... Meins, lieber Ralf, mußte aber die Übertragung des Halbfinales unserer Doppelweltmeisterinnen und seit 16 Jahren bei Europameisterschaften ungeschlagenen Fußballerinnen sein. [Linked Image]

Daß dies tatsächlich kein Garant für Langeweile war, liegt in der starken Entwicklung der letzten Jahre begründet, die der Frauenfußball hingelegt hat, so sehr daß man nun auch dort endlich über die Aufstockung auf 16 teilnehmende Teams ernsthaft nachdenken kann.

Neben den traditionellen Turnierfavoriten wie Deutschland, Erzrivale Schweden oder die mehrfachen Titelträgerinnen aus Norwegen, sind mittlerweile auch die in den letzten Jahren steil aufsteigenden Engländerinnen, die Shooting Stars aus dieser EM, die Niederländerinnen, die spielstarken Französinnen und einige mehr für qualitativ hochstehenden Fußball gut.


Zurück zu gestern:
Wie unsere Mädels in der zweiten Halbzeit das Spiel noch gedreht haben, das mußte man gesehen haben. [Linked Image] up


Nach einer desolaten ersten Hälfte gegen die im Vergleich zu ihrer 0:4-Niederlage aus der Auftaktpartie der Gruppenphase nicht wieder zu erkennenden Norwegerinnen, die ihnen mit immensenem Laufaufwand und konsequenterem Zweikampfverhalten nach der üblichen kurzen Anfangsoffensive der Deutschen schnell den Schneid abkauften, kamen Silvia Neids Frauen gottlob wie verwandelt aus der Kabine.

0:1 hatten sie nach zehn Minuten des Spiels und einem ungewohnten Torwartfehler von Nadine Angerer (immerhin gegentorlos Weltmeisterin in China 2007! up ), die durch die ständige "Karree-Bildung" um sie herum durch die norwegischen Spielerinnen bei Ecken offenbar völlig aus dem Konzept gebracht wurde, zurückgelegen, als der Ball durchs dichte Gewühl der rührigen Tochter des ehemaligen Bundesligaprofis Herlovsen quasi auf den Fuß und von da ins lange Eck fiel.

Zu allem Übel mußte der Rückhalt der Mannschaft, die eine der über´s ganze Turnier hinweg felsstabilen "Doppelsechs", Linda Bresonik nach der Pause in der Kabine bleiben, nachdem sie einen üblen Tritt gegen den Knöchel erhalten hatte.


Doch nicht nur die für sie eingewechselte, eigentlich auch etatmäßig im defensiven Mittelfeld vorgesehene Simone Laudehr (meine erklärte Lieblingsspielerin, falls sich noch jemand von der China-WM erinnert wink ), sondern auch die anderen "Joker" Celia Okoyino da Mbabi und Lira Bajramaj trafen "mitten ins Herz" der tapferen Norwegerinnen, als sie ihren ab der 45. Minuten währenden Sturmlauf (endlich auch mehr über die Außen! rolleyes ) mit dem Doppelschlag in der 59./61. Minuten krönten und das Spiel gedreht hatten.

Erst eroberte sich Melanie Behringer vom FC Bayern - und den Vergleich als "weiblicher Bastian Schweinsteiger" möge sie mir verzeihen, aber der Verein, die rötlichen Haare, ihre Dribblings durch die Gegnerreihen, wie sie dann nach innen zieht und ihre Stärke bei Standards/Distanzschüsse... die Ähnlichkeiten sind einfach zu frappierend wink - eine abgewehrte Flanke aus ruhendem Ball zurück und zog die Kugel erneut quer vors Tor herein.
Sie segelte über Freund und Feind... bis sie am langen Eck Simone Laudehr fand, die technisch souverän und eiskalt den Ball flach gegen den Boden hämmerte und so zu einem unhaltbaren Aufsetzer diagonal verwandelte - bevor sie ihrem Jubel über den lang angestrebten Ausgleich und die überwundene persönliche Verletzungsgeschichte freien Lauf ließ.

Zwei Minuten später war sie es selbst, die ihrer Einwechslungskollegin da Mbabi mustergültig von der linken Seite auflegte und diese sich gegen ihre norwegische Verteidigerin in den Ball hereinschraubte und ihn perfekt mit dem Kopf ins Kurze Eck stieß - unhaltbar für die starke skandinavische Torfrau Hjelmeset, die den Deutschen auch im Vorrundenspiel schon größte Schwierigkeiten bereitet hatte, als sie ihren Kasten bis in die Nachspielzeit fast komplett sauber hielt.
Hier war sie machtlos.

Die deutschen Frauen hielten in der Folge auch weiterhin den Druck hoch, während die Norwegerinnen, nicht mehr den Ansatz fanden, der vor der Halbzeit noch die Sensation in der Luft hatte liegen lassen.
Jetzt jedoch hielten die höchst engagierte Rekordnationalspielerin (kurz vor den 200er Marke) Birgit Prinz und ihre Sturmkollegin und Turnierführende in der Torschützenliste, Inka Grings, die robuste norwegische Viererkette in ständiger Aufregung und hätten gut und gerne bei einem ihrer unwiderstehlich vorgetragenen Sturmläufe das Spiel entscheiden können.

Dazu kamen mit der technisch hochbegabten, aber manchmal zu verspielten Bajramaj und zielstrebigeren Laudehr über die Außenpositionen endlich die wichtigen offensiven Impulse, die auch Norwegens kompaktes 4-4-2 langsam bröckeln ließen. Zumal sich in der Schlußphase der Aufwand aus der 1. Hälfte dann doch so langsam zu rächen begann.
Trotzdem blieben die Skandinavierinnen immer bei Kontern nicht ganz ungefährlich, vor allem über die Torshützin und im Zweikampf äußerst durchsetzungsstarke, technisch beschlagene Herlovsen und die lauernde, pfeilschnelle Pedersen.
"Turm in der Schlacht" Annike Krahn hielt mit der die leider durch eine längerfristige Knieverletzung (Mensikus- und Knorpelschaden, und daß wo sie gerade erst von einer solchen Malaise ins EM-Team zurückgekehrt war! sad ) Ariane Hingst ersetzenden Saskia Bartusiak in der Innenverteidigung alles dicht und klärte wenn nötig kompromißlos.
Und auch der Rest der Mannschaft versäumte es nicht gut gegen Ball und Gegnerinnen zu arbeiten.
Vor allem Außenverteidigerin Babette Peters kurbelte die Angriffe über links hinten immer wieder an und lief die gegnerischen Konter zuverlässig ab, während Bresoniks zuvor kongeniale Partnerin, die junge aber schon etablierte Kim Kuhlig in der Mitte das "Schild" vor der Abwehr gab.

So hielt man die spärlicher werdenden Entlastungsangriffe der Norwegerinnen auf einem erträglichem Maß und unterband sie meistenteils schon frühzeitig.


Der finale Zug gelang dann schließlich noch zum Ende der Nachspielzeit, als in einem letzten Angriff erst noch Inka Grings an der starken Hjelmeset scheiterte, die nachstürmende, in diesem Turnier leider noch ein wenig glücklos agierende Birgit Prinz den zurück prallenden Ball im Lauf auch nicht hinreichend unter Kontrolle bringen konnte... bis schließlich aus dem Hintergrund Lira Bajramaj den zweiten Nachschuß, ähnlich wie Laudehr beim Ausgleich, als scharf geschossenen Aufsetzer ins Tor beförderte.

Das wars dann. Der Abpfiff folgte fast unmittelbar.
Deutschland stand im 6. Finale in Folge und hält die Chancen auf den 5. Titel nacheinander.
Außerdem wissen Silvia Neids Frauen jetzt, daß sie und vor allem wie sie ein Spiel auch drehen können.
Das hilft hoffentlich gegen die nicht zu unterschätzenden Engländerinnen, die sich gegen die Überraschungshalbfinalistinnen der "Elftal" schon zuvor, aber erst in der Verlängerung, hatten durchsetzen können, mit ihrer Starstürmerin Kelly Smith und Siegtorschützin Jill Scott.


Na dann,
ein für Donnerstag Daumen drückender Ragon
delight wink