Originally Posted by buad
Wie auch immer: TW hat - wie schon mehrfach erwähnt - auf jeden Fall eine Menge Ecken und Kanten, an denen man sich sicher z.T. auch sehr schmerzhaft stoßen kann. Aber als es neu war, war es für mich das erste Spiel, dass eine Welt so wenig märchenhaft und so lebendig darstellte, sich so vieler Aspekte annahm, die ich nie zuvor in einem C-RPG gesehen hatte und von dem ich durchweg den Eindruck hatte, dass es tatsächlich ein "Spiel für Erwachsene" sei (viel mehr als Fallout oder DA - ein paar Sexszenen und ein bisschen Blut reichen dafür nicht). Es wirkte - und wirkt nachwievor - auf mich einfach *reif*, mitunter fordernd, mit einem nachdenklichen, manchmal verstörenden Ton - einem Klang, der auch nach Spielende nachhallte und in meinem Inneren auch eine Resonanz fand, ein Spiel, das eben nicht einfach nur unterhält sondern eine Gegenleistung erwartet, auf das man sich innerlich einlassen muss - und das hat ihm eben eine gehörige Portion Boni eingebracht! Tatsächlich ist das bisher nur ganz wenigen Spielen gelungen: PS:T z.B., bei dem es ebenfalls trotz seiner Großartigkeit - eine Menge ungenutzten Potentials gibt, erst recht aus heutiger Sicht.


Dass die Spielwelt "reif" wirkt, kann ich voll unterschreiben. Und ich finde auch, dass The Witcher Aspekte abdeckt, die in anderen Rollenspielen nicht auftauchen, dass es ein sehr eigenständiges Spiel ist. Was das Verstörende und den Nachhall angeht, bin ich nicht so überzeugt.

Alvin etwa könnte als verstörendes Beispiel dafür dienen, wie aus guten Ratschlägen viel Schlechtes entstehen kann, wenn man sie anders versteht. Ich finde allerdings, dass diese Situation zu sehr mit Gewalt herbeigezogen wird. Die Szenen, in denen man Alvin "erzieht", während er bei Triss oder Shani ist, sind meiner Meinung nach ziemlich aus der Luft gegriffen und nicht sonderlich gut in den restlichen Spielablauf integriert. Dort und auch bei Alvins Befragungen in Kapitel 4 fand ich die verfügbaren Antworten besonders dürftig ... und dann "schummelt" das Spiel meiner Meinung nach auch noch, indem relativ klare Aussagen später unter den Tisch fallen. Auf mich wirkt die Situation leider eher so, als wäre sie zurechtgezimmert worden und hätte sich nicht natürlich ergeben. Da hätte ich es zum Beispiel besser gefunden, wenn es auch eine Option gegeben hätte, mit der Geralt, der eher auf ein ungebundenes Leben und flüchtige Bekanntschaften steht, keine fast väterlichen Gefühle für Alvin entwickelt, keine Verantwortung für ihn übernehmen möchte und diese Zurückweisung oder "Vernachlässigung" dann einer der Beweggründe für Alvins späteres Tun wird.


Aber es ist natürlich richtig, dass es kein Computer-Rollenspiel gibt, in dem nicht an der einen oder anderen Stelle noch Potenzial für Verbesserungen gewesen wäre. Vielleicht ist das verschenkte Potenzial bei Spielen, die in anderen Bereichen glänzen, besonders schmerzhaft ...

Originally Posted by buad
Für die meisten dieser Varianten sind Emotionen nötig. Patzig kann man z.B. nur sein, wenn man sich angepisst fühlt. Nun sind Emotionen bei Hexern aber absolute Mangelware - ein Nebeneffekt der Mutationen. Tatsächlich wurden Geralt schon sehr viele Emotionen spendiert, und angeblich - auch ich kenne die Bücher nicht - soll er da auch eine gewisse Ausnahme darstellen, weil er eben doch noch zu emotionalen Reaktionen bis zu einem gewissen Grade fähig ist. Aber im Großen und Ganzen reagiert er ziemlich emotionslos und ist dann eben auch nicht so schnell patzig. Ich stimme aber zu, dass das von den Entwicklern besser herübergebracht werden hätte können. Wer nichts von der Hexerwelt Sapowskis weiß, steht gerade am Anfang öfter ziemlich im Regen.


Tja, wenn das so beabsichtigt ist, erklärt es auch, warum Geralts Sprecher in manchen Situationen ein wenig teilnahmslos klingt ... allerdings hatte ich etwa im Prolog nicht den Eindruck, dass die anderen Hexer emotionslos waren, und Geralt kann im Laufe des Spiels ja auch echte Liebesgefühle entwickeln.

Und Berengar ist für mich ebenfalls alles andere als emotionslos. Wenn er wütend werden oder Angst haben darf, sollte Geralt das auch dürfen. Oder hat bei Berengar die Mutation zum Hexer nicht richtig geklappt? Wenn Hexer so emotionslos sind, finde ich es außerdem seltsam, dass Geralt gegenüber dem Großmeister anführt, Hexer wären eben gerade im Gegensatz zu dessen Mutanten fühlende Wesen (oder so ähnlich, den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr).