Der st�mmige Korporal der Stadtwache kann sich gerade noch einen derben Fluch verkneifen. Warum muss das alles ihm passieren? Warum kann Dranner nicht da sein und die Sache auf seine wortgewandte Weise regeln? Er wirft dem Mann, den seine Leute als Pl�nderer aufgegriffen und zu ihm gebracht haben, einen finsteren Blick zu. Was w�rde Dranner jetzt machen? Pl�nderei darf auf keinen Fall hingenommen werden!
�Ich k�nnte dich auf der Stelle hinrichten lassen, du Hund!�, knurrt der Korporal, �Vielleicht sollte ich das ... dann h�tten wir keine Scherereien mehr mit dir.�
�I-ich ... b-bitte nicht, Herr.�, stammelt der bebende Mann, der von zwei Soldaten festgehalten wird. Sein Gesicht ist ru�verschmiert, seine Kleidung zerrissen und schmutzig. Im Beutel, den der Soldat links von ihm in der Hand h�lt, gl�nzen ein paar M�nzen und einfache Schmuckst�cke aus Silber.
Angewidert verzieht der Korporal das Gesicht. Bei all den Toten, die schon in der Stadt herumliegen, was spielt da ein Leben mehr oder weniger �berhaupt f�r eine Rolle? Janus tot, Frollo tot, Dranner tot. Wer wei�, wie viele Verluste die Stadtwache zu beklagen hat? Heute sind weit bessere Menschen gestorben als der miese kleine Dreckskerl dort � was hat er f�r ein Recht zu leben, wenn so viele Helden tot sind?
�Was sollen wir mit ihm machen, Herr?�, fragt einer der Soldaten. Der Korporal versucht trotz all der Aufregungen, M�hen und Gefahren des langen Tages klaren Kopf zu behalten. Was w�rde Dranner jetzt tun? Er hat nicht auf die Menge schie�en lassen, er ist ihr unbewaffnet gegen�bergetreten! Das scheint schon eine Ewigkeit her zu sein ...
�Wie kommst du dazu, dir anderer Leute Sachen einfach zu nehmen, h�?�, f�hrt er den Pl�nderer an. Der Mann zuckt zusammen. �Sie sind doch tot, Herr, s-sie brauchen die Sachen doch nicht mehr.�, stammelt er, �A-aber wir brauchen sie. Meine Frau ist verletzt worden, und ich kann die Heiler nicht bezahlen. Wer soll sich um unsere vier Kinder k�mmern, wenn meine Elisa es nicht kann und ich am Hafen arbeiten muss? Herr, wer wei�, ob ich morgen �berhaupt noch Arbeit finde? Wir alle brauchen zu essen in dieser unsicheren Zeit ...�
�Die Zeit ist nicht mehr unsicher!�, gibt der Korporal �rgerlich zur�ck, ohne selbst so richtig davon �berzeugt zu sein. �Der Angriff ist zur�ckgeschlagen, die Piraten sind tot. Die Stadtwache hat die Lage unter Kontrolle. Morgen wird alles wieder seinen geregelten Gang nehmen. Der Magistrat wird daf�r sorgen, dass niemand verhungert. Und die Stadtwache sorgt wie immer daf�r, dass alle sich an Recht und Gesetz halten!�
Der Pl�nderer blickt verunsichert zu Boden. �Herr ... Herr, ich wusste nicht, dass alles wieder so ... so normal ist. Ich dachte, es brechen schreckliche Zeiten herein. Ich ... ich wollte doch nur sicher sein, dass meine Familie genug hat zum �berleben.�
Die Soldaten, die den Mann festhalten, sehen den Korporal abwartend an. Jetzt muss er wohl eine Entscheidung treffen. �Lasst ... lasst ihn gehen.�, sagt er z�gerlich. Die Soldaten machen �berraschte Gesichter. �Danke ... danke, Herr!�, wispert der Pl�nderer und verbeugt sich tief.
�Es ist genug Blut vergossen worden heute.�, wendet der Korporal sich erkl�rend an seine M�nner, um dann in strengerem Ton, den Blick auf den Pl�nderer geheftet, fortzufahren: �Du wirst derlei in Zukunft unterlassen. Du wirst das Gesetz achten, das unver�ndert gilt. Du wei�t jetzt, dass keine unsichere Zeit anbricht. Das wirst du allen sagen. Und morgen gehst du wie immer zur Arbeit. Verstanden?�
�Nat�rlich, Herr. Nat�rlich!�, st��t der Mann hastig hervor, als die Soldaten ihn loslassen, �Es war nur eine bedauerliche Fehleinsch�tzung der Lage. Es wird nie wieder vorkommen. Ich danke Euch f�r Eure G�te und Weisheit.�
Mit diesen Worten l�uft der Pl�nderer in die Nacht davon. Der Korporal fingert an den Enden seines Schnurrbarts herum, der am Nachmittag noch sorgf�ltig gezwirbelt war. War das die richtige Entscheidung? H�tte Dranner genauso gehandelt? Sie werden in Zukunft auf seine F�hrung verzichten und auf ihre eigenen Entscheidungen vertrauen m�ssen ...
Aber dem Korporal bleibt nicht viel Zeit, um seinen Gedanken nachzuh�ngen. Zwischen den W�chtern, die Tr�mmer und Gefallene wegr�umen, kommen zwei Gestalten n�her � einer seiner Leute und ein junger Mann, der ebenfalls die Uniform der Stadtwache tr�gt. Er ist jedoch von oben bis unten mit Blut besudelt und schreit immer wieder �Sieg!�. Auf seiner Uniform prangen die Abzeichen eines Feldwebels.
Den Korporal �berl�uft ein eisiger Schauer. Er erkennt den Mann. Als vorhin ein W�chter zur�ckkam, der den Familien der Wachsoldaten Nachricht �berbracht und Kunde von ihnen erhalten hatte, berichtete er auch, dass das einzige Kind des jungen Feldwebels zu Tode gekommen war.
Betreten salutiert der Korporal, als die beiden M�nner vor ihm stehen. �Sieg, Korporal! Wir haben gesiegt!�, gr�lt der Feldwebel. �Ich wei�, Herr.�, antwortet der Korporal leise. �Na, dann freut Euch gef�lligst, Mann. Sieg!�, f�hrt der Feldwebel fort. Er blickt zu einem toten Piraten hin�ber und scheint den Korporal zu vergessen. Mit drei schnellen Schritten ist er bei dem Toten, zieht seinen Dolch, packt ihn mit beiden H�nden und st��t ihn in die Brust des Leichnams. Ungl�ubig sieht der Korporal mit an, wie sein Vorgesetzter den K�rper des Toten aufschlitzt, mit beiden H�nden in ihn hineingreift und die Innereien herausrei�t.
�Wir haben gewonnen, du dreckiger Schweinehund!�, schreit der Feldwebel den Toten an. �Sieg! Sieg! Sieg!�
�Er ist �bergeschnappt, Herr!�, fl�stert der Soldat, der den Feldwebel begleitet hat, dem Korporal zu. �Was soll ich jetzt mit ihm machen?�
Der Korporal senkt den Kopf. �Er ist nicht �bergeschnappt.�, entgegnet er leise, �Er ist nur ... aufgew�hlt. Das wird sich wieder geben ... vielleicht. Begleite ihn und pass auf ihn auf. Wenn er ruhiger wird, versuch ihn zur Wache zu bringen und zu waschen. Wir alle m�ssen jetzt besonders gut aufeinander Acht geben.�
�A-aber ...�, protestiert der Soldat zaghaft, �Aber er ist irre. Was, wenn er noch viel schlimmere Dinge anstellt? Ich kann ihn doch nicht einfach gew�hren lassen.�
�Das sollst du auch nicht.�, erwidert der Korporal. �Bring ihn ruhig, aber bestimmt davon ab. Wir alle m�ssen immer noch unseren Wert beweisen. Die Zeit der Pr�fungen ist nicht vorbei. Begleite den Feldwebel und k�mmere dich um ihn. Wir alle haben unsere Pflicht zu erf�llen, auch wenn die G�tter es uns nicht leicht machen.�
Nein, sie machen es uns wahrlich nicht leicht., denkt der Korporal bei sich. Sie verlangen sehr viel von uns. Sie verlangen mehr, als mancher zu geben vermag. Aber sie haben uns am Leben gelassen. Ich werde ihnen morgen ein gro�es � nein, ein gewaltiges Opfer bringen.