ROBIN HOOD:

Nicht zu Unrecht wird das neueste Historienepos von Sir Ridley Scott ("Gladiator", "Königreich der Himmel") von manchem als "Robin Hood Begins" bezeichnet, denn tatsächlich handelt es sich um eine Art Prequel der klassischen Robin Hood-Storys. Allerdings macht das aus "Robin Hood" noch keinen völlig neuartigen Film über den legendären Bogenschützen, denn gerade der sehr starke Beginn in Frankreich erinnert an Richard Lesters unterschätzten "Robin und Marian" aus dem Jahr 1976 mit Sean Connery und Audrey Hepburn.
Der betont realitätsnahe Ansatz, den Scott für seinen Film gewählt hat, funktioniert jedenfalls ziemlich gut. Die Action spielt etwas überraschend eine eher untergeordnete Rolle, stattdessen läßt sich der Film viel Zeit für die Charaktere. Allerdings leider immer noch nicht genügend, denn die Zahl der bedeutenden Nebencharaktere ist so groß, daß zwangsläufig etliche von ihnen nicht ihr volles Potential ausschöpfen können. Was besonders angesichts der rundum hervorragenden Besetzung mit vielen Stars und ebenso vielen weniger bekannten Charakterdarstellern sehr schade ist. Glänzen können natürlich Russell Crowe in der Titelrolle und Cate Blanchett als Lady Marian (auch wenn streng genommen beide angesichts des "Prequel-Charakters" des Films viel zu alt sind für ihre Rollen), auch Mark Strong als (nach "Sherlock Holmes", "Kick-Ass" muß man fast fragen: was sonst?) Bösewicht Godfrey überzeugt. Heimlicher Star des Films ist jedoch der inzwischen 81-jährige Max von Sydow als Marians Schwiegervater Sir Walter Loxley. Ich würde mich sehr freuen, wenn er für die Rolle vielleicht sogar seine zweite OSCAR-Nominierung erhalten würde, verdient wäre sie allemal!
Zu den Rollen, die in diesem Film eher zu kurz kommen, zählen vor allem Robins Gefolgsleute Little John und Co. (gepsielt unter anderem von Kevin Durand aus "Lost", Scott Grimes aus "emergency room" und Mark Addy aus "Ritter aus Leidenschaft"), König John (Oscar Isaac aus "Agora") und der Sheriff von Nottingham (Matthew Macfadyen) sowie der Schatzmeister William Marshall (OSCAR-Gewinner William Hurt). Diese Charaktere wirken eher so, als wären sie nur schon vorbereitet worden auf ihren Haupteinsatz in einer eventuellen Fortsetzung, die dann wohl eher den klassischen "Robin Hood"-Filmen entsprechen würde (und die angesichts der ersten Einspielergebnisse aus Europa wohl nicht ausgeschlossen ist) ...

In technischer Hinsicht ist - bei einem alten Recken wie Sir Ridley Scott wenig verwunderlich - wenig zu bemängeln, wenngleich ich die Endschlacht nicht ganz so überzeugend fand wie Vergleichbares in "Gladiator" oder "Königreich der Himmel". Die Musik des relativ unbekannten Marc Streitenfeld ist ordentlich, wenn auch relativ frei von Höhepunkten. Was man streng genommen über den ganzen Film sagen kann. "Robin Hood" gefällt und unterhält, aber er begeistert nicht und berührt auch nur selten emotional. Zudem schleichen sich nach der sehr guten ersten Filmstunde auch einige Längen in das Zweieinhalb-Stunden-Epos ein und manche Handlungsentwicklung wirkt etwas holprig.

Deshalb schwanke ich auch so ein wenig zwischen Zufriedenheit und leichter Enttäuschung. In Zahlen ausgedrückt: 7,5 Punkte.