Originally Posted by elgi
Ich kann verstehen, daß er so reagiert hat. Ich fand das damals schlimm, wie sie ihn da behandelt haben - jemanden gut oder schlecht finden, ist eine Sache, aber mit Eiern bewerfen (und zwar aus dem Schutz der Masse heraus) ist eine Unverschämtheit in meinen Augen.


Generell ist es sicherlich feige, aus der Masse heraus Eier zu werfen, aber das ist ja längst nicht die einzige derartige Attacke auf Politiker (Farbbeutel auf Fischer, Joghurttorte auf Trittin, Schuhwurf auf Bush, Faustschlag gegen Berlusconi ...), und Kohl hat meiner Meinung nach mit seinem Ausraster schon besonders unsouverän reagiert. Selbst wenn du einwenden kannst, dass die Vergleiche mit anderen Attacken hinken, weil die Situation nie ganz dieselbe war.

"Schlimm" fand ich die Eierwürfe damals auch nicht - ich habe eher Schadenfreude empfunden, weil ich gut nachvollziehen konnte, dass einige Ossis angesichts bewusster Lügenmärchen wie der "blühenden Landschaften" die Schnauze gestrichen voll hatten.

Originally Posted by elgi
Auch finde ich es durchaus wichtig, was Kohl und sein Team damals 89/90 gemacht haben... es ist sicher keine mutige These, daß es nicht zur Wiedervereinigung gekommen wäre, wenn z.b. Lafo Bundeskanzler gewesen wäre.
Will heißen: Wie sie die Einheit durchgeboxt haben, mag man kritisieren... aber daß Kohl (und eben sein Team) einen nicht zu kleinen Anteil an der Einheit und damit der Entwicklung in Europa hat, ist für mich unbestritten.
Und das zählt dann auch für den Nobelpreis, denke ich. Die schert es nicht, daß die Innenpolitik nicht der Rede wert war, daß Kohl ein unglaublicher Machtmensch war (und noch ist), daß er mit seinem berühmten Ehrenwort immer noch gegen Gesetze verstößt...

Das finde ich aber weder überraschend noch besonders schlimm, wenn ich ehrlich sein soll. Es gibt weitaus fragwürdigere Preisträger und Nominierte, da finde ich Kohl noch ganz OK.


Kohl ist die deutsche Einheit in den Schoß gefallen. Er hat bloß zugepackt und nicht mehr losgelassen. Und die stümperhafte, übereilte Ausgestaltung der Wiedervereinigung ist kein Ruhmesblatt. Wenn man jemanden für das Zustandekommen der deutschen Einheit als Teil der Entwicklung in Europa auszeichnen möchte, haben die DDR-Bürgerrechtsbewegungen einen solchen Preis meiner Meinung nach weit eher verdient.

Ob und wie die Wiedervereinigung unter einem Kanzler Lafontaine vollzogen worden wäre, darüber können wir nur spekulieren. Ich vermute, dass es die DDR dann noch etwas länger gegeben hätte und wegen des langsameren Tempos viele Fehler nicht gemacht worden wären, aber die deutsche Einheit hätte es auch mit Lafontaine gegeben.