SLUMDOG MILLIONÄR:

Der junge Callcenter-Assistent Jamal Malik (Dev Patel) hat sich bei der indischen Variante von "Wer wird Millionär?" sensationell durch alle Fragen gekämpft und hat nun nur noch eine einzige richtige zu beantworten, ehe er den Hauptgewinn von 20 Millionen Rupien erhält. Doch bevor es soweit ist, ertönt das Signal für das Ende der Sendung. Fortsetzung folgt morgen! Allerdings hat der Siegeszug des ungebildeten ehemaligen Slumbewohners jede Menge Zweifler auf den Plan gerufen - darunter auch den (von Bollywood-Star Anil Kapoor verkörperten) mißgünstigen Moderator der Sendung - und so wird Jamal nach der Sendung festgenommen, verhört und gefoltert. Doch Jamal gesteht keinen Betrug. Er erzählt dem verantwortlichen Polizisten (Irrfan Khan, ebenfalls ein Star in Indien) vielmehr ausführlich, warum er die Antworten auf jede einzelne Frage trotz oder gerade wegen seiner ärmlichen Herkunft kennt. Auf diese Weise erfahren der Polizist und das Kino-Publikum in episodenhaften Rückblenden die aufregende Lebensgeschichte von Jamal und seinem älteren Bruder Salim ...

"Slumdog Millionär" des britischen "Trainspotting"-Regisseurs wurde letzten Monat mit acht OSCARs ausgezeichnet. Das mag ein wenig zu viel des Guten gewesen sein, doch fest steht: Seit "Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs" ist "Slumdog Millionär" der erste Best Picture-Gewinner, der mir sehr gut gefallen hat. Auch wenn er sicherlich nicht perfekt ist.
Im Grunde kann man den Film als eine Art märchenhafte Variante des schonungslosen brasilianischen Ghetto-Dramas "City of God" bezeichnen. Auch "Slumdog Millionär" zeigt ungeschminkt den harten Alltag der unzähligen indischen Slum-Bewohner, doch hat Danny Boyle diese illusionslose Darstellung auf unnachahmliche Weise mit einer märchenhaften Liebesgeschichte verbunden (Jamal nimmt überhaupt nur an der Quizshow teil, weil er hofft, so seine verlorene Liebe Latika wiederzufinden) und damit einen Genremix geschaffen, der allen Unwahrscheinlichkeiten zum Trotz funktioniert.
Zwar läßt sich nicht leugnen, daß auch "Slumdog Millionär" ein wenig unter der typischen Krankheit von episodenhaft aufgebauten Geschichten - einer gewissenen inhaltlichen wie auch emotionalen Zerrissenheit - leidet, doch wird dieses Manko durch die bewegende Rahmenhandlung sehr gut aufgewogen. Zumindest nach einer gewissen Zeit, denn der Einstieg in den Film gestaltet sich doch ein klein wenig zäh.

Ansonsten gibt es jedoch wenig zu kritisieren und viel zu loben. Zu meiner eigenen Überraschung hat mir sogar die zweifach OSCAR-prämierte Musik sehr gut gefallen. Das, was ich bisher von indisch geprägter Musik kannte, entspricht nämlich absolut nicht meinem Geschmack, aber A.R. Rahmans Musik und Songs fügen sich wirklich perfekt in die Handlung ein - bis hin zur unvermeidlichen Bollywood-Tanznummer (die sich Boyle aber bis zum Abspann aufgehoben hat grin ).
Auch die fast durchgängig indischen Schauspieler (nur Hauptdarsteller Dev Patel ist Engländer), die meisten von ihnen Laiendarsteller, machen ihre Sache sehr authentisch (Freida Pinto, die in ihrem Filmdebüt Jamals große Liebe spielt, wurde übrigens gerade erst auf Platz 5 einer der beliebten "Sexiest Women"-Listen gewählt, wird wahrscheinlich im nächsten Film von Woody Allen mitspielen und zudem in der britischen Presse als künftiges Bondgirl gehandelt ...).

Fazit: "Slumdog Millionär" ist die Art von Genremix, bei der man vorher nie denken würde, daß sie funktionieren kann. Doch das tut sie, trotz einiger kleiner Längen in der ersten Filmhälfte. 9 Punkte. up

Last edited by Ralf; 26/03/09 05:49 PM.