Ich möchte an dieser Stelle einen kleinen Nachruf bringen auf eine außergewöhnliche amerikanische Serie, die gestern nach fünf Staffeln mit insgesamt 63 Episoden ein grandioses Ende fand - leider angesichts des Sendeplatzes am Samstag um kurz vor Mitternacht beinahe unter Ausschluß der deutschen Öffentlichkeit. Die Rede ist von "Six Feet Under", der ersten und vermutlich auch letzten Serie, die im Bestattermilieu stattfand. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Ehrlich gesagt war ich nie der ganz große Mega-Fan dieser Serie, was vermutlich daran liegt, daß mich das Genre und die Thematik eigentlich nicht übermäßig interessiert. Umso bezeichnender, daß ich trotzdem von Anfang bis Ende dabeiblieb. Normalerweise hätte ich mir so eine Serie gar nicht erst angeschaut, aber angesichts der überragenden Kritiken und des in den USA zu diesem Zeitpunkt bereits erreichten Kultstatus schaute ich zum Start doch mal rein - und blieb sofort hängen!

Die Geschichten vom lebensfrohen Hallodri Nate Fisher, der nach dem Unfalltod seines Vaters gemeinsam mit seinem schwulen Bruder David dessen Bestattungsinstitut übernimmt und so endlich Verantwortungsbewußtsein und Erwachsensein erlernen muß;
vom pflichtbewußten David und seinem Partner, dem schwarzen Polizisten Keith, die ihre Beziehung zunächst geheimhalten, ehe sie im Laufe der Serie immer offensiver und selbstverständlicher damit umgehen;
von Nates kleiner Schwester Claire, die Künstlerin werden will und im Laufe der Zeit sich für beide Geschlechter ernsthaft zu interessieren beginnt;
von der Witwe Ruth, die nach dem Tod ihres Mannes endlich das Leben in vollen Zügen genießen will, was ihre Kinder durchaus schockiert;
von Nates Freundin Brenda, die unter den sprichwörtlichen Neurosen der Tochter eines Psychiater-Ehepaars leidet und eine ungewöhnlich enge Bindung zu ihrem Bruder Billy pflegt;
von Federico, der vom Mitarbeiter im Institut zum Teilhaber aufsteigt, dabei aber zunehmend um seine Ehe kämpfen muß.

All diese Geschichten, die nie geradeaus erzählt werden, sondern immer wieder neue, überraschende Windungen und Kehrtwendungen einschlagen - all das hat mich innerhalb kürzester Zeit fasziniert und dazu gebracht, mich auf jede neue verrückte, skurrile oder auch bewegende, inspirierende Folge immer mehr zu freuen. Und das ging nicht nur mir so: In den ersten beiden Staffeln erreichte VOX mit "Six Feet Under" sehr gute Zuschauerzahlen, wodurch die Serie sogar auf einen früheren Sendeplatz gerückt wurde.
Doch als mit Beginn der 3. Staffel ein unglaublich konsequenter Handlungsbruch eintrat, der eine komplette Neuorientierung des Haupthandlungsstrangs um Nate und damit eine 180-Grad-Kehrtwendung der gesamten Serie nach sich zog, da brachen die Quoten ziemlich ein. Was nachvollziehbar ist, denn dieser Bruch war wirklich sehr extrem und man brauchte einige Zeit, um sich mit ihm anzufreunden.
Wenn das jedoch gelang, konnte man sich drei weitere Jahre lang über weitere Folgen von ausgesuchter Qualität und Originalität freuen. Natürlich gab es auch hier Hänger und Storylines, die nicht voll überzeugen konnten, aber insgesamt hielt die Serie stets ein erstaunlich hohes qualitatives Niveau und berührte dabei so ziemlich alle gesellschaftlichen Themen von Bedeutung mit Taktgefühl, Kreativität und Intelligenz, darunter etliches, was in den USA einem echten Tabubruch gleichkam!

Die Wertschätzung, die "Six Feet Under" in Amerika genießt, läßt sich auch anhand der hochkarätigen Gastdarsteller eruieren, die neben dem zu Beginn recht unbekannten, aber sehr guten Stammensemble auftraten: OSCAR-Gewinnerin Kathy Bates ist darunter ebenso zu finden wie die OSCAR-Nominees James Cromwell (ab der 4. Staffel sogar in der Stammbesetzung) und Patricia Clarkson, dazu Stars und hochtalentierte Darsteller wie Lili Taylor, Joanna Cassidy, Justin Theroux, Ed Begley Jr., Jeremy Sisto, Mena Suvari, Rainn Wilson, Illeana Douglas, Richard Jenkins oder Eric Balfour (und die beiden "Deep Space Nine"-Darsteller Rosalind "Keiko O´Brien" Chao und J.G. "Martok" Herzler <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />).

Und gestern lief also die allerletzte Folge, sogar mit Überlänge (heute Nacht wird sie wiederholt) und sie war ein absoluter Genuß. Vielleicht sogar das beste Serien-Finale aller Zeiten. Dafür war natürlich hilfreich, daß das Ende nach fünf Staffeln lange feststand (auf Wunsch des Serien-Chefs und "American Beauty"-Autoren Alan Ball übrigens, nicht etwa aufgrund fallender Quoten!) und daher sorgfältig vorbereitet werden konnte. Wer kommt sonst schon auf die Idee, die Hauptfigur seiner Serie drei oder vier Folgen vor Schluß an Herzversagen sterben zu lassen ...
Jedenfalls war die finale Episode wirklich herzzerreißend und nostalgisch, zugleich intelligent und optimistisch, kurzum: Ein wahrer Genuß und ein mehr als würdiges Ende!
Kein Wunder, daß die IMDB-Bewertung dieser Folge derzeit bei sagenhaften 9.8 von möglichen 10 Punkten steht ...

Um das ganze auf den Punkt zu bringen: Ein herzliches Dankeschön an das Genie Alan Ball und alle, die ihm dabei halfen, diese in jeder Hinsicht außergewöhnliche Serie zu schaffen und über fünf Jahre hinweg auf allerhöchstem künstlerischen Niveau zu halten. Eine Serie, die unter Garantie nicht jedermanns Geschmack trifft, eine Serie, die ich persönlich mehr bewundert als geliebt habe, aber nichtsdestoweniger eine großartige Serie.
Ich jedenfalls werde die Fishers von Herzen vermissen und setze große Hoffnungen in die neue, vermutlich im Herbst in den USA startende Serie "Dirty Sexy Money", die Ähnlichkeiten zu "Six Feet Under" aufweisen soll und bei der wiederum Peter Krause die Hauptrolle übernehmen wird. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Auch wenn sie kaum je an dieses Niveau wird heranreichen können ...

Last edited by Ralf; 25/03/07 05:54 PM.