Wie gesagt, ich kenne die Interna bei Larian nicht und sage auch nicht, dass es hier ähnlich gelaufen ist, ich möchte nur darauf hinweisen, unter welchem Druck manche Entwicklerstudios teilweise arbeiten müssen.
Dieser Druck ist aber in vielen Branchen da. Man trifft die Entscheidung, ein Spiel zu entwickeln, stellt vermutlich ein Konzept vor, kreiert einen möglichst realistischen Zeitplan (der sinnvollerweise auch noch etwas Luft lässt) sowie ein Konzept zur Erfolgskontrolle und setzt Meilensteine, die zu bestimmten Terminen vorzulegen und unbedingt einzuhalten sind. Das "Projekt" wird abgesegnet - womit der Zeitplan bindend wird - und vorfinanziert.
Natürlich stehen die Entwickler dann unter dem Druck, den Zeitplan einzuhalten. Wenn er absolut unrealistisch war, haben es die Entwickler verbockt, die ihre eigenen Fähigkeiten offenbar maßlos überschätzten und etwas in 2 Jahren schaffen wollen, wozu eigentlich mindestens drei Jahre nötig wären. War der Zeitplan realistisch und man ist zum Projektende trotzdem noch in einem halbgaren Zustand - haben es (möglicherweise) die Entwickler verbockt, weil sie sich irgendwo verzettelt haben und sich unter Umständen im Detail verrannt haben und dabei das Große Ganze aus den Augen verloren haben.
Solche Art von Projekten und termingerecht abzuliefernden "Produkten" sind überall anzutreffen, wo gearbeitet wird. Bestes Beispiel: Die Bauindustrie. Wird der Termin der Fertigstellung eines Bauwerkes nicht gehalten, drohen empfindliche Strafen. Und oft genug werden die Gebäude in einem unfertigen Zustand übergeben und müssen im Anschluss nervenaufreibend "gepatcht" werden.
Es mag gute Gründe geben, warum ein Zeitplan außer Kontrolle gerät - aber man sollte nicht immer nur die Publisher in die Pflicht nehmen. Ein nahc hinten verschobener Veröffentlichungstermin ist eigentlich schon ein großes Zugeständnis, das ein Publisher sicher nicht aus Menschenfreundlichkeit macht, sondern um den größten Schaden zu vermeiden oder aus Verantwortungsbewusstsein den Kunden gegenüber. Und wenn's nach der Verschiebung dann immer noch nicht hinhaut, und nach der nächsten wieder nicht (was zeigt, wie schief der Entwickler möglicherweise mit seinem Plan gelegen hat!), dann ist irgendwann das Budget wirklich leergeschöpft. Die Alternative dann heißt entweder ein unfertiges Produkt und erstmal wieder die Kasse füllen und nachpatchen, oder die Entwickler arbeiten die nächste Verschiebung umsonst. Und da ist auch wieder die Analogie zum Bau: Irgendwann muss das Gebäude übergeben werden, fertig oder nicht. Nur dass hier der Bauherr bei einer unfertigen Übergabe gleich den ursprünglichen Preis drücken kann und den Ausführenden mit saftiogen Strafen in die Pflicht nehmen kann. Wir Spieler kaufen ja immer ein Vollpreisprodukt und können nur hoffen, dass es möglichst fertig ist...
Darum scheint es mir auch so wichtig zu sein, dass auf Seiten der Publisher Leute sitzen, die was vom Entwickeln verstehen und einschätzen können, wie realistisch die Zeitpläne sind.
Dass möglicherweise die zeitpläne so "heruntergehandelt" werden, dass sie praktisch nicht zu schaffen sind, steht auf einem anderen Blatt. Korrekterweise sollte ein Entwickler, dessen ursprünglicher Zeitplan vom Publisher massiv zusammengstrichen wurde, keinen Vertrag eingehen. Aber ich kann mir natürlich vorstellen, dass die simple Theorie in der Praxis viel komplizierter - und vor allem komplexer - ist. Und außerdem sind das natürlich nur meine naiven Vorstellungen, und ich kann nicht behaupten, dass ich Einblick in die Materie habe. Vielleicht ist alles auch ganz anders.
Nun, immerhin arbeite ich selbst an Projekten, und die müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein. Und da ist es noch etwas schärfer, denn das Budget steht von vornherein fest. Änderungen mag es für vieles geben - das Budget wird höchstens gekürzt, aber niemals aufgestockt!