bestimmtes, bislang eher vernachlässigtes Talent dringend benötigt. Dennoch: Insgesamt bevorzuge ich das vorherige DSA-Regelwerk.
- So gut ich das Kampfsystem finde, vor allem in den Dungeons hätten es ruhig ein bißchen weniger Kämpfe sein dürfen. Und dafür vielleicht öfter die Möglichkeit, wie bei "Planescape: Torment" einen Kampf durch kluge Dialogführung zu vermeiden. Überhaupt:
- Die Dialoge sind zwar schön geschrieben und es ist auch positiv, daß es zusätzliche Optionen durch hohe Werte in Etikette, Menschenkenntnisse und ähnlichen Talenten gibt. Insgesamt sind die Dialoge dennoch zu linear und zu wenig relevant beeinflußbar.
- Auch wenn die Gesamtanzahl sehr niedrig war: Ein paar kleinere Bugs waren doch nervig, vor allem die Tatsache, daß manchmal nach einem Kampf nicht automatisch aus dem Kampfmodus in den normalen umgeschaltet wurde - was dann ein Problem ist, wenn man wie ich die automatische Pause nach jeder Kampfrunde aktiviert hat. Da wäre es sinnvoll gewesen, die Möglichkeit des manuellen Umschaltens in den normalen Modus einzubauen. Einmal habe ich auch erlebt, daß die gesamte Gruppe in einer Nische festhing und partout nicht wieder rauskam. Zum Glück hatte ich direkt davor gespeichert ...
- Mich hat es zwar im Spiel selbst wenig gestört, aber einige der von buad bemängelten unrealistischen Details wie das folgenlose Aufbrechen von Truhen oder die unzähligen zerstörbaren Fässer sind im Rückblick schon schade.
- Das Schleichsystem: An sich ganz nett gemacht, aber absolut schwachsinnig ist, daß man immer mit der ganzen Gruppe schleichen muß (zumindest wenn es mehr als ein paar Meter sind), wobei natürlich das Mitglied mit dem schwächsten Talentwert ausschlaggebend ist! Das hat mich zwar nur an einer Stelle wirklich genervt (Burg Grimmzahn), ist aber definitiv ein unnötiger Design-Schnitzer.
- Die Inszenierung der Haupt-Story hätte ruhig etwas spektakulärer geraten dürfen. Immerhin ist die Drachenqueste ein aventurienweit bedeutendes Ereignis, da hätte ein wenig mehr Pomp bei den Zwischensequenzen schon sein dürfen. So wird erst gegen Ende des Spiels wirklich überzeugend klargemacht, welch epische Geschichte hier eigentlich erzählt wird.
- Das Ende (und damit meine wirklich nur den kurzen Teil nach dem Endkampf): Wie so oft bei Computerspielen ist es lächerlich abrupt und ziemlich unbefriedigend. Das muß doch echt nicht sein! mad

Jetzt habe ich zwar acht Stärken und zehn Schwächen aufgezählt - dennoch bleibt es insgesamt bei meinem anfänglichen, sehr positiven Eindruck: Mir hat "Drakensang" unheimlich viel Spaß gemacht. Vermutlich mehr als es eigentlich hätte dürfen. smile
Ich freue mich schon tierisch auf Add-On und/oder Fortsetzung, denn wenn Radon Labs aus den (überwiegend spieltechnischen) Fehlern von "Drakensang" lernt und die (vorwiegend in Atmosphäre und Story zu findenden) Stärken mit dem dank guter Verkaufszahlen hoffentlich deutlich erhöhten Budget weiter ausbaut, dann könnte daraus ein echtes Meisterwerk werden.
"Drakensang" erhält von mir die Note 2+.

P.S.: Kann sein, daß ich die Liste von Stärken und Schwächen im Rahmen des Editierzeitfensters noch ergänze, da mir jetzt bestimmt nicht alles auf Anhieb eingefallen ist. wink

Last edited by Ralf; 14/09/08 06:26 PM.