SHUTTER ISLAND:

USA, zu Beginn der 1950er Jahre: Die U.S. Marshals Teddy Daniles (Leonardo DiCaprio) und Chuck Aule (Mark Ruffalo) sollen das spurlose Verschwinden einer Frau auf Shutter Island untersuchen - einer unwirtlichen Insel, auf der in einer großen psychiatrischen Anstalt die gefährlichsten psychisch gestörten Verbrecher untergebracht sind. Leider zeigt sich das Anstaltspersonal um Dr. Cawley (Sir Ben Kingsley) nicht übermäßig hilfsbereit, was besonders Teddys Vermutung immer weiter verstärkt, daß auf dieser Insel nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Doch er ahnt nicht, WIE richtig er damit liegt ...

"Shutter Island" ist einer jener Filme, die man inhaltlich kaum rezensieren kann, ohne sich zumindest indirekt spoilerlastig zu äußern. Insofern: Leichte SPOILERWARNUNG!!!

Nach seinem 1960er-Jahre-Remake "Kap der Angst" widmet sich Starregisseur Martin Scorsese erneut dem Genre des psychologischen (Horror-)Thrillers. Während "Kap der Angst" jedoch eine spannende, aber recht lineare Geschichte erzählte, ist "Shutter Island" in dieser Hinsicht quasi das Gegenteil: Eine vielschichtige, verschachtelte Story, die geschickt mit den Erwartungen und Filmgewohnheiten des Publikums spielt und es dabei nie genau wissen läßt, was genau tatsächlich los ist. Das hängt vor allem mit Teddys wunderschön inszenierten (Alp-)Träumen zusammen, die stetig zwischen Erinnerungen und vermeintlichen Visionen der Zukunft hin- und herpendeln.

Leonardo DiCaprio ist die perfekte Besetzung für diesen ebenso traumatisierten wie getriebenen Teddy Daniels, dessen zunehmende Verwirrung und Frustration über den Verlauf des Falls er ebenso glaubwürdig wie eindrucksvoll rüberbringt. Allerdings muß auch erwähnt werden, daß seine Leistung (vermutlich drehbuch-bedingt) IMHO nicht ganz an das heranreicht, was er in den letzten Jahren z.B. in "Zeiten des Aufruhrs" dargeboten hat. Ähnliches gilt auch für den restlichen Cast: Nachdem Mark Ruffalo in "Brothers Bloom" eine tolle Darstellung abgeliefert hat, bleibt er hier als Nebendarsteller relativ blaß. Auch die übrigen, teils hochkarätig besetzten Nebendarsteller können in diesem Film nur ansatzweise glänzen: Max von Sydow, Michelle Williams, Emily Mortimer, Jackie Earle Haley, Patricia Clarkson, Elias Koteas - ja, selbst Sir Ben Kingsley. Zu sehr ist die Geschichte auf die Figur des Teddy Daniels konzentriert.

Doch leider muß ich sagen, daß mich eben diese Geschichte nicht hundertprozentig überzeugen konnte. Nach einem tollen, sehr atmosphärischen Auftakt gleitet der Film immer stärker in meiner Meinung nach einerseits zu übertrieben dargestellten, andererseits auch etwas zu klischeehafte Handlungsmuster ab. Das kann man zwar möglicherweise mit den Enthüllungen im (gelungenen) Finale erklären, hat mich während des Films aber definitiv gestört.
Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, daß Scorsese zumindest einiges davon bewußt so übertrieben inszeniert hat, denn "Shutter Island" ist auch eine Liebeserklärung an das Horror-/Thriller-Kino der 1950er Jahre, was auch und vor allem am Einsatz der stets überzogen dramatischen Musik zu erkennen ist. Zwar sind diese auch inhaltlichen Hommagen (etwa die zahlreichen Anspielungen auf die typische Paranoia des US-Kinos in diesem Jahrzehnt - McCarthy sei dank ...) für Filmkenner absolut unterhaltsam; nur leider ergibt sich daraus meiner Meinung nach kein rundes Ganzes. "Shutter Island" ist ein Film, der viele - vor allem visuelle - Höhepunkte bietet, zumindest mich aber nicht wirklich emotional berühren konnte. Was angesichts der behandelten Themen eigentlich eine Schande ist.

Und damit bleibt es leider dabei: Seit "Casino" konnte mich kein Scorsese-Film mehr voll und ganz überzeugen. 7,5 Punkte.

Aber ich will nicht unerwähnt lassen, daß der Film ziemlich stark zu polarisieren scheint - sowohl die Kritiker als auch die normalen Kinogänger: Es gibt nämlich bei beiden eine erstaunliche Menge von Höchstwertungen; aber eben auch ziemlich viele Rezensionen, die wie meine mehr oder weniger stark ihrer Enttäuschung Ausdruck verleihen.