WALL STREET: GELD SCHLÄFT NICHT:

Nach Ablauf seiner langjährigen Haftstrafe wegen Insiderhandels, Steuerhinterziehung u.ä. wird der ehemalige Corporate Raider Gordon Gekko 2001 aus dem Gefängnis entlassen - scheinbar geläutert. In den nächsten Jahren hält er sich von der Börse fern und als die eigentliche Filmhandlung im Jahr 2008 einsetzt, hat er ein Buch mit dem bezeichnenden Titel "Is Greed Good?" veröffentlicht und hält Vorträge, in denen er vor dem Platzen der Hypothekenblase warnt. Bei einem dieser Vorträge lernt er Jake Moore (Shia LaBeouf aus "Indiana Jones 4") kennen, einen jungen Broker, der mit Gekkos Tochter Winnie (Carey Mulligan aus "An Education") verlobt ist. Da Winnie ihren Vater für den Drogentod ihres Bruders verantwortlich macht, will sie nichts mehr von ihm wissen - doch Gekko hofft, daß er sich via Jake wieder mit ihr versöhnen kann. Als Gegenleistung bietet er Jake Hilfe bei dem Versuch an, sich an dem gierigen Investment-Banker Bretton James (Josh Brolin, "No Country for Old Men", "W.") zu rächen, den Jake für den Suizid seines Chefs und väterlichen Mentors Louis Zabel (Frank Langella, OSCAR-nominiert für "Good Night. And, Good Luck.") verantwortlich macht ...

"Wall Street: Geld schläft nicht" ist eigentlich eher Aktualisierung als Fortsetzung von "Wall Street". Die Handlungen der beiden Filme ähneln sich, die Figurenkonstellation sogar noch mehr, wenn auch teilweise mit vertauschten Rollen und veränderten Gewichtungen. Gekko ist nun nicht mehr der Bösewicht des Films, diese Rolle übernimmt Preston James. Wichtiger Unterschied: Während Gekko bei seinen Geschäften die Regeln und Gesetze gezielt mißachtete und somit letztlich zu Unrecht als negatives Sinnbild des Kapitalismus betrachtet wurde (in Wahrheit war er einfach nur ein Verbrecher), verzichtet James weitgehend auf illegale Handlungen. Wie er selbst sagt, hat er die gar nicht nötig - es reicht, auf legale oder zumindest nicht ausdrücklich verbotene Art und Weise zu handeln, beispielsweise mittels ungedeckten Leerverkäufen oder "Wetten" gegen das eigene Unternehmen. Moralisch mindestens fragwürdig, aber eben nicht verboten. In James manifestiert sich also tatsächlich die Kapitalismus-Kritik des bekennenden Linken Oliver Stone.
Allerdings: Die Kritik ist erstaunlich verhalten geraten. Vielleicht dachte sich Stone: Jetzt, nach der Finanzkrise, weiß sowieso jeder, was alles schiefläuft, da brauche ich nicht auch noch zusätzlich draufzuhauen. Und falls es so war, dann war das eine gute Idee. Stone kritisiert, ohne zu hetzen, und bleibt damit glaubwürdig. Natürlich hat er dank der Finanzkrise mehr als genügend Anschauungsmaterial aus der Realität erhalten und nutzt das auch aus, wobei er seine Figuren realistischerweise viele Fachbegriffe benutzen läßt, die sicher nicht jeder Zuschauer verstehen wird (was für das Gesamtverständnis des Films aber nicht von großer Bedeutung sein dürfte). Aber er zeigt auch auf, daß die Krise viele verschiedene Ursachen hatte, die im Zusammenwirken zu ihrem Ausbruch führten (manifestiert u.a. in Jakes von Susan Sarandon gespielter Mutter, die als naive Immobilienmaklerin wie so viele Amerikaner glaubt, daß die Häuserpreise immer weiter steigen werden und deshalb beinahe in den finanziellen Abgrund gerissen wird).

Leider kommt Stone in der zweiten Filmhälfte zunehmend vom eigentlichen Wirtschaftsthema ab - also gerade dann, als im Film die Krise voll ausbricht und es so richtig interessant werden sollte. Stone hat sich jedoch unglücklicherweise dafür entschieden, Gekkos schwierige Beziehung zu seiner Tochter und ihrem Verlobten in den Mittelpunkt zu stellen. Das sorgt dafür, daß manch interessanter Handlungsstrang aus der ersten Filmhälfte (wenn überhaupt) nur unzureichend zu Ende geführt wird, was speziell Jakes Rache an Bretton James betrifft. Dennoch bleibt auch dieser Charakterdrama-Teil interessant und gut gespielt, vor allem von Michael Douglas, der in seiner OSCAR-prämierten Paraderolle geradezu wieder aufblüht (umso trauriger, daß er kurze Zeit später an Krebs erkrankte) und vielleicht sogar erneut eine Chance auf eine OSCAR-Nominierung haben könnte, wenn auch diesmal wohl nur als Nebendarsteller. Das geradezu befremdlich und unpassend versöhnliche Ende verwundert jedoch und läßt einen glatt vermuten, Oliver Stone sei am Ende doch nichts anderes als ein hoffnungsloser Romantiker. wink

Unterm Strich ist Oliver Stone mit "Wall Street: Geld schläft nicht" ein würdiger Nachfolger zu seinem eigenen Klassiker des Wirtschaftsfilms gelungen, der zwar sein wirtschaftskritisches Potential nicht ausschöpft und in seiner Symbolik mitunter etwas sehr plakativ daherkommt (z.B. sind Seifenblasen als Manifestation der Spekulationsblasen nicht wirklich subtil - aber immerhin verzichtet Stone darauf, die Seifenblasen bedeutungsschwanger zerplatzen zu lassen, weshalb ich diese Art der Symbolik als noch im erträglichen Rahmen empfinde - andere Kritiker sehen das jedoch nicht so).
Es ist übrigens von Vorteil, wenn man den Vorgänger "Wall Street" relativ kurz vorher gesehen hat, denn ansonsten entgehen einem zahlreiche nette Referenzen und vielleicht auch das eine oder andere Cameo ...
Trotz der Mängel in der zweiten Filmhälfte vergebe ich zufriedene 7,5 Punkte.