Niels Gaul behandelt in seinem Roman "
Steppenwind" einen parallelen Erzählstrang zu Ulrich Kiesows
Das zerbrochene Rad. Wer nicht vorab den Ausgang der Geschichte erfahren will, welche zwischen Praios und Tsa 1020 spielt, der sollte das Buch zwischen den beiden Teilen des erwähnten größeren Romans, "Dämmerung" und "Nacht", lesen. Diese Reihenfolge empfiehlt sich auch deswegen, weil dort einige der Charaktere eingeführt werden, die in "Steppenwind" nicht mehr detailliert vorgestellt werden. Doch selbst wenn man wie ich das das kleinere Buch erst hinterher liest und daher das grobe Ende bereits kennt, kann es natürlich interessant sein zu erfahren, wie es dazu kommen konnte und was genau geschehen ist.
Ayla von Schattengrund, das Schwert der Schwerter, wird vom Weißen Mann um Hilfe gerufen. Der oberste Firungeweihte bittet die oberste Rondrageweihte, Unterstützung in den Norden Aventuriens zu senden. Da der Krieg gegen den zurückgekehrten Borbarad und seine Diener im Mittelreich bereits im vollen Gange ist, sind die Truppen jedoch gebunden. Letzten Endes werden nur zwei Personen Richtung Bjaldorn nördlich des Bornlandes geschickt: Hauka Wölfintochter, Nivesin und Heermeisterin der Rondrakirche, sowie Brin von Rhodenstein, ein noch recht junger Meister des Bundes. Junker Fjadir, Sohn des Barons Trautmann, hat als einer der ersten eine Ahnung, dass Gefahr droht. Die Bjaldorner wissen allerdings noch nicht, welcher Art die Bedrohung ist.
Der Roman enthält viele Hintergrundinformationen zu Bjaldorn und dem Leben der Leute dort. Die Beschreibungen vermitteln ein stimmiges Bild einer Region im Nordosten Aventuriens, in der der Winter- und Jagdgott Firun und seine Tochter Ifirn die höchste Verehrung genießen. Da ist es für DSA-Kenner sogar verzeihlich, dass die eigentliche Handlung recht einfach ist und auch die Charaktere nicht allzu viel Tiefgang im Lauf der Geschichte bekommen. Der Schwerpunkt liegt klar auf der Regionalbeschreibung und nicht auf einem spannungsgeladenen Handlungsbogen.
Zu den Schattenseiten des Buches zählt ganz klar die schwer lesbare Ausdrucksweise des Autors.Zwischen dem Stil von Ulrich Kiesow und dem von Niels Gaul herrscht ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Während alles aus der Feder des geistigen Vaters des Schwarzen Auges angenehm leicht zu lesen ist, macht es Letztgenannter seinen Lesern unnötig schwer, indem er immer wieder sehr umständlich geschrieben hat: Um möglichst viel einer Beschreibung in einen Satz zu pressen, verwendet er ineinander verschachtelte Nebensätze, deren voller Inhalt sich einem erst nach mehrmaligem Nachlesen und Umsortieren der Informationen erschließt. Dazu kommen noch besonders am Anfang häufige Erinnerungen und Abschweifungen. Als Krönung sei das dritte Kapitel genannt, welches sich über mehrere Erinnerungsebenen hinzieht: Brin wacht auf, denkt zurück an den Rat, bei dem er sich an frühere Zeiten erinnert hat, in denen ihm jemand eine Geschichte erzählt hat. Dazu kommen noch sonstige Rückblenden und Erläuterungen, etwa die Vergangenheit einer Person und der Weg bis zum Zeitpunkt des Aufwachens. Es ist schon eine Herausforderung, all diese Ereignisse in die richtige chronologische Reihenfolge zu bringen und den Faden nicht zu verlieren, bis am Ende der aktuelle Handlungsstrang wieder einsetzt.
Sehr peinlich fand ich eine Stelle auf dem Höhepunkt der Geschichte. Das erschien mir völlig unpassend und durch nichts aus der bisherigen Erzählung motiviert.
Baron Trautmann kämpft gegen die dunklen Horden und entscheidet sich angesichts eines jungen Feindes plötzlich, absichtlich gegen ihn zu verlieren. Vorher wurde die andere Seite so böse wie es nur eben geht geschildert. Die Bjaldorner vertrauen darauf, dass der Barons sie verteidigen wird. Er könnte vielleicht sein Leben geben, um einen von ihnen zu schützen oder den Feind noch etwas aufzuhalten, aber nein, er wirft es lieber spontan weg gegen einen gegnerischen Reiter, von dem er nicht einmal weiß, ob dieser den Tag überleben wird, und opfert nebenbei noch damit die Heermeisterin. Das zählt zu den dümmsten Toden, von denen ich je gelesen habe.
Das Ende ist etwas ungewöhnlich.
Die Schurken gewinnen und kommen auch noch davon.
Das ist natürlich der Tatsache geschuldet, dass die zweite Hälfte des zerbrochenen Rades die Geschichte einiger Charaktere weiterspinnt.
Das Cover, welches mehrere Orks in der Steppe zeigt, ist zwar schön, hat aber nichts mit der Handlung zu tun. Es wäre geeignet gewesen für einen Roman, der im Orkland, Andergast, dem Svellttal oder der Stadt Phexcaer spielt.
Abschließend bleibt zu sagen: Wer etwas über Bjaldorn erfahren will, "Das zerbrochene Rad" liest bzw. gelesen hat und sich nicht von einem schwer konsumierbaren Schreibstil abschrecken läßt, für den lohnt sich das Buch. Es stellt jedoch vor allem eine Ergänzung zu dem größeren Roman dar: Während es problemlos möglich ist, "Das zebrochene Rad" ohne "Steppenwind" zu lesen, ist das Umgekehrte reichlich sinnlos.