Heute habe ich mir mal wieder ein Double Feature gegönnt:

OPERATION WALKÜRE - DAS STAUFFENBERG ATTENTAT:

Noch Monaten voller überwiegend negativer Presse zeigten sich Kritiker und Historiker beim Filmstart überrascht, daß der Film ja doch kein totaler Reinfall geworden ist! Das ist leider durchaus bezeichnend für die absolute Ahnungslosigkeit, die einen Großteil des deutschen Feuilletons heute mehr denn je auszuzeichnen scheint.
Mal ehrlich, man muß doch nur die Namen anschauen, die hinter diesem Projekt stehen: Regie führte Bryan Singer, Regisseur von "Die üblichen Verdächtigen" und "X-Men 1 + 2". Das Drehbuch stammt von Christopher McQuarrie, Autor von "Die üblichen Verdächtigen". Vor der Kamera stehen unter anderem: Tom Cruise, Tom Wilkinson, Kenneth Branagh, Bill Nighy, Thomas Kretschmann, Carice van Houten, Terence Stamp, Christian Berkel, Eddie Izzard, Bernard Hill und Matthias Schweighöfer. Wie konnte irgendjemand ernsthaft erwarten, daß bei solch einer versammelten Menge an Talent ein Debakel herauskommen würde? Selbst im schlimmsten Fall hätte es nur ein mittelmäßiges Hollywood-Helden-Epos werden können.
Wurde es aber nicht.

Bryan Singer hat letztlich einen klassischen historischen Verschwörungs-Thriller geschaffen. Es ist kein Kriegsfilm, überhaupt gibt es nur sehr wenige Action-Szenen. Stattdessen stehen die Handlung und die Dialoge im Vordergrund, was den ausgezeichneten Darstellern natürlich schön viel Raum zum Glänzen bietet. Was allerdings auch ein kleines Problem von "Operation Walküre" ist, denn trotz insgesamt ordentlicher Leistung bleibt Hauptdarsteller Tom Cruise im Vergleich zu etlichen seiner Kollegen ziemlich blaß. Was aber immerhin gleichzeitig die vorher von vielen Seiten geäußerte Befürchtung der pathetischen Heldenzeichnung den Stachel nimmt. Zwar wird Stauffenbergs anfängliche Hitler-Unterstützung mit keinem Wort erwähnt, was man durchaus kritisieren kann. Aber es wird auch nicht so dargestellt, als wäre er immer gegen Hitler gewesen. "Operation Walküre" präsentiert ganz einfach einen bestimmten Ausschnitt aus der Geschichte und aus Stauffenbergs Leben - beginnend mit seiner schweren Verwundung in Afrika. Aber ein glattgebügelter Super-Saubermann ist er keineswegs. Überhaupt ist es eigentlich sogar überraschend, wie wenig Pathos Singer in sein Werk hat einfließen lassen. Dabei würde sich die Geschichte ja durchaus dafür anbieten. Doch Singer setzt allein auf die Kraft der Handlung und seiner Darsteller und diese Strategie funktioniert.
Insgesamt haben selbst die meisten Historiker eingestehen müssen, daß sich "Operation Walküre" weitgehend an die historischen Fakten hält - auch wenn Singer und McQuarrie naturgemäß manche Details aus dramaturgischen Gründen leicht verändert und diverse Dialoge schlichtweg erfunden haben. Künstlerische Freiheit nennt man das und es ist völlig legitim, auch bei historischen Stoffen.

In technischer Hinsicht gibt es wenig zu bemängeln, wenngleich der ganze Film optisch und akustisch (für einen Hollywood-Film) erstaunlich unspektakulär wird. Dafür gelingt es ihm aber, nach einer ersten Hälfte mit ein paar Längen, den Zuschauer in der zweiten Filmstunde zunehmend gefangenzunehmen. Ja, man fiebert mit Stauffenberg und den anderen Verschwörern mit und hofft, daß sie es schaffen - natürlich wider besseren Wissens. Daß "Operation Walküre" das schafft, spricht auf jeden Fall für ihn. Von mir gibt es
8 Punkte.
Mit einem geeigneteren Hauptdarsteller (und damit meine ich ausschließlich die schauspielerischen Fähigkeiten) wäre noch mehr drin gewesen.


ZEITEN DES AUFRUHRS (leichte *SPOILERWARNUNG!!!*, da ich hier etwas tiefer in die Analyse eindringen werde, was nicht völlig ohne Spoiler möglich ist):
In der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Richard Yates geht es um ein junges Ehepaar, das zu Beginn der 1950er Jahre in einer typischen amerikanischen Kleinstadt lebt.
Frank Wheeler (Leonardo DiCaprio) hat einen langweiligen Telefon-Verkäufer-Job, den er haßt. Seine Frau April (Kate Winslet) langweilt sich als Hausfrau und Mutter zweier Kinder zu Tode. Beide sind mit ihrem Leben unzufrieden. Beide trauern ihren einstigen Träumen nach. Beide haben Affären. Beide lassen ihren Frust am jeweils anderen aus.
Nein, "Zeiten des Aufruhrs" ist nicht wirklich ein Feelgood-Movie und auch keine Werbeveranstaltung der katholischen Kirche für den Sinn der geheiligten Institution der Ehe ...
In gewisser Hinsicht ist es ein idealer Nachfolger für Regisseur Sam Mendes´ Durchbruch mit "American Beauty" vor zehn Jahren. Hier wie dort seziert er die amerikanische kleinbürgerliche Gesellschaft mit Argusaugen und offenbart (nicht nur dem amerikanischen Publikum) unbequeme Wahrheiten. Doch wo Mendes bei "American Beauty" eine beißende, schwarzhumorige Satire schuf, ist "Zeiten des Aufruhrs" ein reinrassiges Drama, das den Zuschauer ähnlich desillusioniert zurückläßt wie seine Protagonisten. Zwar ist auch "Zeiten des Aufruhrs" nicht völlig frei von Humor, allerdings bleibt einem das Lachen buchstäblich im Halse stecken, so zynisch wird er präsentiert.

Bestes Beispiel dafür ist die Figur des John Givings (für dessen Darstellung Michael Shannon die überraschenderweise einzige OSCAR-Nominierung des Casts erhalten hat). Denn de facto sind weder Frank noch April Wheeler positive Identifikationsfiguren oder gar Helden der Geschichte. Eigentlich sind beide sogar abschreckende Beispiele, in denen sich allerdings mit Sicherheit mehr Menschen selbst wiedererkennen werden, als es ihnen lieb ist (und da nehme ich mich selbst nicht aus). Der einzige "Held" von "Zeiten des Aufruhrs" ist meiner Ansicht nach ebenjener John Givings, denn er ist der einzige, der stets die Wahrheit sagt und auf das enge Korsett gesellschaftlicher Konventionen in den 1950er Jahren pfeift. Mit der Konsequenz, daß er von der Gesellschaft offiziell für verrückt erklärt und in der Psychiatrie mit 37 (!) Stromstoß-Therapien "behandelt" wurde. Das ist wohl bezeichnend für Yates´ Sicht der kleinbürgerlichen Gesellschaft und, mal ehrlich: SO ungeheuer viel hat sich seitdem letztlich auch nicht geändert (abgesehen von den Stromstößen glücklicherweise ...).

Natürlich ist die erzählte Geschichte nichts für jeden. Es gibt mit Sicherheit Menschen, die empört fragen, worüber sich April und Frank eigentlich beschweren. Sie haben ein normales, in materieller Hinsicht weitgehend sorgenfreies Leben, ein Leben, das andere als "erfüllt" oder "schön" bezeichnen würden. Und dieser Einwand ist vollkommen berechtigt. Doch das Herz will, was es will. Ein solches "normales" Leben mag für viele Menschen zufriedenstellend oder gar erstrebenswert sein - für andere ist es eine Schreckensvorstellung. Und zu diesen Menschen zählen April und Frank. Sie zerbrechen unter der Last der Konventionen, obwohl sie wieder und wieder versuchen, sich anzupassen - die Lüge zu leben. Für ihre Kinder und für die Gesellschaft, die das und nichts anderes von ihnen erwartet. Als die beiden zwischenzeitlich Pläne für einen völligen Neubeginn schmieden, stoßen sie denn auch auf nichts als Unverständnis bei Bekannten und Freunden.

Wie Sam Mendes das Schicksal dieses jungen Ehepaars schildert, ist durchaus kontrovers, meiner Meinung nach jedoch nichts weniger als meisterhaft. Wenn man sich so umhört und im Internet liest, haben offenbar etliche Kritiker und sonstige Zuschauer Probleme mit der betont distanzierten Inszenierung der Geschehnisse. Das kann ich sogar nachvollziehen. "Zeiten des Aufruhrs" verzichtet eben komplett auf jegliche Sympathieträger. Für April und Frank empfindet man abwechselnd Mitleid, Unverständnis, Verständis, Zorn. Und die anderen Filmfiguren sind auch nicht wirklich besser dran.
Und wer die Eheleute als mickrige, weinerliche, ewig unzufriedene Mimosen empfindet (was ebenfalls eine mögliche und absolut verständliche Haltung wäre), der wird sich kaum emotional auf das persönliche, für den neutralen Beobachter häufig maßlos übertrieben wirkende Drama dieser beiden Durchschnitts-Menschen einlassen. Und somit den Film auch nicht "genießen" können, falls dieses Wort bei einem Film dieser Art wirklich angemessen ist.
Wer sich jedoch darauf einläßt und sich zumindest ansatzweise in April und/oder Frank einfühlen kann, der wird mit einem wirklich tollen, nachdenklich machenden Drama belohnt, dessen Inhalt und Aussage so traurig wie zeitlos sind und das an Klassiker wie "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?", "Tod eines Handlungsreisenden" oder "Little Children" erinnert.

Das Ganze kleidet Mendes in atmosphärische, poetische Kleinstadtbilder, begleitet von einem wieder mal sehr schönen Soundtrack von Thomas Newman (der allerdings stark an frühere Kompositionen von ihm erinnert, etwa "Road to Perdition").
Achja, und natürlich bleiben die Schauspieler. Und es wird wenige überraschen, daß Kate Winslet und Leo DiCaprio sich hier buchstäblich die Seele aus dem Leib spielen. Umso empörender, daß beide nicht für den OSCAR nominiert wurden, nachdem Winslet ja immerhin bereits den Golden Globe für ihre Rolle gewonnen hat (und DiCaprio für einen nominiert war). Zudem kommt es dank Kathy Bates als Vermieterin der Wheelers zu einer schönen Dreier-"Titanic"-Wiedervereinigung und in weiteren Nebenrollen überzeugen auch die teilweise bislang unbekannten David Harbour, Kathryn Hahn, Jay O. Sanders, Zoe Kazan und Dylan Baker.

Insgesamt ist "Zeiten des Aufruhrs" meiner Meinung nach also das nächste Meisterwerk von Sam Mendes. Ein sperriges Meisterwerk zwar, das vermutlich nur ein zahlenmäßig relativ begrenztes Publikum vollends begeistern wird. Nichtsdestotrotz ein Meisterwerk.
9 Punkte.

Last edited by Ralf; 26/01/09 07:37 PM.