Normalerweise fällt bei P&P das gewöhnliche Bewegen von A nach B ja auch aus... weil es einfach keinen Sinn macht zu sagen: "OK, ich mach jetzt die Tür auf und laufe die Treppe herunter. Dann trete ich auf die Straße und biege nach rechts ab, wo ich geradeaus weiterlaufe. Nach 1500 Metern gehe ich von der Straße ab und begebe mich ins Gebüsch. Ich halte mich in nordnordöstlicher Richtung und gehe 3 Minuten durch das Unterholz. Dann springe ich auf den Felsen, der sich mir im Weg auftürmt - und sehe dahinter endlich mein Ziel."

Der Reiz, der vom echten Rollenspiel ausgeht, ist die - zumindest gefühlte - Freiheit zu tun, was man will... und dank des Spielleiters doch in gewisse Bahnen gelenkt zu werden. Natürlich kann man die Fortbewegung im Spiel ausschmücken - aber in dem Fall macht sie auch Spaß und ist gerne auch mit total unsinnigen Erlebnissen gefüllt, die nichts mit der Story zu tun haben. Wir haben damals nicht selten ganze Shadowrun-Spieltage mit aus dem Stegreif erfundenen Abenteuern verbracht, weil wir unterwegs halt unvermittelt in eine Kneipe gehen... dort uns betrinken, weil der wichtige Run ja warten kann... dann kommen vielleicht zwielichtige Typen ins Spiel... eine oder mehrere Frauen... was weiß ich, irgendwas halt, was dem ganzen Leben einhaucht und man für eine Zeit vergißt, daß man auf ein Blatt Papier starrt und Würfel wirft.

Diese Freiheit kann kein C-RPG vermitteln - ganz gleich, ob man nun wirklich selbst laufen muß oder einfach irgendwohin springen kann. Mal angenommen man muß selbst laufen - was kann passieren? Entweder ein paar Gegner greifen an oder aber man stößt ganz zufällig auf eine Person in Not, die genau da wartet... oder es passiert halt nix und man läuft bis an sein Ziel. Aber vorwerfen kann ich das den C-RPGs nicht, wenn ich ehrlich sein soll - es geht ganz einfach nicht anders. Während ich P&P früher gespielt habe, weil das Spielen an sich Spaß gemacht hat (auch und vor allem durch den Spaß in der Runde), geht es bei einem C-RPG wie bei den meisten Spielen einfach nur darum, das Spiel abzuschließen... auch wenn es in gewissen Teilen auch Spaß machen kann, sich am Spiel zu erfreuen, geht es ultimativ darum, die Main-Story zu lösen. Das Spiel ist also nicht Selbstzweck, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Und die Unterschiede zwischen den einzelnen Spielen sind daher meiner Meinung nach nur quantitativer und nicht qualitativer Natur. Das eine Spiel bietet bei den Attributen mehr Freiheiten/Optionen, das andere Spiel hat bessere Grafik, wieder ein anderes Spiel hat ne tolle Story usw. Aber im Endeffekt sind es im Grund genommen erweiterte Adventures.

Daher finde ich persönlich auch Diskussionen um C-RPGs mittlerweile recht müßig. Denn selbst im von Ddraig geschilderten Fall mit dem kranken Kind weißt du, was passieren wird, zumindest grob. Wenn eine Quest getriggert wird, bist du dir dessen bewußt... es kann keine schleichende Überraschung geben... es kann keine total unrealistischen, sinnlosen Wendungen geben, mit denen ein echter Spielleiter Leben ins Spiel bringen kann... es kann keine wirkliche Identifikation mit der Spielfigur geben, weil man einfach vor sich hinspielt und nicht im Dialog mit anderen Spielern darüber nachdenkt, was man tun wird, und es dann sagt... es kann keine Kameraderie wie bei einem P&P entstehen, weil man etweder alleine oder eben in entsprechender Distanz an verschiedenen Computern spielt... usw. usf. Für mich sind C-RPGs mittlerweile daher nicht mehr ganz so prickelnd.


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"