veteran
Joined: Apr 2005
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Die Figur Alvins und fast alles, was damit zusammenhängt, finde ich in der Tat nur wenig gelungen. Eine Theorie geht ja davon aus, dass Alvin sich in die Vergangenheit teleportiert und sich dann zum Großmeister entwickelt. Dieses Herumspielen mit Zeitresien ist sehr gewagt, da es immer zu Paradoxen kommt, und storymäßig ist das der Punkzt in TW, den ich überhaupt nicht gut heiße. Warum z.B. hetzt der Großmeister die Salamandra seinem eigenen Ich hinterher? Welche Beweggründe soll er dafür haben? - Dazu kommt, dass die gesamte Umsetzung - wie Du auch schon erwähntest - ziemlich konstruiert wirkt. Man wollte diese Idee offenbar umsetzten und hat dafür einige andere Dinge verbogen, um sie irgendwie hineinzubekommen. Gerade weil Zeitreisen immer die Gefahr widersprüchlicher Handlungsfäden bergen, finde ich es an sich gut, dass das Ende nicht völlig aufgelöst wird. Der Großmeister könnte sich auch in der Vergangenheit eng mit Alvin angefreundet haben, vielleicht hat er ihn sogar umgebracht, um das Amulett zu bekommen.
Wenn Alvin selbst der Großmeister ist, wirkt es zunächst ein wenig seltsam, dass die Salamandra erst so spät nach ihm suchen und nicht schon früher, um etwa den Tod seiner Pflegemutter zu verhindern. Andererseits wird im Tagebuch gesagt, dass dieses traumatische Erlebnis der Auslöser für Alvins Visionen ist, und der Großmeister könnte es absichtlich nicht verhindert haben, um seine Kräfte nicht zu verlieren. Genauso weiß er, dass die Teleportation in die Vergangenheit durch den ständigen psychischen Druck ausgelöst wurde, dem Alvin durch die Aktionen der Salamandra und die Kriegsereignisse ausgesetzt war. Er hält es für gut, dass es so gekommen ist, weil er nur so die Gelegenheit hatte, seine Kräfte weiterzuentwickeln und den Orden aufzubauen, deshalb versucht er alles so zu belassen, wie er es selbst in seiner Kindheit erlebt hat. Das ist natürlich nur eine von mehreren denkbaren Möglichkeiten.
Wenn man will, kann man es auch so erklären, dass die Teleportation in die Vergangenheit Alvins Gehirn aufs Äußerste beansprucht und zu einem teilweisen Gedächtnisverlust geführt hat - behalten hat er sich nur wenige Dinge, die er als Kind offenbar für besonders wichtig hielt, und an denen er sich in seinem weiteren Leben besonders orientiert. Mit diesem Ansatz weiß er vielleicht nicht mal, dass er Alvin ist, sondern glaubt, dass da "ein weiteres Kind wie er" auftaucht, und er möchte es formen und in den Dienst des Ordens überführen. Deshalb schickt er die Salamandra aus.
Der Nachteil dieses relativ offenen Endes ist allerdings, dass das Ganze nicht so überzeugend wirkt wie eine stimmige Auflösung, in der der Spieler alles detailliert erfährt. Was das Verstörende betrifft: Mich hat z.B. die Hexenjagd im 1. Kapitel überaus beeindruckt (wenn auch nicht in allen Aspekten: "Schlaf mit mir vor all den Kinderlein und erkenne, das ich keine böse Hexe bin!" Also wirklich - als könnte sich Geralt nicht auf anderem Wege ein Bild machen und als gäbe es keinen besseren Zeitpunkt für ein Techtelmechtel!). Aber der Mob und seine Hintergründe, die Angst Abigails vor dem Feuer (und ihr Fluch, wenn man sie dem Mob überlässt) - das alles wirkte so glaubwürdig und hat mich wirklich nachhaltig beeindruckt. Von solchen Szenen gab es mehrere, obwohl die Hexenjagd mMn die eindrucksvollste war - oder am eindrucksvollsten inszeniert. Dazu kommt noch, dass beide Antagonisten - erst Azar Javed, dann der Großmeister - eine nachvollziehbare Motivation für ihre Handlungen haben. Die Mittel und das Vorgehen mögen "falsch" oder moralisch bedenklich sein - vor allem im Falle von Azar - aber vor allem das Tun des Großmeisters ist aus einer noblen, durchaus respektablen Absicht entstanden. Weshalb ich das Finale auch unbefriedigend empfinde. Die Hexenjagd fand ich nur bedingt überzeugend. Erstens scheint die Hexe alles über jeden zu wissen - da sollte die immer größere Feindseligkeit der Fanatiker ihr nicht verborgen bleiben und sie eigentlich veranlassen, rechtzeitig weit weg zu fliehen. Natürlich kann man auch Gründe finden, warum sie trotzdem bleibt. Dass der fanatische Mob sich zusammenrottet, fand ich glaubwürdig - dass er sich nicht von Geralt, der ja als Hexer bekannt ist, durch Drohungen von Gewalt abhalten lässt, schon weniger. Und dass jeder einzelne Bauer bis zum letzten Blutstropfen weiterkämpft, selbst nachdem der Geistliche tot ist, hat die Szene leider ziemlich kaputt gemacht, finde ich.
Bei Azar fand ich gut, dass er anführt, die anderen seien ja auch nicht besser, etwa der inzestuöse König oder die intrigante Loge der Zauberinnen. Womit er im Prinzip nicht Unrecht hat. Schade fand ich jedoch, dass das nicht weiterverfolgt wurde und man nicht die Möglichkeit hatte, sich diesen Argumenten folgend auf die Seite des Großmeisters zu stellen, denn dadurch entkräftet das Spiel die Argumente automatisch. Und da ist es meiner Meinung nach unwichtig, ob Geralt in den Büchern dies oder jenes tut - in anderen Spielereihen, in denen unterschiedliche Enden möglich sind, wird letztlich auch eines kanonisiert, damit die folgenden Teile darauf aufbauen können.
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