Ich bin mir jetzt nicht ganz im Klaren, worauf Du hinauswillst, aber ich versuche mal, auf einige Dinge einzugehen...

Originally Posted by elgi

Wenn ich eine Doktorarbeit schreibe, die wissenschaftlichen Maßstäben nicht gerecht wird, aber trotzdem anerkannt wird und mir den Doktortitel einbringt, wäre das ein Fehler der entsprechenden bewertenden Uni-Stelle.


Richtig. Bei hingeschluderten Machwerken, die den Nachweis erbringen, dass der Doktorand eben *nicht* befähigt ist, selbständig wissenschaftlich zu arbeiten, müsste die Annahme verweigert werden oder die Promotion kurzerhand durchfallen. Wenn sie doch durchkommen, dann hat aber nicht der Doktorand "betrogen", sondern genaugenommen die Uni, wenn auch vielleicht nicht vorsätzlich. Die Frage muss dann natürlich gestellt werden, wessen Unfähigkeit größer ist...

Nun darf man nicht vergessen, dass die Qualität einer Uni und eines Professors üblicherweise auch an der Anzahl der erfolgreichen Promotionen gemessen wird. Das ist der gleiche Haken wie mit den Publikationen (siehe meine Entgegnung zu Ralf): Viele Doktoranden = gute Uni. Wenns eine Uni da nicht so genau nimmt, winkt sie eben auch den größten Mist durch. Auffliegen tut das nur in den wenigsten Fällen, aber die Zahl an erfolgreichen Promotionen ist schön hoch.

Genaugenommen würde ich aber den Begriff "Betrug" für so ein offensichtliches Versagen des Lehrkörpers nicht verwenden, zumal es einfach ein grober Fehler im System zu sein scheint.

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Und wenn ich dabei meine Thesen durch das Weglassen von Antithesen noch stärke, ist das kein guter Stil, aber noch sicher kein Betrug.


Solange es Thesen und Antithesen betrifft, sicher nicht, denn Thesen sind nun mal nur Annahmen. Kritisch wird es in meinen Augen, wenn bewusst Ergebnisse, die eine These torpedieren, weggelassen werden, um die These aufzuwerten. Die Qualität der These, d.h. ihre wissenschaftliche Bedeutung, verliert dadurch enorm an Wert oder wird im schlimmsten Fall gar völlig unbrauchbar.

Beispiele:
These: Photovoltaikzellen stellen eine 100% umweltfreundliche Energiequelle dar.
vorenthaltene Ergebnisse: Die Gewinnung der benötigten Materialien verschlingt ungeheure Ressourcen. Das benötigte hochreine Silicium ist nur in energetisch extrem aufwendigen Prozessen zu gewinnen. Die Zellen enthalten hochgiftige Komponenten, deren Entsorgung bzw. Recycling noch ungeklärt ist.

These: Photovoltaikzellen können 20% des einfallenden Lichtes in Strom umwandeln.
vorenthaltene Ergebnisse: Es handelt sich um den Spitzenwert, der nur unter optimalen Laborbedingungen, und dann auch nur kurzzeitig, erreicht wird.

oder ganz simpel:
These: Substanz A kann problemlos mit Substanz B vereinigt werden.
vorenthaltene Ergebnisse: ...aber anschließend reicht die geringste Energiezufuhr, wie, z.B. eine leichte Erschütterung, um das Gemisch unter gewaltiger spontaner Energiefreisetzung reagieren zu lassen.

Der Grat zwischen "noch gerade so tolerierbar" und "eindeutig Betrug" ist hier mMn sehr schmal (wobei die Beispiele nicht unbedingt die besten sind...)


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Es steht ja nirgends geschrieben, daß eine Doktorarbeit (oder mithin jede universitäre Arbeit) allumfassend sein muß. Da kommen dann die Korrektoren ins Spiel und müssen dank ihres profunden Wissens eben erkennen, daß die Arbeit hier und da Schwächen hat... und die entsprechende Note vergeben. (Ob das bei Uns-Gutti zu Genüge getan wurde und welche Lehren die Uni daraus ziehen muß, ist eine andere Geschichte, die man dem Herrn nicht vorwerfen kann [außer er hat "aktiv" bewirkt, daß hier und da ein Auge zugedrückt wurde... aber in der Richtung ist ja bisher nichts bekannt])


Yup. Keine Einwände oder Ergänzungen.

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Wenn ich aber bewußt fremdes Gedankengut als mein eigenes ausgebe (und nichts anderes ist das Abschreiben ohne Zitatanmerkung), dann ist das ein Betrug, den ich Verfasser selbst begehe. Klar tragen auch hier die Korrektoren eine gewisse Mitschuld, weil sie das nicht erkannt haben, aber initial geht der Betrug/Fehler von mir aus. Und es geht hier ja nicht um eine Zeile oder drei... sondern um eklatant große Teile der gesamten Arbeit. Dabei spielt es in meinen Augen keine Rolle, ob und inwiefern eine wie immer geartete Aussage der Doktorarbeit davon betroffen ist oder nicht...


Hm. Vielleicht. Ich scheue mich ein wenig bei der Verwendung des Begriffes "Betrug", ohne zu wissen, wie weit das "Kopieren" geht. Aber vermutlich liegt das einfach an einer unterschiedlichen Wichtung des Wortes. "Betrug" klingt für mich immer irgendwie nach einem Kapitalverbrechen, nach einem Kriminellen. Und "Abschreiben" sehe ich weniger kriminell, als vielmehr unfein und unseriös. Bei Betrug gibt es immer einen (meist materiell) Geschädigten - beim Abschreiben ist die Art der Schädigung schwer feststellbar, man verschafft sich mehr einen eigenen Vorteil als einen anderen wirklich zu schädigen. Aber ich gebe zu, dass die Grenzen zwischen "unseriös" und "betrügerisch" sehr verschwommen sind und dass mein Verständnis des Begriffs möglicherweise etwas zu ...eng ist.

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Hinzu kommt der bereits erwähnte Vorwurf, daß er das Ganze ja nicht mal selbst geschrieben hat. Zumindest in Teilen nicht. Das wäre ein weitere Betrug, denn auch das ist nicht erlaubt.


Hier sind wir uns einig. Allerdings ist es im konkreten Fall eben nur ein Vorwurf. Vorwerfen kann man viel - wenn es nicht eindeutige Hinweise gibt, taugen sie letztendlich gar nichts zur Bewertung der Sachlage.

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Schließlich noch der Vorwurf, daß er den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages für seine Doktorarbeit mißbraucht hat. Das wäre doppelter Betrug, da erstens Ghostwriter für sich... und eben Mißbrauch der staatlichen Schrift für private Zwecke.


Auch hier ist es wichtig zu klären, ob diese Arbeit (?) ausschließlich für seine Arbeit erstellt wurde, oder ob die entsprechende Anfertigung ohnehin erfolgen sollte und er sie nur zusätzlich privat genutzt hat. Ersteres: Amtsmissbrauch. Zweites: Nur dann ein Vergehen, wenn die Schrift oder Auszüge aus ihr vom Recht der Veröffentlichung ausgenommen wurden (sprich: Verstoß gegen die Geheimhaltung). Soweit ich weiß ist dieser Fakt noch ungeklärt, sollte aber eigentlich leicht aufzudecken sein.

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Ja, es sind Vorwürfe und es steht noch nix fest. Allerdings erhärtet sich leider der Eindruck, daß das alles nicht wirklich falsch sein könnte... auch und vor allem wegen des Verhaltens von Uns-Gutti selbst. Insofern ist es wirklich kein Wunder, daß er im Mittelpunkt des Interesses steht und daß ich von deinen ehrbaren Differenzierungsversuchen nicht so überzeugt bin.


Nun ja - 21% der Arbeit als Plagiate entlarvt - da fällt die "Differenzierung" inzwischen selbst mir als krampfhaft bemühter neutraler "Partei" zunehmend schwerer...