Trümmerfeld in Rivellon, Erdenzeit 26.08.2009
Eigentlich hatte ich vor, den Tag faul im Gasthof zu vertrödeln und dann einen netten Nachtspaziergang durch die Gegend zu machen. Ich machte es mir also gemütlich, schaute mir die Leute an, zockte den einen oder anderen beim Kartenspiel ab und las letztlich aus lauter Langeweile noch den einen oder anderen Schmöker, der im Dorf zu finden war.
Bei dieser Lektüre musste ich feststellen, dass Rivellon wohl das Land der Gauner und Betrüger ist. Nicht dass ich was gegen Gauner und Betrüger hätte, solange sie mich nicht ausnehmen - obwohl, dann kann ich sie ja ausnehmen, ihren Körper meine ich. Nun, jedenfalls ist es sicher gut zu wissen, dass man hier besser auf der Hut ist. Von einem der größten Gauner wurde in einem ziemlich zerfledderten Buch berichtet, dem sogenannten Göttlichen, der Rivellon vor dem Lord des Chaos gerettet haben soll. So ein Schwachsinn! Hab ich doch vor Jahren höchstpersönlich diese sogenannte Auserwählte und spätere Göttliche, jawohl eine Frau war’s, die den Dreck wegkehren musste, den andere fabriziert hatten, beseitigt - natürlich erst nachdem sie ihren Job gemacht hatte. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, wie es sich eben gehört.
Musste damals einen kleinen Ausflug in die Ödlande machen, weil diese Person unseren armen Tut ausgeweidet hatte. War zwar nicht so schlimm, weil er dadurch mehr Platz für seine Madenzucht hatte und die Bandagen, die ihn seitdem zusammenhalten, sind auch echt schick, aber durchgehen lassen kann man das deswegen noch lange nicht.
Und kaum hatte ich mir den Mund abgewischt und die Leiche respektvoll in die nächste Grube geschmissen, kam da einfach so ein Kerl daher und heimste die Lorbeeren ein, die er sich gar nicht verdient hatte. Musste zweimal nachgucken, wie der Kerl heißt, aber Lurker war es tatsächlich nicht. Und so, wie das mit Dingen ist, mit denen man sich ungerechtfertigterweise schmückt, hat er’s dann natürlich nachträglich noch total vermasselt. Männer halt.
Die Stunden vergingen und nachdem ich noch einige andere Bücher durchgeblättert hatte, was so eine Dorfbücherei halt hergibt, von „das glückliche Schwein – oder Schinkenspeck leicht gemacht“ über „Häkeln mit Schafswolle – die schönsten Soldatenmuster“ bis hin zum Kochbuch „zweihundert verschiedene Rezepte für Kürbis süßsauer“ wurde mir langsam klar, dass der Tag-Nacht-Rhythmus hier wohl etwas anders funktioniert als in Larianien.
Also beschloss ich, nicht länger auf den Mondenaufgang zu warten, hüllte mich in diese praktische, absolut sonnenundurchlässige Konservenmode ein, die hier so in ist, und machte mich auf, das angepriesene Umland zu erkunden. Als ich an diesem ortsfremden Händlermaxe vorbeikam und er mir wieder drohend verkündete, ich sollte nur schnell kaufen, er würde morgen früh (wann immer das sein mag, bisher war es noch nicht mal heute spät) nach sonstwohin in der Provinz verschwinden, konnte ich es mir nicht verkneifen, ihm die Zunge herauszustrecken. Wirklich ein selten dämlicher Spruch für ein Land, in dem die Uhren einfach etwas langsamer ticken.
Apropos ticken. Bei meinem Ausflug musste ich feststellen, dass hier nicht nur die Uhren sonderbar ticken. Vielleicht liegt es ja an Buads Mehl oder der zu lang anhaltenden Sonneneinstrahlung, dass hier eine Menge merkwürdiger Gestalten rumlaufen, die nicht nur einen riesigen Vogel haben, sondern sich auch...
Aber ist ja eigentlich egal. Sollten sie den Ausblick verschandeln, ist halt mal kurz Vesperzeit und dann kann man wieder in Ruhe das Panorama genießen.
Ich knusperte mich also eine Weile durch die Gegend. Führte auch anregende Gespräche mit einigen Einheimischen, wobei wir wegen der Sprachprobleme natürlich meist die Gebärdensprache benutzten, also mit Händen, Füßen und Schwertschlägen redeten, als ich unverhofft zu einer kleinen Mine kam.
Die Schwäche meines lieben Drachentiers für Funkelsteinchen kennend, dachte ich bei mir, hier gibt’s sicher ein nettes Mitbringsel für mein Eidechschen und schaute mal herein. Und wer läuft mir da direkt in die Arme, der kleine Daedalus. Hätte ihn ohne Schottenrock fast nicht erkannt. Er hatte sich so einer Art Pfadfinderorganisation für Dunkelzwölfe und ähnliches Gesockse angeschlossen. Auf die rotzfreche Aleteart, mit der er mich begrüßte, gab es allerdings nur eine angemessene Antwort, zum Glück habe ich für solche Fälle immer mein zusammenklappbares Nudelholz dabei. Ach, es ist immer wieder schön, etwas Gutes zu tun, vor allem, wenn es danach blaue Flecken gibt.
Nachdem ich das jetzt doch sehr kleinlaute Kerlchen mit einem letzten Tritt zurück zu Papa Marian geschickt hatte, metzelte ich mich guter Dinge zurück in Richtung Herberge. Unterwegs kaufte ich an einem Touristenstand noch ein paar Postkarten und ein schlecht gefälschtes magisches Andenken für Lurker. Schlecht gefälscht und überteuert, was Passenderes würde ich für ihn wohl kaum noch finden.
Als ich dann Stunden später zurück zur Herberge kam, machte ich es mir gemütlich, legte die Füße auf den Sarg, schlürfte noch einen Bloddy Dorfbewohner und schrieb dabei ein paar Karten. Jetzt werde ich mir noch ein keines Blut- und Honigbad gönnen, bevor es zu einem Schönheitsschlaf in den Sarg geht.
Abend ist es allerdings immer noch nicht geworden. So langsam fürchte ich, dass das Klima hier für mich nicht das Gesündeste ist.