DIE ZWEI KAISER von Daniel Jödemann:
(bestehend aus den beiden Bänden "Die letzte Kaiserin" und "Der erste Kaiser")

Was war wohl das umwälzendste Ereignis in der Geschichte Aventuriens? Vermutlich der Fall Bosparans, denn immerhin richtet sich sogar die aventurische Zeitrechnung bis heute daran. "Die zwei Kaiser" erzählt, wie es dazu kam, daß die "Schöne Kaiserin" Hela-Horas, die fast ganz Aventurien beherrschte und eigentlich keinen Gegner zu haben schien, von einem kleinen, in Gareth heimisch gewordenen Tulamiden namens Raul gestürzt wurde und somit die Gründung des heutigen Mittelreichs möglich wurde. Da das Bosparanische Reich sich eng am Römischen Reich orientiert, ist "Die zwei Kaiser" innerhalb der DSA-Roman-Reihe ziemlich außergewöhnlich, quasi der erste Römer-Roman in Aventurien. wink

Autor Jödemann konzentriert sich dabei auf zwei Haupterzählungsstränge, die das Geschehen von beiden Seiten beleuchten. Auf der einen Seite folgen wir den Erlebnissen von Raul und seinem besten Freund Baduar, die als Gardisten in Gareth beginnen, aber schnell in den Rängen aufsteigen. Bis sich Raul in eine bosparanische Prinzessin verliebt und sie gegen alle Konventionen für sich gewinnen will - was erstaunliche Folgen für das gesamte Reich zeitigt. Auf der anderen Seite wagt sich Jödemann nur indirekt an die Kaiserin Hela-Horas heran, indem er die Geschichte aus der Perspektive des Anführers ihrer Leibgarde, Salim al´Thona, erzählt. Zu Beginn sind die beiden Erzählstränge ziemlich gleichberechtigt und wechseln sich brav Kapitel für Kapitel ab, etwa ab der Hälfte des ersten Bands rücken jedoch Raul und Baduar immer stärker in den Focus der Handlung - und das ist auch gut so, da ihre Geschichte zunächst deutlich interessanter verläuft.

Das Hauptproblem von "Die letzte Kaiserin" ist, daß das Buch sehr gemächlich, ja sogar langweilig beginnt. Angesichts des hochinteressanten Settings ist das erstmal eine ziemliche Enttäuschung, aber etwa nach dem ersten Drittel nimmt die Story zunehmend Fahrt auf. Raul, Baduar und auch Salim sind sehr interessante sowie gut und glaubwürdig herausgearbeitete Charaktere und auch die indirekte Erzählweise des bosparanischen Handlungsstrangs erweist sich als gute Idee, denn Hela wird dadurch nicht entmystifiziert oder ihre Taten laienpsychologisch erklärt, sie bleibt ein faszinierendes, trotz ihrer von Anfang an deutlich gemachten Ruchlosigkeit auch charismatisches Mysterium.
Leider kann der Beginn der Liebesgeschichte zwischen Raul und Prinzessin Vallusa nicht ganz überzeugen. Es wird nicht wirklich klar, warum Raul sich auf den ersten Blick in sie verliebt und bereit ist, wirklich alles zu opfern bei dem Versuch, sie zu gewinnen. Da muß man sich als Leser einfach auf die "irrationale Liebe auf den ersten Blick"-Theorie einlassen. Das ist zunächst ein wenig unbefriedigend, aber dafür ist die Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden deutlich interessanter und glaubwürdiger gelungen.
Vor allem aufgrund des wenig überzeugenden Beginns, dem aber eine rasante Steigerung folgt, gebe ich "Die letzte Kaiserin" nur die Note 2-.

Beim zweiten Band läuft es eigentlich genau umgekehrt: Die Charaktere sind schließlich bereits etabliert und da der erste Band mit einem klassischen Cliffhanger endet, beginnt "Der erste Kaiser" in medias res. Dabei wird das hohe Tempo und der ebenso hohe Unterhaltungswert der letzten zwei Drittel von "Die letzte Kaiserin" lange Zeit nahtlos beibehalten, auf den ersten gut 200 Seiten gibt es eigentlich kaum Raum für Kritik. Nur Rauls unaufhaltsamen Aufstieg vom Niemand zum von allen (Aufständischen) verehrten Anführer fand ich nicht ganz überzeugend rübergebracht. Daß er ob seiner Taten vor allem im einfachen Volk jede Menge Bewunderer hat, ist klar, aber diese uneingeschränkte Heldenverehrung kann ich nicht völlig nachvollziehen. Dafür wird nun sogar Helas Motivation für ihre Taten - von der ich zwischenzeitlich bereits befürchtete, daß sie komplett ignoriert werden würde - behutsam angedeutet; genau im richtigen Maße, um glaubwürdig zu wirken, ohne irgendeine banale Erklärung zu liefern.

Auf den letzten 100 Seiten gibt es für mich dafür umso mehr Grund zur Kritik. Und dafür gibt es vor allem einen Grund: Ulrich Kiesows "Das zerbrochene Rad"! Denn wer Kiesows epochale Beschreibung der Schlacht auf den Vallusanischen Weiden genossen hat, der KANN mit Jödemanns eher spröder Nacherzählung der Zweiten Dämonenschlacht kaum zufrieden sein. Dafür ist diese viel zu kurz geraten, vor allem aber springt niemals wirklich der Funke über, bleibt man als Leser stets erstaunlich distanziert. Ich meine, bei allen Göttern, es ist DIE ZWEITE DÄMONENSCHLACHT! Nicht irgendein popeliges Scharmützel mit einer Schar Orks! Während der "menschliche" Teil der Schlacht noch akzeptabel ausfällt (wenngleich sich die Bosparaner für meinen Geschmack trotz der widrigen Umstände in Führungsfragen arg leicht austricksen lassen), wird es ab Hela-Horas Beschwörung der Erzdämonen richtig enttäuschend. Erstens wird dieser entscheidende Teil in wenigen Seiten abgehandelt und zweitens - ich weiß, ich wiederhole mich - gelingt es dem Autor hier in keiner Sekunde, den puren Horror zu vermitteln (und am Ende die umso größere Erleichterung), den dieses Szenario schlicht und ergreifend verlangt. Das ist zuletzt beispielsweise Bernard Craw in "Todesstille" sehr viel besser (wenn auch nicht perfekt) gelungen. Kurioserweise schafft es eigentlich auch Jödemann in etlichen Szenen, nur eben nicht während dieser Schlacht. Und trotz zwischenzeitlicher Höhen ist auch das Ende der Kaiserin in seiner Banalität kaum befriedigend - wenn auch zugegebenermaßen im Kontext der offiziellen aventurischen Geschichtsschreibung überraschend. Der schöne Epilog (samt "was dann mit ihnen geschah"-Nachwort) entschädigt dafür ein wenig.

Wie soll man sowas nun bewerten? Ein Buch, das sich 200 Seiten lang klar auf 1er-Niveau bewegt, um dann im großen, heiß erwarteten Showdown ziemlich zu versagen? Wobei das natürlich schon harsch formuliert ist, denn für sich genommen ist die Schlachten-Beschreibung ja absolut in Ordnung, nur kommt sie eben der epochalen Bedeutung genau DIESER Schlacht IMHO nicht einmal nahe. Nunja, ich denke, es ist wiederum die Note 2- angemessen. Und damit ergibt sich als Gesamtnote für die Geschichte "Die zwei Kaiser" logischerweise ebenfalls eine 2-.

P.S.: Da ich es sonst immer kritisiere, muß ich es hier auch mal loben: Erfreulich wenig Rechtschreib- oder Tippfehler! Nur ganz am Ende häufen sie sich ein wenig, da wohl die Zeit etwas knapp (oder die Konzentration) ...

Last edited by Ralf; 29/09/09 09:20 AM.