Ehrlich gesagt "empört" mich die Empörung über die Schweizer Entscheidung schon ein wenig. Fakt scheint zu sein, dass eine schwache Mehrheit der Schweizer (58% sind mMn nicht - wie die Medien uns Glauben machen wollen - die überwiegende Mehrheit; das wäre eher was von >70%) noch nicht reif ist für die Errichtung von Minaretten in ihren Almdörfern. Das sich die Entscheidung der meisten Verneiner konkret gegen den Islam richtet ist eine Annahme, die zwar recht wahrscheinlich ist, aber durch keinerlei Fakten zu untermauern ist. Wieviele Schweizer mögen dabei sein, die sich sagen: "Ein Minarett neben meiner Alm? Das echoverstärkte Singen des Muezzin in den verträumten Tälern? Nein danke, eine Moschee reicht vollkommen!" Und wieviele mögen es sein, die den Islam aus ihren Ländern am liebsten gänzlich entfernt haben wollen? - Da es in der Abstimmung nun mal nur um die Minarette ging, grenzt alles andere an eine Unterstellung.

Schlimmer noch: Die Schweizer werden für ihre Entscheidung - die aus meinen Augen übrigens durchaus demokratisch ist - verdammt und müssen sich rechtfertigen. Warum wird nicht gefragt, *woher* diese Vorbehalte gegenüber dem Islam kommen? Warum wird (wieder mal) über die Wirkung gejammert anstatt an den Ursachen zu suchen?

ich befürchte durchaus, dass ein ähnliche Abstimmung in Deutschland ebenfalls ein ernüchterndes Ergebnis hervorrufen könnte. Wenn die Mehrzahl der Bürger also noch nicht reif für ein Miteinander ist, dann sollte vor allem daran gearbeitet werden, das Image des Islam zu verbessern - Aufklärung tut not. Immerhin bin ich angenehm überrascht, dass auch die (christlichen) Kirchen in die allgemeinen Entsetzensschreie über den Ausgang der Entscheidung mit einstimmen (auch wenn ich das Geschreie für falsch angesetzt halte).

Natrürlich finde ich auch, dass geprüft werden sollte, was sich überhaupt hinter "Religionsfreiheit" verbirgt. Ist ein fehlendes Minarett tatsächlich eine signifikante Einschränkung? Kann der islamische Glauben dadurch nicht praktiziert werden oder ist er erheblich befleckt? Kann ein Muslim ohne Minarett nicht zu Allah beten oder ein Christ ohne Glockenturm nicht zu Gott? Oder schränkt ein fehlender Baustein in der Architektur seines Gotteshauses etwa gar generell seinen Glauben ein oder verbietet ihm, ihn zu praktizieren? Wenn das so wäre, dann sollten die geistlichen Oberhäupter aber schnellstens was an ihren Dogmen ändern, denn wenn ein bestimmtes Bauwerk zwingend erforderlich für die Religion ist, dann kann es mit dem Glauben an sich ja nicht allzuweit her sein...

Übrigens sehe ich die Tendenz des Ungleichgewichtes in den Religionen auch hier in Deutschland: krtische Äußerungen zum Islam oder zum Judentum werden möglichst vermieden - im Falle gewisser Karikaturen sogar zu einer Art Selbstzensur führt - wohingegend über die Kirche und den Klerus nach Herzenslaune gelästert werden darf. Der Protest der Kirchen zu den verkaufsoffenen Sonntagen ist beispielsweise nicht mehr als eine Randnotiz, die die meisten wahrscheinlich nur als "Spinnerei des Klerus" wahrnehmen. Dabei ist das, folgt man deren Argumentation, ja genauso eine Einschränkung der Religionsfreiheit... Und wenn Kinder in den Schulräumen bei schweren Klassenarbeiten nicht mehr den Blick hilfesuchend auf den Gekreuzigten richten können, weil das symbolbehaftete Kreuz aus den Räumen entfernt wurde (was ich durchaus unterstütze!) - sind sie dann nicht ebenso in ihrer Relgionsfreiheit eingeschränkt? Komischerweise verläuft da die Diskussion etwas anderes als bei Minaretten in der Schweiz.