AUSTRALIA:

Wir schreiben das Jahr 1939. Die britische Aristokratin Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) reist nach Australien, um auf der dort von ihrem Mann bewirtschafteten Farm nach dem Rechten zu sehen. Doch als sie ankommt, ist ihr Mann ermordet und Lady Ashley findet schnell heraus, daß der Vorarbeiter der Farm, Neil Fletcher (David Wenham), in Wirklichkeit für den Rinderbaron Carney (Bryan Brown) arbeitet und heimlich die besten Rinder der Farm zu Carneys Herden bringt. Lady Ashley feuert Fletcher kurzerhand und entschließt sich, gemeinsam mit dem raubeinigen Viehtreiber Drover ("Sexiest Man Alive" und frischgebackener OSCAR-Moderator: Hugh Jackman) und den verbliebenen Farmarbeitern - ein Säufer, ein chinesischer Koch und einige Aborigines - die Viehherde nach Darwin zu treiben, wo sie an die Armee verkauft werden soll. Carney, der unbedingt das Rindermonopol in Australien will, ist davon nicht begeistert ...

Auf diesen Film habe ich lange gewartet. Es ist das erste Werk von Baz Luhrmann seit seinem Meisterwerk "Moulin Rouge!" vor sieben Jahren und es ist ein klassisches Leinwandepos, wie man es heutzutage kaum noch zu Gesicht bekommt. Nun ist "Australia" endlich da und bietet fast alles, was ich mir davon erhofft habe: Phantastische Breitwandbilder, einen schwelgerischen Soundtrack, gute Schauspieler, eine dramatische Story, große Gefühle - und das alles eingebettet in historische Ereignisse wie den japanischen Angriff auf Darwin 1941 und den allgegenwärtigen Rassismus gegenüber Aborigines und Mischlingskindern. Bin ich also wunschlos glücklich, so wie bei "Moulin Rouge!"?

Leider nicht. "Australia" hat mir mehr als zweieinhalb Stunden lang viel Freude bereitet, aber ein Meisterwerk ist er nicht geworden. Die Grundstory ist für diese Filmlänge recht dünn und manche Filmfiguren sehr oberflächlich. Mit Abstand am meisten hat mich jedoch der von David Wenham verkörperte Ober-Bösewicht des Films genervt. Die Rolle des Neil Fletcher ist fast eine Kopie des damals von Richard Roxburgh verkörperten Duke in "Moulin Rouge!". Doch wo dessen Boshaftigkeit dort erstens noch einigermaßen nachvollziehbar war und vor allem zweitens wunderbar in diese Extravaganz von einem Film paßte, wirkt die Figur des Fletcher im eher im historischen Realismus verhafteten "Australia" merkwürdig fehl am Platz. Fletcher ist so unfaßbar böse und frei von jeglichen positiven menschlichen Charakterzügen, daß er in meinen Augen kein Mensch mehr ist, sondern nur noch die Karikatur eines Menschen. Ein klassischer Klischee-Oberschurke, wie er eher in eine bunte Comic-Verfilmung passen würde. Vor allem ist im historischen Rahmen der Handlung, in dem es Ungerechtigkeiten und Tragödien zu genüge gibt, eine solche Figur sowieso überflüssig. Da hätte der auch nicht gerade sympathische Rinderbaron Carney als authentischer Haupt-Bösewicht des Films vollauf genügt, doch im Vergleich zu Fletcher ist Carney ein echter Engel ...
Glücklicherweise gibt es lange Passagen von "Australia", in denen Fletcher überhaupt nicht vorkommt, dennoch hat mich diese Rolle wirklich genervt und kostet den Film in meiner Bewertung mindestens einen Punkte.

Erfreulich ist dafür, daß Regisseur Luhrmann die lange Laufzeit des Films ausgenutzt hat, um geschickt glaubwürdige und (soweit vorgesehen) sympathische Nebencharaktere zu etablieren, die man in den meisten Hollywood-Blockbustern der heutigen Zeit lange suchen kann, ohne Erfolg zu haben. In einer dieser Nebenrollen ist übrigens auch Jacek Koman, der "narkoleptische Argentinier" aus "Moulin Rouge!", wieder mal zu sehen. laugh
Eine echte Entdeckung ist zudem 12-jährige Brandon Walters, der das Mischlingskind Nullah spielt, für das Lady Ashley sehr bald mütterliche Gefühle entwickelt. Zudem fungiert er als Erzähler des Films. Ich bin gespannt, was von ihm in den nächsten Jahren noch zu erwarten ist.

Fazit: "Australia" ist ein wahrlich klassisches Abenteuerepos, das vor allem ältere Semester und Frauen ansprechen dürfte (ich glaube auch, daß ich der mit Abstand jüngste Zuschauer im Saal war ...). Nicht umsonst muß man in keiner Kritik lange auf den obligatorischen Vergleich mit "Vom Winde verweht" und/oder "Jenseits von Afrika" warten. wink
Allerdings muß ich sagen, daß mir "Australia" deutlich besser als diese beiden Filme gefiel - vielleicht auch deshalb, weil man solch ein Epos einfach im Kino sehen muß und das habe ich bei "Vom Winde verweht" und "Jenseits von Afrika" natürlich nicht geschafft.
Von mir erhält "Australia" jedenfalls zufriedene 7,5 Punkte. Und wie erwähnt: Ohne den bösen Bösewicht wäre die Wertung noch deutlich höher ...

Last edited by Ralf; 26/12/08 02:47 PM.