Ich habe übrigens gestern Drakensang nun auch abgeschlossen - als Info für alle Skeptiker, die angesichts meiner massiven Kritik am Spiel davon ausgingen, dass ich es sowieso nie abschließen würde.

Mein Fazit hat sich allerdings nicht geändert: Die Charaktere sind bis zum Ende nicht nur blass und farblos, sondern geradezu "tot" geblieben. Sie sind zu bloßen Ergänzungen der Fähigkeiten des Hauptchars degradiert, ohne Charisma, Individualiät und Persönlichkeit. So wirken sie wie seelenlose Droiden. Ein Blick auf Spiele wie NWN2, das mit seinen beinahe PS:T-gleich liebevoll und tief ausgearbeiteten Begleitern (vor allem in MotB) das genaue Gegenteil darstellt, hätte nicht geschadet, wäre zudem noch näher an DSA gewesen. Die Motivation des Hauptchars, ausgerechnet als Streiter der Drachenquest aufzutreten, ist bis zum Ende nicht wirklich erklärt worden - und damit reiht er sich in die gesichtslose Gruppe seiner Begleiter ein.
Zum Ende hin wurde Drakensang sogar richtig schwach. Rollenspiel gab es praktisch überhaupt nicht mehr (zugegeben war das Rollenspiel ja schon von Beginn an nur rudimentär), davor zunehmend Kämpfe. Drakensang mutiert zum Schluss zu einem reinen Action-"RPG" und scheint sich hier Sacred oder gar Diablo zum Vorbild genommen zu haben - und entfernt sich damit noch weitere Schritt vom DSA-System, das den Kampf niemals dermaßen in den Mittelpunkt schieben wollte. Das Durchmetzeln durch Gegner*horden*, durch zahlenmäßig weit überlegene Heerscharen, *das* ist nun wahrlich nicht DSA-gemäß und sorgt dafür, dass zumindest mir Drakensang nicht in allzuguter Erinnerung bleiben würde.
Wäre der Spieler, der eigentlich ein RPG zu spielen glaubte, am Ende wenigstens mit einem angemessenen Abspann belohnt worden...
...aber drei Sätze eine altehrwürdigen Drachen mögen zwar inhaltlich beeindruckend sein, als Ende für das Spiel sind sie jedoch mehr als mickrig.
Ich als SPieler fühlte mich betrogen, und die Dramaturgie des Finales - sio bescheiden sie insgesamt auch ausfallen mochte - wurde durch den viel zu knappen und nichtssagenden Abspann wie mit der Axt beendet. Normalerweise sollte ein RPG einen Abspann haben, der die Geschichte langsam ausklingen lässt, damit der Spieler nach dem meist kampfintensiven Finale wieder zur Ruhe findet und noch einige interessante Informationen nachgereicht bekommt. Drkanesang jedoch zeigt sich hier genauso bescheiden wie im Rest des Spieles, an der Stelle leider - wie auch beim Rest - eine falsche Bescheidenheit. Etwas mehr wäre hier tatsächlich *mehr* gewesen.
Handwerklich war Drakensang erfreulich ausgereift. Bis zum Ende ist mir nicht ein einziger gravierender Bug untergekommen, und das ist eine wirklich reife Leistung, an der sich andere Entwickler ein Beispiel nehmen sollten! Mag auch die geringe Komplexität der Spielwelt dabei eine Rolle spielen - solche Qualität gilt es zu standardisieren und auch auf komplexe Welten auszudehnen!
Fazit:
Im Vergleich mit seinen erwachsenen "Brüdern" wirkt Drakensang bis zum (enttäuschenden) Ende hin naiv-kindlich. Es "malt" eine bunte Märchenwelt, in der das Gute weiß und das Böse schwarz ist, und die sich mit ihrem Anspruch an unter 10jährige zu richten scheint. Diese kindgerechte Friede-Freude-Eierkuchen-Welt ist allerdings gut umgesetzt und weiß durchaus zu gefallen, wenn man die eigenen Ansprüche entsprechend herunterschraubt. Trotzdem wirkt das Spiel durch die geringe Komplexität der Welt wie eine low-Budget-Produktion aus höchstens der zweiten Reihe - bei Filmen nennt man sowas wohl "B-Movie". Es bereichert den mittleren Markt, denn es ist ein durchaus solides Spiel, aber es hat mMn keine Chance, in der Oberklasse mitzumischen. Um dorthin zu gelangen, ist es für die Entwickler noch ein sehr weiter Weg; sie müssen mMn nicht nur noch verdammt viel lernen, sondern auch eine ganze Reihe von Strategien/Entscheidungen überdenken, wenn sie wirklich oben mitspielen wollen. Oder, als Metapher ausgedrückt: Drakensang war für eine 8-wöchige Praktikumsarbeit bemerkenswert gut - für ein ("RPG-")Diplom reicht's aber noch nicht.