Dass auf Guttenberg "eingeschlagen" worden wäre, habe ich so bislang nicht wahrgenommen. Er wird heftig dafür kritisiert, dass er eine Dissertation mit zahlreichen plagiierten Passagen eingereicht hat, das ja - und das meiner Meinung nach mit Recht. Vor allem nachdem er das am Freitag nicht richtig eingestanden, sondern zu verharmlosen versucht hat, obwohl es eigentlich offensichtlich ist. Dabei spielt es meiner Meinung nach keine Rolle, welche politischen Positionen er vertritt.

Wenn man sich die Leserkommentare zu Online-Zeitungsartikeln über den Vorfall durchliest, ist der Begriff "einschlagen" sicherlich berechtigt - aber zu welchem Thema gibt es nicht irgendwelche Leute, die in den Leserkommentaren völlig ausrasten? Das kann meiner Meinung nach schlecht der Maßstab sein.

Sicherlich hat der Fall auch deswegen viel Aufmerksamkeit erfahren, weil Guttenberg bei weiten Kreisen bislang anscheinend als integer galt, und wer hoch aufsteigt, fällt umso tiefer. Auch ist mir nicht ganz klar, warum Guttenberg so hochgejubelt wurde - was hat er denn bislang so Gutes geleistet, dass Bild schreibt "Macht keinen guten Mann kaputt"? Soweit ich das mitbekommen habe, war Guttenberg vor allem schnell bei der Hand damit, Leute zu feuern, wenn irgendwo Fehler passiert sind. Jetzt kommt raus, dass er sich selbst einen ganz dicken Patzer geleistet hat, und bei sich selbst legt er anscheinend andere Maßstäbe an. Auch das mag dazu geführt haben, dass er heftigeren Gegenwind bekommt, als es möglicherweise bei anderen der Fall gewesen wäre.

Ich vermute zudem, dass eine gewisse öffentliche Reaktion eher verhindern könnte, dass das Ganze einfach unter den Teppich gekehrt wird.

Dass es nicht die feine Art ist, wenn Politiker persönliche Fehler des politischen Gegners zu ihrem Vorteil auszuschlachten versuchen, mag sein, aber es ist meiner Meinung nach auf allen Seiten üblich und keine Besonderheit dieses Falles. Für berechtigt halte ich allerdings die Frage, ob man von Politikern ein höheres Maß an Integrität erwarten darf als von Durchschnittsbürgern.

Guttenberg-Verteidiger führen dabei unter anderem an, dass der Ex-Außenminister Fischer in seiner Jugend Steine auf Polizisten geworfen habe, was ja wohl schlimmer sei als die plagiierte Dissertation, und dass er auch nicht zurückgetreten sei, als das bekannt wurde. Der Unterschied besteht meiner Meinung nach erstens darin, dass Fischer seinen Fehler inzwischen eingesehen hatte, ihn öffentlich eingeräumt und sich dafür entschuldigt hat. Zweitens ist die (versuchte) Körperverletzung zwar schlimmer als der Betrug bei der Doktorarbeit, aber diese Art von Betrug offenbart meiner Meinung nach eine Charakterschwäche, die mich auch an der Aufrichtigkeit einer öffentlichen Entschuldigung zweifeln lassen würde, wenn sie denn käme (der endgültige Verzicht auf den Titel klingt für mich noch nicht danach) - ich könnte Guttenberg angesichts der Faktenlage nicht mehr vertrauen, obwohl ich generell meine, dass jeder Mensch, auch ein Politiker, in seinem Leben Fehler machen darf und trotzdem noch wertvolle Arbeit für die Gemeinschaft leisten kann.