KAMALUQS SCHLUND von Stefan Schweikert:

Die Koscher Junkerstochter Elanora von Wilderklamm macht sich in die Dschungel Aventuriens auf, um ihren verschollenen Vater und ihre beiden Brüder zu finden, die von einer ihrer regelmäßigen Expeditionen in den Süden nicht zurückgekehrt sind - und da gemäß der Tradition nur ein männlicher Nachkomme das Erbe antreten darf, stehen Elanora und ihre kranke Mutter kurz davor, ihre Heimat zu verlieren, wenn Elanora nicht zumindest einen der Vermißten lebendig findet. Im verruchten Chorhop sucht sich Elanora eine bunte Truppe zusammen, mit der sie die Spur der Vermißten aufnimmt und etliche gefährliche Begegnungen erlebt ...

Für einen Aventurien-Roman ist das eine originelle Handlung, global betrachtet aber natürlich eine sehr klassische. Tatsächlich fühlte ich mich die ersten etwa 200 Seiten lang verdächtig an einen alten Tarzan-Film erinnert, was die Erlebnisse betrifft, die auf Elanora und ihre Begleiter warten. Das ist nicht unbedingt negativ gemeint, aber wirklich Überraschendes oder Spektakuläres geschieht in der ersten Buchhälfte eigentlich nicht, weshalb ich mich gedanklich schon fast mit einer glatten 3 als Note angefreundet hatte. Zumal ich mit der Hauptfigur Elanora nicht so richtig warm wurde. Doch erfreulicherweise war das voreilig, denn speziell auf den letzten 150 Seiten haut der Autor dem zunehmend faszinierten Leser eine überraschende (und doch stets weitgehend glaubwürdige) Storywendung nach der anderen um die Ohren, daß es eine wahre Freude ist. Das Tempo ist hoch, die Spannung noch höher, die meisten Genre-Klischees werden elegant umschifft oder sogar ad absurdum geführt - prima! up

Überhaupt muß die Charakterzeichnung lobend hervorgehoben werden. War beim letzten Roman des Autors, "Über den Dächern Gareths", noch der arg klischeebehaftete Bösewicht das Hauptärgernis (und einziger Grund für das Minus bei meiner Bewertung mit einer 2-), sind die Figuren in "Kamaluqs Schlund" weit glaubwürdiger und differenzierter (naja, abgesehen vielleicht vom letztendlichen Auslöser von Elanoras Queste, aber der spielt innerhalb der Geschichte sowieso kaum eine Rolle, weshalb das nicht stört). Zwar bleibt die Beschreibung mancher Charaktere etwas oberflächlicher als die von anderen, aber das läßt sich angesichts der Fülle von wichtigen Personen innerhalb des Storyverlaufs wohl nur schwerlich vermeiden.

Insgesamt könnte "Kamaluqs" Schlund gegenüber dem bereits guten "Über den Dächern Gareths" also noch einen Schritt vorwärts bedeuten, zumal gerade die wenigen Schwachpunkte des Vorgängers konsequent ausgemerzt wurden. Leider gibt es jedoch auch bei "Kamaluqs Schlund" einen Faktor, der mich von einer höheren Bewertung abhält - diesmal ist es, wie bereits angedeutet, die Hauptfigur Elanora von Wilderklamm. Ich will nicht behaupten, daß sie mir unsympathisch ist, aber so richtig mit ihr identifizieren kann ich mich einfach nicht. Da war "Li" aus "Über den Dächern Gareths" mir doch wesentlich lieber. Außerdem hat mich gerade im späteren Handlungsverlauf wirklich gestört, daß Elanora im Grunde genommen bei jedem männlichen Wesen, das auch nur zwei Worte mit ihr wechselt, spitz wie Nachbars Lumpi wird! wink
Ganz ehrlich, auf Dauer fand ich das einfach nervig und unglaubwürdig und fühlte mich irgendwie an das Klischee der ständig sexlüsternen Klosterschülerin erinnert ...

Davon abgesehen jedoch wiederum ein gelungener DSA-Roman von unserem Schweige. Glückwunsch! Wegen der etwas schwächeren ersten Buchhälfte und meiner Probleme mit Elanora gibt es erneut eine 2-.

P.S.: Ist eigentlich schon eine Fortsetzung in Arbeit oder geplant?