Inzwischen habe ich The Witcher auch endlich durch - gespielt habe ich die Platinum Edition. Da das Spiel hier sehr gelobt wurde, hatte ich hohe Erwartungen ... leider. Denn obwohl The Witcher zweifellos ein gutes Spiel ist, war ich von vielem doch enttäuscht.
Sehr gut gefallen haben mir das Alchimiesystem und die andere Sichtweise, die an manchen Stellen des Spiels präsentiert wird, vor allem was Berengar angeht, aber auch Azar macht das einmal recht überzeugend (danach leider nicht mehr).
Dass viele Entscheidungen sehr weitreichende Konsequenzen haben, kam mir nicht so vor, aber vielleicht muss man das Spiel auch mehrmals durchgespielt haben, um das beurteilen zu können. Meiner Meinung nach wurden die Folgen der getroffenen Entscheidungen beispielsweise in Arcanum viel besser deutlich gemacht, nämlich in einem variablen Abspann.
Am besten haben mir Kapitel 2 und 4 gefallen, in denen es große neue Gebiete gibt, die man relativ frei erkunden kann. Kapitel 3 fand ich schwach, weil wenig Neues dazukommt, und an Kapitel 5 hat mich gestört, dass der Ablauf zu sehr vorgegeben ist.
Überhaupt wird für meinen Geschmack viel zu sehr mit Zwischensequenzen gearbeitet - manchmal kam ich mir mehr wie in einem interaktiven Film vor als wie in einem Rollenspiel. In diesen Sequenzen trifft das Spiel Entscheidungen, die ich lieber selbst getroffen hätte. Und ich kann mich an kein Spiel erinnern, in dem ich so oft keine der verfügbaren Dialogoptionen wirklich wählen wollte, während eine Antwort, die ich naheliegend oder überzeugend fand, fehlte.
Das Handelssystem funktioniert anfangs ganz gut, aber wie in vielen Spielen hat man etwa ab der Hälfte viel Geld, ohne es für viel Nützliches ausgeben zu können. Ähnliches gilt leider für die Kämpfe: Anfangs (oder vielleicht wenn man das Kampfsystem noch nicht so gut kennt) hat man manchmal Probleme, später sind Kämpfe keine echte Herausforderung mehr, auch nicht gegen Bosse. Im letzten Kapitel und im Epilog reiht sich leider ein langweiliger Kampf an den nächsten.
Das Kampfsystem ist meiner Meinung nach nicht vollends geglückt. Dass man sich je nach Situation für einen der drei Stile und die Stahl- oder die Silberwaffe entscheiden muss, ist an sich keine schlechte Idee, aber was bei welchem Gegner effektiv ist, hat man recht schnell raus. Und die drastische Steigerung des Schadens bei folgenden Angriffen, wenn man im richtigen Augenblick klickt, wird weder logisch begründet noch führt sie zu spannenderen Kämpfen. Klar, man muss dem Kampf dadurch folgen und kann den Charakter nicht nach einem einmaligen Angriffsklick einfach kämpfen lassen, aber wenn man den Rhythmus einmal verinnerlicht hat, kann man im Prinzip auch kämpfen, ohne auf den Bildschirm zu schauen.
Reizvoll fand ich den effektiven Einsatz von Zeichen und Tränken, nur werden die gegen Ende des Spiels zu effektiv. Auch hätte ich mir gewünscht, dass Gegner, bei deren Leichen man Tränke findet, die mal im Kampf trinken, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Oder dass es stärker nötig wird, die eigene Taktik zu variieren, um gegen bestimmte Gegner klarzukommen.
Ziemlich seltsam ist in The Witcher, dass Unterstützung durch NSC einen Kampf schwerer statt leichter machen kann, weil Gegner dadurch manchmal weggetrieben werden und die Schlagfolge des Spielercharakters unterbrochen wird. Außerdem muss man dann aufpassen, dass man nicht aus Versehen auf einen der Mitkämpfer klickt, weil die sonst feindlich werden können. Das Igni-Zeichen hingegen kann man voll in den Nahkampf ballern, ohne bei Mitkämpfern Schaden anzurichten ... das hätte ich mir schon etwas durchdachter gewünscht.
Was ich allgemein in Kämpfen hasse, ist das Verschließen der Ausgänge, bis man den Kampf gewonnen hat, und das kommt in The Witcher mehrmals vor. Besonders dämlich fand ich das
im Endkampf gegen den Großmeister, der durch die Begrenzung hinausgetrieben wurde und dann weder aufstehen noch weiteren Schaden erleiden konnte - da der Kampf nicht mehr fortgeführt werden konnte, musste ich den letzten Spielstand laden.
Die Geschichte des Spiels ist okay, allerdings fing sie meiner Meinung nach in Kapitel 1 zu langsam an, und die ersten interessanten Fragen zur Persönlichkeit, die ab Kapitel 3 gestellt werden, hätten schon an den Anfang gehört. Insgesamt kam mir das Spiel ziemlich linear vor, aber die Welt ist interessant und hat einen reichen Hintergrund, die Figur des Hexers Geralt gibt einen guten, untypischen Helden ab und er hat erfreulicherweise einige Freunde mit einem sehr ausgeprägten Charakter. Auch die Möglichkeit, was mit verschiedenen Frauen anzufangen, passt meiner Meinung nach prima zu Geralt und in dieses Spiel.
In meinen Augen ist The Witcher ein gutes, streckenweise sehr gutes Spiel, in dem jedoch leider einiges Potenzial verschenkt wird - ich hatte zu oft den Eindruck, dass man da etwas hätte besser machen können. Vielleicht bin ich nach den positiven Äußerungen hier im Forum auch einfach mit zu hohen Erwartungen an das Spiel herangegangen. Aber wenn die Entwickler an den Schwachpunkten arbeiten, könnte The Witcher 2 ein richtig tolles Spiel werden.