Vor kurzem wurde sich hier noch aufgeregt, dass Thema Nr. 1 unser Verteidigungsminister sei - und die politischen Ereignisse in Nordafrike in den Hintergrund treten.

Guttenberg selbst hat es gestern gut auf den Punkt gebracht: Die Medien werden von den Plagiatsvorwürfen beherrscht, während drei tote deutsche Soldaten in Afghanistan zur Randnotiz verkommen. Wird da nicht irgendwie die Verhältnißmäßigkeit aus den Augen verloren?

Im Übrigen: Ja, der Mann hat abgeschrieben und war dumm genug, sich dabei erwischen zu lassen. Ja, Abschreiben wird allgemein als "Betrug" bezeichnet. Trotzdem ist es mMn eine Bagatellform des Betruges, die weniger schädigend, als vielmehr vor allem peinlich für den Erwischten ist. Es gibt Betrügereien ganz anderen Ausmaßes - wie z.B. die Quasi-Fälschungen der Gutachten zur untertägigen Lagerung radioaktiven Abfalles durch massive politische Einflussnahme. Das ist eine Form des Betruges, die erstaunlicherweise ziemlich schnell vergessen wurde, deren Konsequenzen aber so weitaus schlimmer sind als abgeschriebene Passagen in einer Doktorarbeit. Möglich, dass die damalige Sachlage nicht so simpel zu klären war, und weil es mehr Aufwand erforderte, wurde nicht entsprechend nachgebohrt. Hätte sich dort aber viel mehr gelohnt, zumal Einflussnahme auf Gutachten wirklich Gründe für Rücktritte wären.

MMn rechtfertigt eine abgeschriebene Doktorarbeit nicht zwangsweise einen Rücktritt. Klar, die weiße Weste ist beschmutzt - willkommen in der Politik! Anders sähe es aus, wenn die Doktorarbeit Grundlage für die Einstellung als Minister wäre, denn Herrn Guttenberg konnte nun doch nicht die Befähigung zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit zweifelsfrei nachweisen. Aber dann wäre immer noch zu klären, ob die in der Arbeit getroffenen Schlussfolgerungen - die letztlich der Kern einer jeden Promotion sind - ebenfalls nur Plagiate sind, oder ob sie ihr Verfasser tatsächlich aus eigener Leistung aus den zuvor zitierten und kopierten Quellen abgeleitet hat. Denn bei aller Empörung über Plagiate: man darf das Wesentliche einer Promotionsarbeit nicht vergessen! Die Einleitung ist gewiss nicht der Kern einer solchen Arbeit, sie abzuschreiben ist einfach nur peinlich, jedoch nicht zwangsläufig ein Ausdruck der Unfähigkeit. Ob die gesamte Arbeit durch die zahlreichen Plagiate zu einem nicht ernstzunehmenden Machwerk wird, oder ob die Plagiate nichts zur wesentlichen Aussage der Arbeit beitragen und diese durch weglassen oder Umformulieren derselben noch immer im Kern die gleiche bleiben würde -*das* ist mMn das wesentliche bei einer solchen Diskussion! Und darüber können genaugenommen nur unvoreingenommene Experten entscheiden (die es vermutlich nicht gibt).