Originally Posted by Ralf
Aber apropos Integration: Auf der anderen Seite muß ich mich dann aber auch über einen Bundesligaspieler Hamit Altintop aufregen, der sich doch allen Ernstes erdreistet, dem deutschen Nationalspieler Mesut Özil zu unterstellen, er habe sich aus wirtschaftlichen Gründen für Deutschland und gegen die Türkei entschieden.

Aber er hat doch Recht. Er hat sich bei den Deutschen mehr Chancen ausgerechnet und sich schlußendlich dafür entschieden. Wenn er sich ganz toll deutsch gefühlt hätte, wäre es nie zur Debatte gestanden, ob er sich für die deutsche Nationalmannschaft entscheidet - er hätte es den Verantwortlichen gesagt, und fertig. Insofern gebe ich Altintop in dem Punkt absolut Reecht. Was die anderen Dinge angeht... nun, seine Meinung.


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Grundsätzlich habe ich mit beiden Lebenswegen kein großes Problem, auch wenn ich persönlich einfach nicht nachvollziehen kann, wie man sich mit einer solchen Biographie primär (!) als Türke fühlen kann. Aber das ist wörtlich zu verstehen, denn ich kann eben einfach wirklich nicht wissen, wie das ist - meine Familie ist seit vielen Generationen in Deutschland heimisch (der väterliche Familienzweig kam wohl irgendwann im 19. Jahrhundert aus Südtirol, aber ganz genau weiß das heute keiner mehr), da fühle ich mich logischerweise als Deutscher (und Europäer).

Das ergibt sich automatisch, weil insb. solche Leute wie Altintop, denen man das Fremde auf den ersten Blick ansieht, niemals als Deutsche erachtet und behandelt werden. Das meine ich nicht wertend - also nicht daß man täglich mit Neonazis zu tun hätte, aber man ist einfach kein Deutscher. Das wirkt sich auf das gesamte Leben aus, auch wenn das jetzt dramatisch klingen mag. So würden sich zwei "normale" Deutsche z.B. äußerst selten über Türken oder türkische Themen unterhalten... aber wenn ein Türke dabei ist, dann kann das schon passieren. Das ist einerseits eine kulturelle Bereicherung, andererseits aber auch eine stetige Abgrenzung.
Folglich können Einheimische und auch Einwanderer der 1. Generation die Probleme und Beweggründe von Einwandererkindern der 2. oder späterer Generationen niemals gänzlich nachvollziehen... weil wir - man verzeihe mir den klischeehaften Ausdruck - zwischen allen Stühlen sitzen.
In diesem Lichte betrachtet nehme ich Altintop nicht ganz ab, daß er sich als Türke fühlt... weil er, wenn er in der Türkei ist, mit Sicherheit eine ähnliche Abgrenzung erfahren wird... weil er eben genausowenig ein "normaler" Türke ist.


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Aber wenn dann allen Ernstes jemand wie Altintop jemandem wie Özil quasi-Käuflichkeit unterstellt, dann regt mich das definitiv auf. Und wenn ich boshaft wäre, würde ich sogar die Frage stellen, wer von den beiden wohl eher für eine gelungene Integration steht ...

Also wie oben schon gesagt: Ich bin ebenso überzeugt davon, daß es bei Özil eine Frage der Integration war... sondern tatsächlich der persönliche Erfolg im Vordergrund stand. Was legitim ist, schließlich ist das ja ein begabter Junge. Aber ich empfinde es als Hohn, wenn man diesen glubschäugigen Buben als ein Beispiel gelungener Integration vorzeigt. Laß ihn mal eine schwere Verletzung haben und dann niemals wieder an seine aktuellen guten Leistungen anknüpfen können... dann sehen wir mal, wie gut er sich zurechtfindet.


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"