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... Ganz einfach, ich bin der Meinung, daß man ein Fantasy-Werk genauso wie jedes andere Werk auch in einem Nicht-Fantasy-Kontext zu analysieren und zu interpretieren.
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Äähhhm... pardone moi!? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/confused.gif" alt="" />


Dessen völlig ungeachtet kann ich Deine Ansicht hinsichtlich absolut nicht teilen, unterscheidet sie sich doch fundamental von meiner Rezeption der Trilogie.
Dasselbe gilt für die besprochene Kritik auf TP.
Letztere disqualifiziert sich mMn nach schon durch die verengte Sicht darauf, was die Funktion von Literatur (welches Genres auch immer) sein soll. Und demnach scheint für den Autor nur (Nicht-Sach-)Literatur statthaft, welche zur politisch-demokratischen Erbauung und Erziehung dient. Alles andere ist für ihn wohl "Teufelswerk". Dementsprechend scheuklappenartig fällt seine Interpretation des "Herrn der Ringe" aus, die schon leicht neurotisch jedes potenziell für die gefoderte Wirkung bedrohlich erscheinende Element herauspickt (dabei mMn, nicht nur auf keinen erweiterten Kontext Rücksicht nimmt, sondern eben auch nicht auf den engeren, rein innerhalb des Werkes selbst) und krampfhaft auf ein Negativum unserer realen Welt zu "mappen" versucht.

Dabei ist mMn dieser Ansatz von Suchsland schon dadurch im Anfang zum Scheitern verurteilt, als ihm offensichtlich nicht klar ist, daß es sich bei HdR um eine Parabel handelt (zugegebenermaßen für die Verhältnisse dieser Form eine ziemlich ausufernde und ein wenig umständliche <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> ). Zwar will auch diese, entsprechend der hier thematisierten Kritik, Zusammenhänge von ihrer Erzählung zu gewissen realen Gegebenheiten herstellen, der entscheidende Punkt ist jedoch, daß der Irrtum des TP-Autors dazu führt, daß er nicht hinreichend zwischen Bildebene und Vergleichsebene des Werkes unterscheidet, und so auch Elemente zur Untermauerung seiner Thesen hearnzieht, die rein auf die erstere beschränkt bleiben sollten und nicht zum Übertrag gedacht und folglich nicht geeignet sind!
Um mal ein plattes Beispiel zu benutzen: Eine Aussage von Tolkiens Arbeit ist es sicher nicht, daß eine Art von Früh-Monarchie die ideale und wieder einzuführende Staatsform ist.

Ebenso ist zu sehen, wenn Tolkien die verschiedenen Völker seiner fiktiven Welt mit diversen Eigenschaften und Anschauungen versieht. Das ist Bildebene zur Verdeutlichung!
Und: Sind denn diese Völker wirklich alle so `übermenschlich´? Ich denke vielmehr sie haben alle, z.T. gravierende, Schwächen und Fehler, und diese werden auch so dargestellt. Vor allem im Angesicht des Einen Ring besteht keines von ihnen (vollständig) und damit fällt die Konstruktion eines Vorwurfs "Der Herr der Ringe" sei quasi ein zweites, wenn auch codifizierteres Ideologie-Pamphlet á la "Mein Kampf" in sich zusammen.

Meiner Rezeption nach handelt es vielmehr sich vorrangig und zuerst bei "Herr der Ringe" um eine Parabel auf die Macht, ist doch der genannte Ring und seine Auswirkung auf die Erzählung und die Personen in ihr das zentrale Motiv.
Und ich glaube die zu kondensierende Aussage aus ihr kann kaum anders interpretiert werden als mit:
"Macht korrumpiert! Absolute Macht korrumpiert absolut!
Auch wenn man sie für das Gute einzusetzen (eher zu `mißbrauchen´) versucht, wird man ersteres bald zugunsten egoistischer Motive aus den Augen verlieren, welche sich zunächst gegen alles außerhalb, zuletzt aber auch gegen den `User´ selbst richten wird."

Und wenn man das nun mal, wie es auch die TP-Kritik tut, nur aufgrund der Mißinterpretation der Trilogie mit gänzlich unterschiedlichem Ergebnis, auf aktuelle oder auch historische Ereignisse bezieht... der Rest ergibt sich, glaube ich, von selbst! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/suspicion.gif" alt="" />
Das unterscheidet eins der meistgelesenen Bücher ja wohl signifikant von allem was der Paranoiker Suchsland mit seinem `Kanon gefährlicher Bücher´ assoziieren mag und macht es mMn im krassen Kontrast dazu zu einem ziemlich humanistischen Werk.


Als Fazit bleibt:
Sicher ist Kunst immer zu einem gewissen Grad interpretierbar. Und wer das im Sinne der Föderung irgendeiner verquasten Ideologie tun will, der wird es und es mag ihm auch gelingen.
Nur, deswegen nur noch (vermeintlich) "politisch korrekte" Literatur zu schreiben, wie es die Geisteshaltung der ("Neuen"!? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/think.gif" alt="" /> ) Kritik auf TP zu postulieren scheint...!? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/confused.gif" alt="" />
Wenn man das mal weiterdenkt, dann führt das genau in dieselbe Richtung gegen die es eigentlich vorgibt gewandt zu sein (Stichwort: "Bücherverbrennung" - wenn auch nur eine virtuelle <img src="/ubbthreads/images/graemlins/rolleyes.gif" alt="" /> ).
Alles was der Mensch jemals geschaffen hat oder noch schaffen wird ist nunmal "Dual Use". Das entscheidende wird immer der Kontext der Nutzung sein - und der ist der Mensch selbst.
Diesen jedoch per moralischer Zwangsverordnung nach gewissen (subjektiven) entsprechenden Vorgaben ausrichten zu wollen, ist eine irreführende Illusion, die eher dazu dient das Gegenteil des vielleicht Beabsichtigten herbeizuführen.


Ragon