In den nächsten Tagen wird es wieder einige Kritiken vom Fantasy Filmfest geben. Alle Filme werden dort in der Originalversion, teils mit (englischen oder deutschen) Untertiteln gezeigt. Zum Auftakt gibt es heute gleich mal einen netten Dreierpack. smile

22 BULLETS:

Charly Mattei (Jean Reno) war lange Zeit einer der mächtigsten Gangsterbosse in Südfrankreich. Vor drei Jahren hat er sich komplett aus den kriminellen Geschäften zurückgezogen, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Umso unerwarteter kommt es, als er eines Tages in einem Parkhaus von einer Handvoll maskierten Männern attackiert wird. Doch Mattei erweist sich als "Der Unsterbliche" (so die Übersetzung des Originaltitels) und überlebt trotz 22 Kugeln in seinem Körper schwer verletzt. Als er wieder einigermaßen fit ist, sinnt er natürlich auf Rache, während die engagierte Polizistin Marie Goldman (Marina Fois) ihm zuvorkommen und die Täter verhaften will.

"22 Bullets" von Richard Berry (der auch eine Nebenrolle spielt) fügt sich ziemlich nahtlos in die lange Reihe französischer Gangsterfilm-Klassiker á la "Der Teufel mit der weißen Weste", "Clan der Sizilianer" oder zuletzt die beiden "Public Enemy No. 1"-Filme ein - obwohl er stilistisch und teilweise auch inhaltlich eher Hollywood-Vorbilder wie "Der Pate" oder "GoodFellas" nacheifert. Die Story ist nicht neu und auch nicht übermäßig originell oder überraschungsreich erzählt (tatsächlich ist ein eingebautes, kleines "Mysterium" sogar eher negativ zu bewerten, weil schlicht überflüssig und zudem zu vorhersehbar), aber packend und mit genau dem richtigen Maß Pathos inszeniert, wozu auch die an die "Bourne"-Trilogie erinnerende Musik von Klaus Badelt ihren Teil beiträgt.
Für Jean Reno ist es natürlich eine echte Paraderolle, als Bösewicht überzeugt der hierzulande vor allem aus dem letztjährigen Überraschungshit "Willkommen bei den Sch´tis" bekannte Kad Merad und auch der übrige Cast macht seine Sache gut.
Alles in allem ein rundum gelungener Edel-Gangsterfilm. 8,5 Punkte.

HARRY BROWN:

Harry Brown (Sir Michael Caine) ist Rentner - und ehemaliger Marine. Als sein einziger Freund Leonard von einer Jugendgang ermordet wird und die Polizei um die eigenwillige D.I. Alice Frampton (Emily Mortimer) mangels überzeugender Beweise machtlos zu bleiben scheint, greift Harry zunächst unfreiwillig, dann aber mit erschreckend schnell einsetzender Routine auf seine in seiner Militärzeit in Nordirland erworbenen Fähigkeiten zurück, um Leonard zu rächen und ganz allgemein dafür zu sorgen, daß die Gegend etwas sicherer für die normalen Bürger wird ...

Zweiter Film, zweite Rachestory. Doch trotz dieser Gemeinsamkeiten und der Besetzung der jeweiligen Hauptrolle mit einem der besten und beliebtesten Darsteller der beiden Länder haben "22 Bullets" und "Harry Brown" relativ wenig miteinander gemeinsam. Ja, man könnte sogar sagen, daß sie die zwei Seiten einer Medaille darstellen. "22 Bullets" erzählt die spektakuläre, hollywoodeske Varianter der Geschichte, während "Harry Brown" eher die kleine, dreckige "New Hollywood"-Variante á la Scorseses "Mean Streets" oder "Taxi Driver" repräsentiert. Gemeinsam haben beide Filme jedoch auch noch, daß sie sehr gelungen sind.
Dabei punktet "Harry Brown" auch mit der recht originellen Kombination der zentralen Revenge-Story mit einer (mehr oder weniger) sozialkritischen Betrachtung des in England in den letzten Jahren immer besorgniserregendere Ausmaße annehmenden Problems der Jugendgewalt, die hier in einem überraschenden, beinahe apokalyptisch zu nennenden Finale mündet.
Dafür gibt es ebenfalls 8,5 Punkte.

Achja: Elgi, vergiß deine "Expendables", schau´ dir "Harry Brown" an! Der versohlt Sly und Co. jederzeit den Hintern! grin

CENTURION:
Britannien, 2. Jahrhundert: Der Vormarsch der Römer auf den britischen Inseln wurde von den Pikten schon vor Jahren zu einem Halt gebracht. Seitdem herrscht ein fragiles Gleichgewicht, das nun jedoch von beiden Seiten topediert wird: Auf römischer Seite ist es der Provinzgouverneur Julius Agricola (Paul Freeman), der einen militärischen Erfolg über die Pikten erzwingen will, um endlich zurück nach Rom zu können. Deshalb trägt er General Titus Flavius Virilus (mit beeindruckender Präsenz: Dominic West) und seiner neunten Legion auf, ins Piktengebiet vorzudringen.
Auf der anderen Seite hat bei den Pikten der grausame Gorlacon (Ulrich Thomsen) die Führung übernommen und die brutalen Guerilla-Taktiken der Pikten perfektioniert. Es kommt, wie es kommen muß: Die Pikten stellen den Römern eine Falle, die neunte Legion wird beinahe komplett aufgerieben und eine Handvoll Überlebender um Zenturio Quintus Dias (Michael Fassbender) versucht, ihren verschleppten General aus der Hand der Pikten zu befreien ...

Das Schicksal der im 2. Jahrhundert mysteriös "verschwundenen" 9. Legion hat schon seit Jahrzehnten Wissenschaftler und Schriftsteller beschäftigt. In der Filmindustrie wurde die Geschichte offenbar erst in den letzten Jahren entdeckt (in den 1970ern gab es immerhin bereits einen britischen TV-Mehrteiler) - dafür dann aber gleich richtig: Zuerst gab es 2007 den mittelmäßigen Film "Die letzte Legion" mit Colin Firth und Sir Ben Kingsley, nun "Centurion" und 2011 wird Kevin Macdonalds "The Eagle of the Ninth" mit Channing Tatum, Mark Strong, Jamie Bell und Donald Sutherland folgen.
Hoffentlich geht letzterer das Thema ernsthafter an als die beiden erstgenannten Filme, denn leider ist es auch bei "Centurion" so, daß die Legende der 9. Legion eigentlich nur aus Ausgangspunkt genutzt wird. Ich hatte eigentlich gehofft gehabt, daß sie im Film vor allem länger existieren würde, aber stattdessen wird sie quasi gleich zu Beginn in einer leicht ziemlich schlecht und wirr inszenierten Schlacht vernichtet und das Augenmerk richtet sich auf die kleine Gruppe überlebender Soldaten. Für DIESE Storywendung hätte man auch keine 9. Legion gebraucht ...

Aber gut, Regisseur und Autor Neil Marshall ("The Descent", "Doomsday") hat sich nunmal für diese Geschichte entschieden. Was er daraus gemacht hat, ist vor allem für Genre-Fans durchaus unterhaltsam, aber leider auch reichlich unoriginell. Im Grunde genommen handelt es sich hierbei einfach um die Badass-Version von "King Arthur". Mit sehr ähnlichen Stärken und Schwächen. Die Stärken betreffen die guten Schauspieler - neben Fassbender, Thomsen und West sind u.a. Olga Kurylenko ("Hitman", "Ein Quantum Trost") als stummer "Xena"-Verschnitt, Noel Clarke ("Doctor Who"), David Morrissey ("Mord auf Seite Eins", "Red Riding"-Trilogie), Liam Cunningham (auch in "Harry Brown" dabei) und Imogen Poots ("28 Weeks Later") dabei -, die stimmungsvolle Musik von Ilan Eshkeri, die (nach der anfänglichen Schlacht) gelungenen Kampfchoreographien und vor allem die wunderschönen Landschaftsaufnahmen aus Schottland. Die Schwächen sind die sehr dünne Story, die größtenteils blaß bleibenden Charaktere und das ziemlich dämliche, absolut nicht rund wirkende Ende.

Aber wie gesagt: Für Genre-Fans ist "Centurion" (wie ja auch "King Arthur") durchaus recht spaßig anzuschauen. Knapp 7 Punkte.

P.S.: Ich war schon lange nicht mehr am späten Samstag abend in der Stadt unterwegs, deshalb mußte ich mich schon verwundert fragen: Seit wann ist es bei weiblichen Teenagern eigentlich "in", sich komplett - man kann es nicht anders nennen - nuttig anzuziehen? Ich dachte schon, ich wäre falsch abgebogen und statt im Hauptbahnhof im nächsten Bordell gelandet ... wink

Last edited by Ralf; 05/09/10 11:32 AM.