TERRY PRATCHETT'S GOING POSTAL:Auf der Scheibenwelt hat der sinistre Geschäftsmann Reacher Gilt (David Suchet, Titeldarsteller der BBC-Serie "Poirot") mit einer Art Telegraphensystem die traditionelle Post vom Markt gedrängt und damit ein Monopol für die Nachrichtenübermittlung. Da er dies weidlich ausnutzt, indem die Preise steigen, die den Kunden gebotene Leistung aber stetig abnimmt, entscheidet sich der Patrizier von Ankh-Morpork, Lord Vetinari (Charles Dance, "Gosford Park"), das Postamt wiederzueröffnen. Und als neuen Postmaster bestimmt er den geschäftstüchtigen Betrüger Moist von Lipwig (Richard Coyle, Jeff in "Coupling", "Prince of Persia"), indem er ihn vor die Wahl stellt: Tod oder Postmaster! Moist fügt sich naheliegenderweise und zeitigt schnell Erfolge - was Reacher Gilt natürlich überhaupt nicht gefällt ...
"Going Postal" ist die dritte Realverfilmung aus Terry Pratchetts "Scheibenwelt" und stellt so etwas wie einen Neuanfang an. Zwar waren die beiden vorherigen Verfilmungen "The Hogfather" und "The Color of Magic" erfolgreich und erhielten auch wohlwollende Kritiken, dennoch wollte man offenbar einen größeren Stilwechsel (vielleicht auch aufgrund relativ lautstarker Kritik aus den Kreisen der Hardcore-Pratchett-Fans?). Das führte nun dazu, daß Vadim Jean, Regisseur der beiden vorherigen Verfilmungen, diesmal nur als Produzent fungiert, zusätzlich wurde auch nicht mehr auf die bisherigen Darsteller zurückgegriffen. Das heißt: Kein Sir David Jason, der in "Hogfather" Albert gespielt hatte und in "The Color of Magic" Rincewind. Und auch Jeremy Irons hat seine Rolle als Lord Vetinari nicht wiederaufgenommen - was einerseits schade ist, da Irons bekanntlich ein toller Schauspieler ist und sein Kurzauftritt in "The Color of Magic" sehr vielversprechend war. Andererseits ist der Darstellertausch aber absolut verschmerzen, weil Charles Dance (trotz falscher Haarfarbe) mindestens genauso perfekt in die Rolle paßt. Zudem wurde als Ridcully-Darsteller Joss Ackland aus "Hogfather" durch den britischen Theaterstar Timothy West ersetzt - da jedoch beide jeweils nur relativ kurz zu sehen sind, ist auch dieser Darstellerwechsel nicht wirklich schlimm.
Die wohl bedeutendste Änderung gegenüber den beiden Vorgängern ist jedoch im Produktionsstil zu finden. Während "Hogfather" und "The Color of Magic" bei allen Qualitäten, die beide Verfilmungen definitiv haben, doch relativ trashig wirkten, kommt "Going Postal" deutlich seriöser rüber - und das tut der ja gerade in Zeiten der globalen Wirtschaftskrise durchaus aktuellen Geschichte eindeutig gut.
Da ich "Going Postal" noch nicht gelesen habe (oder eines der anderen Lipwig-Bücher von Pratchett), konnte ich erstmals fast komplett neutral an die Verfilmung herangehen. Keine Ahnung, ob das nun Vor- oder Nachteil ist, aber auf jeden Fall bin ich mit "Going Postal" sehr zufrieden. Die Besetzung ist ausgesprochen sorgfältig ausgewählt. Richard Coyle ist ein toller Hauptdarsteller (so gut hätte ich ihn ehrlich gesagt gar nicht erwartet ...), Charles Dance ist wie gesagt ebenfalls über jeden Zweifel erhaben, dazu brilliert die relative Newcomerin Claire Foy (in England kurz vorher durch die Hauptrolle in der Mini-Serie "Little Dorrit" bekannt geworden) in der Rolle der mit einem wunderbar knochentrockenen Humor gesegneten Adora Belle Dearheart (und wird dafür im Bonusmaterial sogar von Terry Pratchett himself lobend hervorgehoben), David Suchet gibt einen wunderbar boshaften Oberschurken, "Fawlty Towers"-Fans freuen sich über ein Wiedersehen mit Andrew "Manuel" Sachs in der Rolle des Junior Postman Groat und auch kleine Nebenrollen sind mit teilweise in Großbritannien sehr populären Darstellern besetzt. Besonders gut gefallen hat mir auch die Norwegerin Ingrid Bolsö Berdal ("Cold Prey") in ihrer leider sehr kleinen Rolle als Sergeant Angua (die Werwölfin in der Stadtwache).

Das Produktionsdesign ist ebenfalls sehr gelungen, man fühlt sich trotz der typischen TV-Produktionsbeschränkungen sofort wieder heimisch in Ankh-Morpork. Die Computereffekte sind recht ansprechend, wenngleich in manchen Szenen doch ziemlich klar erkennbar. Aber Hollywood-Niveau kann sich eine TV-Produktion nunmal einfach nicht leisten ...
Fazit: Eine ausgesprochen unterhaltsame dreistündige Pratchett-Adaption, die im Gegensatz zu den beiden Vorgänger-Mini-Serien auch für Nicht-Pratchett-Kenner ziemlich eingängig sein sollte - zumal die zentrale Handlung nicht wirklich komplex ist. 8,5 Punkte.
BONUSMATERIAL:
Ich habe mir die vor ein paar Monaten erschienene UK-Version der 2 DVD-Limited Edition zugelegt - mittlerweile ist auch die deutsche DVD erschienen, hier scheint es nur eine Version mit 2 DVDs zu geben, insofern gehe ich mal davon aus, daß das Bonusmaterial wohl identisch ist. Zumindest das Bonusmaterial auf den DVDs, denn in der UK-Version liegt als sehr nettes Gimmick ein Scheibenwelt-Briefmarken-Set samt Zertifikat bei (leider mit nur einem Motiv, trotzdem toll)!

Keine Ahnung, ob man das auch in Deutschland bekommt.
Auf der ersten DVD gibt es neben dem Film (nur in der englischen Sprachfassung; ebenfalls nur englische Untertitel - das Bonusmaterial ist allerdings komplett untertitelfrei, aber generell gut verständlich) eine fünfminütige Einführung von Terry Pratchett und den Regiekommentar von Jon Jones. Letzteren habe ich nur ausschnittweise angehört (drei Stunden finde ich für einen Ein-Mann-Audiokommentar doch sehr viel), er scheint durchaus informativ zu sein, aber auch ein wenig trocken.
Auf der zweiten DVD gibt es Interviews mit allen möglichen Beteiligten der Produktion, die sich insgesamt wohl auf eine knappe Stunde summieren. Dazu kommen drei Fotogalerien (Storyboards, Props und ein paar Set-Zeichnungen), gut sechs Minuten Deleted Scenes und knapp vier Minuten Outtakes.
Das ist sehr solide und würde für 7 Punkte reichen - dank des Briefmarken-Sets gibt es sogar 8 Punkte.

Fazit: Für Pratchett-Fans eigentlich ein Must-Have (außer für die ganz großen Fanatiker, für die jede Änderung ein Sakrileg ist ...), für alle anderen ebenfalls empfehlenswert. Wenn ich mich nicht irre, wurden "Hogfather" und "The Color of Magic" jeweils bereits wenige Monate nach dem DVD-Release im deutschen Free-TV gezeigt (wenn auch beide Male mit mäßigem Zuschauerzuspruch), es kann sich also auch lohnen, zu warten. Mal abgesehen davon, daß man Pratchett natürlich eigentlich immer im Originalton genießen sollte (übrigens hat er auch wieder ein Cameo, da trifft das mit dem Originalton also sogar in doppelter Hinsicht zu).
