ROCKNROLLA:

Das Leben des britischen Regisseurs Guy Ritchie ist eigentlich selbst filmreif. Im Alter von gerade mal 30 Jahren schuf er mit seinem Kinodebüt, der Gangsterkomödie "Bube, Dame, König, grAs", ein kleines Meisterwerk, dem er zwei Jahre später mit "Snatch" einen ähnlich guten Film der gleichen Machart folgen ließ. Dann heiratete er im Jahr 2000 Pop-Star Madonna und machte sie gleich zur Hauptdarstellerin seines ersten Films in einem anderen Genre: der Romanze "Stürmische Liebe". Doch dieser Film wurde zu solch einem kolossalen (und von den Kritikern lustvoll verrissenen) Flop, daß Ritchies Karriere fast schon wieder beendet schien. Drei Jahre benötigte er, um mit "Revolver" zu seinen erfolgreichen Gangsterfilm-Wurzeln zurückzukehren - doch auch dieser Film erhielt nur mäßige Kritiken und floppte (hierzulande schaffte er es gar nicht erst ins Kino).
Doch im Jahr 2008 kam Guy Ritchie endgültig zurück: Man mag darüber spekulieren, ob seine Rückkehr (fast) zur alten Hochform mit der fast zeitgleich erfolgten Scheidung von Madonna zusammenhängt oder nicht ... Fakt ist, daß "RocknRolla" deutlich bessere Kritiken als die vorangegangenen Werke erhielt und auch erfolgreicher war (wenn auch bei weitem kein echter Hit). Und vor allem brachte er Ritchie wieder das Vertrauen der Filmproduzenten ein, die ihm prompt die Regie beim für diesen Herbst geplanten Big-Budget-Abenteuer-Film "Sherlock Holmes" (mit Robert Downey, Jr., Jude Law und Rachel McAdams) einbrachte.

Was ich wiederum - ehrlich gesagt - etwas überraschend finde, denn wenngleich "RocknRolla" ein unterhaltsamer Film geworden ist, bestätigt er letztlich doch vor allem eines: Ritchie hat sich bislang nur in einem einzigen ziemlich speziellen Genre bewiesen. Und erreicht dort noch immer nicht ganz die Klasse seiner beiden Debütfilme.
"RocknRolla" funktioniert in der Tat nach dem gleichen Prinzip wie "Bube, Dame, ..." und "Snatch". Eine Handvoll mehr oder weniger skurriler Gestalten aus der Londoner Halbwelt gerät sich aufgrund wagemutiger Drehbuch-Konstrukte in die Haare und traktiert sich fortwährend mit Fäusten, Pistolen und coolen Sprüchen. Die Hauptrolle spielt diesmal der Schotte Gerard Butler ("300") als Kleinkrimineller One Two, der gemeinsam mit seinem Partner Mumbles (Idris Elba) den megareichen russischen Geschäftsmann Omowich ("Hellboy"-Bösewicht Karel Roden als wenig subtiler Abramowitsch-Doppelgänger) um einige Milliönchen erleichtert, um Schulden bei Gangsterboß Lenny Cole (gut wie immer: Tom Wilkinson) zu begleichen. Was sie nicht wissen: Das gestohlene Geld war als eine Art Bestechungsgeld für Lenny geplant - sie bezahlen also ihre Schulden bei Lenny mit Geld, das sie Lenny geklaut haben. Nein, das KANN nicht gutgehen! grin

Wie gewohnt sorgt Guy Ritchie bei dieser wirren Figurenkonstellation für viele witzige Aufeinandertreffen bis hinein in die Nebenrollen (als Publikumslieblinge entpuppen sich beispielsweise zwei namenlose tschetschenische Söldner!) und die gutklassige Besetzung tut ihr übriges. Gerard Butler hat mich zwar zu Beginn wünschen lassen, seine Rolle würde von Clive Owen gespielt, aber insgesamt macht er seine Sache sehr ordentlich. Für die Glanzpunkte sorgen jedoch andere, neben Tom Wilkinson etwa Shooting-Star Mark Strong ("Der Mann, der niemals lebte") als Lennys rechte Hand Archy oder Thandie Newton, die als Omowichs Buchhalterin mindestens so scharf wie eine Chili-Schote ist! wink
In Nebenrollen sind auch weitere bekannte Namen wie Jeremy Piven, Chris "Ludacris" Bridges, Tom Hardy, Toby Kebbell (als titelgebender Rockstar und Sohn von Lenny Cole), Jimi Mistry oder Gemma Arterton ("Ein Quantum Trost") zu finden.

Eigentlich funktioniert das Rezept auch prima, nur eines fehlt, das "Bube, Dame, ..." und "Snatch" ausgezeichnet hat: "RocknRolla" hinterläßt keinen wirklich runden Gesamteindruck. "RocknRolla" wirkt wie eine Aneinanderreihung (meistens gelungener) skurriler Szenen, aber nicht wie ein Film aus einem Guß. Und bei einer Länge von knapp zwei Stunden können die einzelnen Szenen für sich genommen noch so amüsant sein - auf Dauer sehnt man sich nach einer *richtigen* Handlung. Und die hat "RocknRolla" einfach nicht zu bieten. Klar, es gibt den typischen McGuffin und rein von der Logik her paßt auch alles zusammen. Aber es ist eben einfach nicht rund, leider. Außerdem fehlt unter den ganzen schrägen Figuren auch eine, die absolut unvergeßlich ist (so wie Brad Pitts nuschelnder Zigeuner-Boxer in "Snatch").
Somit ist "RocknRolla" letzten Endes eine sehr unterhaltsame und actionreiche Nummernrevue, aber kein richtig guter Film. Da der Unterhaltungswert aber definitiv vorhanden ist, gebe ich dennoch 7,5 Punkte. Es ist halt wieder mal ein Film der Kategorie "spaßig, hätte aber noch so viel besser sein können!" ...

P.S.: Eigentlich wollte ich mir übrigens "Watchmen" anschauen, aber da die blöde S-Bahn ausgefallen ist, mußte ich auf "RocknRolla" (den ich für nächste Woche eingeplant hatte) umsteigen. Es steht zu befürchten, daß ich den hierzulande nur mäßig erfolgreichen "Watchmen" jetzt gar nicht mehr im Kino schaffen werde - was ich angesichts der behauptete visuellen Wucht des Films wirklich bedauere. Aber andererseits kann ich so wenigstens gleich auf den Director´s Cut auf DVD warten. smile

Last edited by Ralf; 25/03/09 05:59 PM.