Nachdem ich die RPG-/Shooter-Mischung "Mass Effect" durchgespielt habe, muß ich konstatieren: Mir geht´s bei diesem Spiel wohl ziemlich genau so wie buad bei "Drakensang". Ich hatte also beim Durchspielen Spaß, aber insgesamt war die Mängelliste zu lang, um sich nicht doch erheblich auf das Gesamturteil auszuwirken.

Die einfallslosen Nebenquests wurden ja seinerzeit schon in so ziemlich jeder Rezension kritisiert und das geschah völlig zu recht. Wobei ich die Nebenquests storymäßig gar nicht SO übel fand - schlimmer war, daß sie sich spieltechnisch fast immer gleich abgespielt haben. Und vor allem in den gleichen Räumen! Daß es für sämtliche Raumschiffe und Gebäude in den Nebenmissionen gerade mal ca. drei unterschiedliche Grundrisse gibt und sie sich ansonsten lediglich durch die Anordnung der (größtenteils aus Kisten bestehenden) Dekoration unterscheiden, ist wirklich ein Verbrechen. down

Auch mit dem Kampfsystem bin ich nicht wirklich glücklich. Zwar kam ich nach kurzer Eingewöhnungsphase sogar so gut mit der Ego-Shooter-Steuerung zurecht (vor allem das "aus der Deckung schießen" klappt wirklich prima), daß die Kämpfe in der mittleren Schwierigkeitsstufe fast schon zu leicht wurden. Spezialfähigkeiten mußte ich deshalb eigentlich so gut wie nie einsetzen (Ausnahme: Mitstreiter wiederbeleben). Das große ABER: "Mass Effect" ist theoretisch ein Rollenspiel, da will ich einfach keine Ego-Shooter-Kampfsteuerung! Und ich will sie schon gar nicht, wenn die Gegner-KI so minimal ist, daß man sie fast schon als "nonexistent" bezeichnen muß.
Entweder Rollenspiel - oder Ego-Shooter. Wer es schafft, das Beste aus beiden Genres zu verbinden - prima! Aber "Mass Effect" verbindet eher die Schwächen beider Genres. Was nutzt es etwa, wenn man rollenspieltypisch schön viele Talente steigern kann (und das sogar häufig dank Maximalstufe 50), es dann aber doch vor allem auf ein ruhiges Händchen im Kampf ankommt?

Gleiches gilt für das "Dechiffrieren"-Minispiel. Hier ist es so, daß entsprechend hohe Talentwerte einfach nur erlauben, daß man es überhaupt VERSUCHEN darf, Schlösser oder Computer-Terminals zu knacken. Das eigentliche Minispiel dazu ging mir schon bald sehr stark auf die Nerven, was sicherlich auch mit der nicht hundertprozentig präzisen Steuerung und den zufallsgenerierten "Anordnungen" zusammenhing. Minispiele dieser Art werden ja häufig kritisiert, ich bin ihnen gegenüber aber eigentlich durchaus aufgeschlossen. Das - grundsätzlich sehr ähnliche - "Hacken"-Minispiel in "Bioshock" beispielsweise habe ich sogar dann noch mit Freude absolviert, als ich es problemlos durch "Bezahlen" hätte auslassen können. Die Dietriche in der "Thief"-Reihe haben mir ebenfalls Spaß gemacht und sogar die stupiden Baller-Minispiele in "KOTOR" und "Jade Empire" waren - da nicht allzu häufig - erträglich. Aber das Dechiffrieren in "Mass Effect"? Einfach nur nervig (und das sage ich, obwohl ich nur mit den wenigen schweren Dechiffrierungen Probleme hatte)!

Apropos unpräzise Steuerung: Die Mako-Fahrten auf den Planetenoberflächen sind ja durchaus ganz nett - aber was für eine schwammige Steuerung! Ich bin eigentlich ganz gut in Arcade-Rennspielen, aber diese Mako-Steuerung hat mich wirklich einige Male an den Rand des Wahnsinns getrieben ...
Dazu kommen noch ein paar Bugs (vor allem beim Ton - ich habe die neuesten Treiber installiert, aber es kann natürlich trotzdem sein, daß diese Probleme nicht bei jedem auftauchen), gelegentliche Abstürze und so häufiges Nachladen, wie ich es schon lange bei keinem RPG mehr ertragen mußte. Alles nicht toll.

Aber okay, ich will ja nicht nur meckern: Wie eigentlich immer bei den Bioware-Rollenspielen kann die (Haupt-)Story überzeugen. Sie kommt zwar natürlich nicht an die Brillanz eines "Planescape: Torment" heran (aber welches Spiel tut das schon?) und erreicht meiner Meinung nach auch nicht ganz KOTOR- oder "Jade Empire"-Niveau, aber sie unterhält auf hohem Niveau von Anfang bis Ende. Auch die Party-Mitglieder sind wieder sehr schön in Szene gesetzt - allerdings fehlt es für meinen Geschmack ein wenig an der Kommunikation zwischen ihnen (die eigentlich nur in Cutszenes und selten bei Aufzug-Fahrten auf der Citadel stattfindet).
Auch die Dialoge sind wie gewohnt sehr schön und ausführlich geschrieben und auch in der deutschen Version überzeugend vertont - allerdings habe ich auch hier einen Kritikpunkt, nämlich das Gesprächssystem. Erstens finde ich es blöd, daß die Antworten fast immer genau von "gut" (oben) bis "böse" (unten) abgestuft sind. Wer also unbedingt einen "guten" Charakter spielen will, braucht einfach immer nur die oberste Antwort anzuklicken. Das ist zwar bei anderen Spielen meist ähnlich gehandhabt, aber nach meinem Eindruck nicht GANZ so konstant einfallslos. Dabei wäre es doch viel spannender, wenn man vor einer Antwort NICHT genau wüßte, ob sie zu einem "guten" oder "bösen" Ergebnis führt. Buad fallen da bestimmt auf Anhieb Tausende Beispiele alleine für die Graustufen ein! grin
Andererseits ist es aufgrund meines zweiten Problems mit diesem Gesprächssystem doch schon wieder vorteilhaft, daß die Antworten so klar abgegrenzt sind. Denn man muß die Antworten aufgrund einer Art "Kurzzusammenfassung" auswählen - und die ist nicht immer wirklich zutreffend. Manche dieser Kurzformen lassen eine "gute" Antwort verdammt "böse" klingen und umgekehrt. Wer nur danach gehen würde, müßte mit so manch ungewolltem Ergebnis leben. Durch die klare Durchstrukturierung von "gut" bis "böse" ist das zwar kein Problem, aber eine perfekte Lösung ist das wahrlich nicht ...

Tja, mehr fällt mir im Augenblick auch nicht mehr ein, was ich dazu schreiben sollte. Nur, noch einmal: Trotz all dieser Kritikpunkte - die mich während des Spielens auch WIRKLICH genervt haben - hat mir "Mass Effect" Spaß gemacht und ich harre auch schon gespannt der kommenden Fortsetzung. Da merkt man halt mal wieder, wieviel eine tolle Story und Präsentation ausmachen - sie können (was ja auch schon bei "Jade Empire" und meiner Meinung nach ebenfalls bei "Drakensang" offensichtlich war - und selbstverständlich vor allem bei PS:T!) selbst erhebliche spieltechnische Schwächen kaschieren und einen das Spiel viel mehr genießen lassen, als es eigentlich angebracht wäre.
Nach dem üblichen Magazin-Wertungsschema würde ich insgesamt wohl etwa 75% vergeben.