TODESSTILLE von Bernard Craw:

Das Bornland, Gegenwart: Der Bronnjarensohn Wulfjew, jüngstes von drei Geschwistern, tritt auf Bestreben seines Vaters der Boron-Geweihtenschaft bei. Als Erbe erhalten er und die Boron-Kirche die abgelegene Burg Dornblut, die mitten in den berüchtigten Rotaugensümpfen liegt und nun zu einem neuen Sitz der Boronkirche werden soll. Zu diesem Zwecke reisen Wulfjew und eine kleine Gruppe Boronis um Deuterin Marboria sofort zu der halbverfallenen Burg, die mithilfe der Leibeigenen des dazugehörigen kleinen Torfstecher-Dorfes renoviert und zum Boron-Tempel geweiht werden soll. Dummerweise scheint es auf Burg Dornblut jedoch zu spuken und die Leibeigenen zeigen sich ausgesprochen verstockt, wenn es um die Vergangenheit des Gemäuers und seine vorherigen Besitzer geht ...

"Todesstille" war seit langer Zeit der erste DSA-Roman, auf dessen Lektüre ich mich nur aufgrund der Inhaltsbeschreibung auf der Buch-Rückseite richtig gefreut hatte. Und tatsächlich handelt es sich um ein gutes Buch, wenn auch auf andere Art und Weise als von mir vermutet (und eigentlich auch erhofft). Denn die Elemente "Boronkirche", "Sümpfe" und "Spuken" haben mich auf eine richtig schöne, gruselige Gespenster-Geschichte hoffen lassen. Nun, theoretisch ist es das auch, praktisch hat sich bei mir jedoch eher selten echte Gruselstimmung eingestellt.
Dabei liegt das nicht an den erzählten Geschehnissen selbst. Die sind durchaus gruselig und teilweise sogar richtig drastisch. Dennoch hat es mich nur selten emotional berührt. Man liest die entsprechenden Kapitel und denkt sich "okay, DAS ist wirklich krank". Aber man fühlt nicht so. Das liegt vermutlich an dem ausgesprochen nüchternen Stil, in dem Bernard Craw diese Ereignisse beschreibt. Der erinnert durchaus an den Stil von H.P. Lovecraft, was ja erstmal alles andere als negativ ist, wenn man eine Gruselgeschichte schreiben will. Dummerweise fehlt "Todesstille" jedoch jene berüchtigte und beunruhigende wahnhaft-irritierende Sprache, die Lovecrafts Geschichten zu den Klassikern der Horror-Literatur macht, die sie sind (zumindest die besten davon).

Dabei kann man keinesfalls behaupten, daß der Autor einfach nicht in der Lage sei, die Emotionen des Lesers anzusprechen. Mit der zweiten großen Storyline des Buches, einer herzzerreißenden Liebesgeschichte zwischen zwei entflohenen Leibeigenen (die zunächst wie die x-te Variante von "Romeo und Julia" wirkt, sich aber zum Glück schon bald zu etwas wesentlich einfallsreicherem und IMHO auch bewegenderen entwickelt), gelingt ihm das nämlich einwandfrei. Dabei ist auch dieser Handlungsstrang alles andere als frei von Horror-Elementen. Aber hier funktionieren sie deutlich besser.

Dennoch, obwohl also die erhoffte Gruselstimmung bei weitem nicht so überzeugend ausfällt wie es angesichts der Handlung möglich gewesen wäre, funktioniert "Todesstille" als Roman. Ein wesentlicher Grund dafür ist neben der überzeugenden bornländischen Atmosphäre vor allem die ausgefeilte Figurenzeichnung. Die Hauptfiguren mögen vielleicht nicht völlig frei von Klischees sein, sind aber dafür liebevoll ausgearbeitet und sind keinesfalls nur Schablonen, sondern durchlaufen vielmehr allesamt eine glaubwürdige Charakterwandlung. Sowas tut jedem Roman gut. up

Da verzeiht man "Todesstille" auch gerne seine kleinen Schwächen wie das nicht immer perfekt ausbalancierte Erzähltempo. Da sich die Geschichte ziemlich regelmäßig über genau ein Jahr erstreckt (jedes Kapitel entspricht einem Monat), sind ein paar Längen vor allem zu Beginn ebenso unverkennbar wie das Problem, daß die Handlung an anderen Stellen etwas zu gehetzt erzählt wirkt.

Aufgrund der angegebenen Mängel hatte ich mich eigentlich die meiste Zeit über schon auf die Note 2- eingeschossen, aber letztlich vergebe ich doch noch knapp eine glatte 2. Weil "Todesstille" als Gesamtkunstwerk einfach funktioniert, auch wenn die Einzelteile für sich genommen mitunter etwas schwächeln.

P.S.: Achja, so oft und heftig, wie ich das Lektorat von FanPro bei den DSA-Romanen in der Vergangenheit kritisiert habe, muß ich es diesmal ausdrücklich loben. Die Anzahl der Fehler ist wirklich minimal (wobei ich natürlich nicht weiß, welchen Anteil daran das Lektorat trägt und welchen der Autor selbst - wenn der erst gar keine Fehler einbaut, erleichtert das natürlich die Arbeit der Lektoren ... wink ).

Last edited by Ralf; 08/05/09 11:30 AM.