Originally Posted by Ralf
buad, ich bin mir sogar hundertprozentig sicher, daß eine ähnliche Abstimmung in Deutschland zum gleichen Ergebnis kommen würde (naja, sagen wir neunzigprozentig). Genauso, wie ich mir sicher bin, daß die meisten populistischen Forderungen der rechten Parteien gute Chancen auf eine Mehrheit hätten. Nach diversen Umfragen hat ja selbst die Todesstrafe mitunter mehr Befürworter als Gegner in Deutschland


Tja, das ist das Problem mit der Demokratie... Handhabt man sie so, wie sie eigentlich gedacht ist, bekommt man ein hanebüchenes Ergebnis, weil der Mensch im allgemeinen einfach nicht reif dafür ist, Verantwortung zu übernehmen und - viel wichtiger - sich seiner Verantwortung nicht bewusst ist und lieber "aus dem Bauch heraus" entscheidet. Nimmt man den Bürgern die Entscheidung ab (bzw. "vorweg", wenn man es vornehmer ausdrücken will ;)), dann ist's eigentlich keine wirkliche Demokratie mehr...



Originally Posted by Ralf

1. Das Kreuz in der Schule.
Fakt ist: Wir haben eine im Grundgesetz festgelegte Trennung von Staat und Kirche. Die meisten Schulen werden staatlich betrieben, also haben da Kreuze nichts zu suchen, wenn sie jemanden ausdrücklich stören


Nun ja, aber in Berlin sehen sich Schulen jetzt möglicherweise gezwungen, muslimischen Schülern einen Gebetsraum zur Verfügung zur stellen. Trennung von Staat und Religion, wie? Was wäre, wenn ein katholischer Schüler ausdrücklich verlangt, im Unterricht seinen hilfesuchenden Blick auf das Kreuz zu richten, sein Nachbar aber das Kreuz ablehnt? Wessen Recht wiegt denn dann schwerer? Wie sollte man einem Kind klar machen, dass ein Muslime zwar einen Raum zum Beten aufsuchen darf - man selbst aber auf das Kreuz verzichten muss? Was daraus folgen könnte, ist keine Annäherung, sondern eher eine provozierte Verschärfung zwischen den Religionen. Und irgendein Islamhasser oder fanatischer Kreuzverfechter wird sicher mal auf die Idee kommen und auf diese oder ähnliche Weise den Konflikt zuspitzen, wenn ihm nicht gleich zu Beginn von einem weisen Richter Einhalt geboten wird...

Originally Posted by Ralf

Und was die Frage betrifft, inwiefern ein Minarett konkret mit dem Glauben zu tun hat: Sorry, die verstehe ich nicht. Das ist doch vollkommen schnurzpiepegal.


Ja eben! Es *ist* auch mMn wurscht - braucht ein Muslime, um seine Religion ausüben zu wollen, zwangsweise ein Minarett?
Ein Christ braucht mMn keinen Glockenturm, es sei denn für's "Ambiente". Deswegen stellt sich doch die Frage, ob ein Minarett unmittelbar mit der Religionsfreiheit in Verbindung gebracht werden kann - mMn nämlich nicht, aber ich gebe gerne zu, dass ich das mit meinen Kenntnissen des Islam praktisch nicht wirklich einschätzen kann.


Originally Posted by Ralf

Würdest du auf die Idee kommen, den christlichen Kirchen das Glockengeläut (das in der Tat SEHR nerven kann!) verbieten zu lassen - sie können ja schließlich auch ohne Glocken glauben?


Nein, würde ich natürlich nicht. Allerdings sind die Kirchen hier bei uns Kulturgut, Teil unserer Geschichte, erbaut von unseren Ahnen. Ich feiere Weihnachten und Ostern - nicht, weil ich den Dogmen des Klerus folge oder *glaube*, sondern weil sie Teil unserer Kulturkreises sind. Genau wie das Glockengeläut. Ich würde auch nicht auf die Idee kommen, Minarette in muslimisch geprägten Ländern zu verbieten (übrigens, nur um das klar zustellen, würde mir diese Idee auch nicht hier kommen!). Aber ich toleriere es, wenn Menschen, die mit Fremden konfrontiert werden, voller Angst, Unwillen und Ablehnung reagieren. Menschen *fürchten* sich im Allgemeinen vor Veränderungen, sie klammern sich an dem fest, was sie haben, und was schon immer so gemacht wurde. Die Vorstellung, plötzlich ein Minarett vor dem Fenster zu haben und den fremdländischen Stimmen der Muezzin zu lauschen ist nur den Aufgeklärteren unter uns kein Graus. Per Gesetz erzwungene Maßnahmen sind ganz sicher keine Hilfe, mit den Ängsten der Menschen umzugehen, im Gegenteil - sie sind kontraproduktiv, schüren sie doch die Angst und unter Umständen auch den Hass. Man *kann* nicht einfach in einen anderen Kulturkreis einbrechen und dann einfach seine Kultur importieren und dabei auch noch glauben, alle würden es gutheißen und die Neuankömmlinge herzlich willkommen heißen! So etwas muss *behutsam* geschehen, über vorsichtige Annäherungen und eben die bereits geforderte Aufklärung. Verständnis wecken anstelle Fakten zu schaffen. Die Kirche hat diese "Hier sind wir und hier ist unser Glauben! Da unser Gott der alleinige ist haben wir *das Recht*, hier eine Kirche zu errichten!"-Politik über Jahrhunderte betrieben und versucht, das Christentum zu exportieren - und dafür hat sie mMn scharfe Verurteilung verdient. Heutzutage sollten wir weiser sein und nicht "im Namen der Toleranz" mit Pauken und Trompeten eine Religion an einem Ort etablieren, wo sie nicht ursprünglich ist und die Menge der Bevölkerung ganz offensichtlich noch nicht reif dafür ist. Da braucht es noch etwas Geduld und sehr behutsame Aufklärungsarbeit - und jede Menge Toleranz! Und natürlich noch viel mehr Kompromissbereitschaft.

Leider, leider scheint all das auf beiden Seiten erhebliche Mangelware zu sein...

Im übrigen bin ich der Meinung, dass Religionen, die behaupten, nur *ihr* Gott sei der einzig wahre und die ein Dogma enthalten, nachdem kein anderer Gott neben dem ihrigen zu dulden sei, im Prinzip unvereinbar sind. Insofern ist das derzeitige Nebeneinander trotz aller Differenzen ja durchaus eine sehr erfreuliche Entwicklung - meine Güte, wenn man sich über Minarette streiten kann, ist man ja schon fast zu Brüdern (oder Schwestern) geworden!

Last edited by buad; 01/12/09 02:44 PM.