Da am Sonntag schon die OSCAR-Verleihung stattfindet und ich bislang erst schändliche zwei der der zehn "Best Picture"-Nominierten gesehen hatte, will ich bis Sonntag eine echte OSCAR-Woche mit vier weiteren "Best Picture"-Nominees sehen (sofern mir die blöden Bahnstreiks nicht dazwischen kommen). Hier nun der erste Teil:

BLACK SWAN:

Nina Sayers (die große OSCAR-Favoritin Natalie Portman) ist eine sehr gute Ballerina, die aber noch keine ganz großen Rollen tanzen durfte und so langsam in ein Alter kommt, in dem eine Ballerina ihren Durchbruch schaffen muß, wenn sie zum Star werden will. Als der Ballettdirektor Thomas Leroy (Vincent Cassel) den bisherigen Star Beth Macintyre (Winona Ryder) absägt, bekommt Nina endlich ihre große Chance: Sie soll die Hauptrolle der Schwanenkönigin in Tschaikowskys "Schwanensee" spielen - obwohl Thomas Zweifel hat, ob sie auch den "bösen" schwarzen Schwan spielen kann und nicht nur den "guten" weißen. Kann die disziplinierte Nina dem zunehmenden Druck standhalten und den verruchten, lasterhaften schwarzen Schwan in sich selbst finden?

Wenn jemand vor einem Jahr behauptet hätte, daß ein Ballettfilm, der noch dazu vom zwar von den Kritikern hochgelobten, aber für das Massenpublikum eigentlich zu anspruchsvollen Regisseur Darren Aronofsky ("Pi", "Requiem for a dream", "The Fountain", "The Wrestler") inszeniert wurde, alleine in den USA über $100 Millionen einspielen würde, hätte ihn wohl jeder Branchenexperte und auch jeder normale Filmfan für verrückt erklärt. Daß "Black Swan" dieses Kunststück gelungen ist, zeigt bereits, daß es sich um einen wahrlich außergewöhnlichen Film handelt.

Aronofsky hat der großartigen Natalie Portman die Rolle ihres Lebens auf den zierlichen Leib geschrieben und es ist ihm gelungen, einen Film zu drehen, der als vergleichsweise konventioneller "Sportfilm" beginnt, in dem vor allem Ninas Training im Vordergrund steht, sich aber Stück um Stück zu einer Mischung aus waschechtem Psycho-Thriller und Charakterdrama mit sogar leichten Horrorelementen entwickelt. Erstaunlicherweise wirkt diese Entwicklung richtig rund, was auch darin begründet liegt, daß Aronofsky bereits in der ersten, "normalen" Filmhälfte raffiniert kleine Andeutungen des Kommenden eingebaut hat.

Natürlich wird die Geschichte von Natalie Portmans toller Tour de Force-Performance getragen, neben ihrer tänzerischen Darstellung überzeugt vor allem, wie sie den immer stärker werdenden psychischen Druck von allen Seiten und die daraus folgende zunehmende Verlorenheit von Nina zum Ausdruck bringt. Sie, die von klein auf von ihrer dominanten Mutter (Barbara Hershey) zum kommenden Ballettstar gedrillt wurde; die von Thomas gleichzeitig dazu gedrängt wird, ebenjene Disziplin, die sie zu einer technisch nahezu perfekten Tänzerin gemacht hat, für die Rolle des schwarzen Schwans zu vergessen; die von ihrer leichtlebigen, mit einer ebenso natürlichen wie intensiven Ausstrahlung gesegneten Kollegin/Konkurrentin Lily (Mila Kunis) in die Versuchungen des Nachtlebens eingeführt wird; die den beißenden Neid einiger Konkurrentinen ertragen muß; sie will und muß versuchen, alles unter einen Hut zu bringen und am Premierenabend eine perfekte Schwanenkönigin zu tanzen. Besser als Natalie Portman kann man diese Figur wohl nicht spielen. up

Doch wenn man ehrlich ist, ist es ja keine Überraschung, daß Natalie Portman eine tolle Schauspielerin ist. Auch Vincent Cassel und Barbara Hershey haben oft genug bewiesen, was sie können. Die eigentliche Überraschung von "Black Swan" ist deshalb Mila Kunis. Wer hätte gedacht, daß die zickige Jackie Burkhart aus der Sitcom "Die wilden Siebziger", die fehlbesetzte Mona Sax aus der "Max Payne"-Verfilmung eine richtig starke Schauspielerin ist? Ich denke und hoffe, für ihre Karriere ist "Black Swan" sogar noch wichtiger als für Portmans.

Neben der raffinierten Inszenierung und den vier tollen Darstellern (Winona Ryders Rolle ist zu klein, um sie dazuzählen zu können) tragen natürlich noch mehr Elemente dazu bei, daß "Black Swan" ein sehr guter Film ist: Aronofsky hervorragender Stammkomponist Clint Mansell zeigt diesmal, daß er auch willens und fähig ist, sich selbst etwas zurückzunehmen, indem er "lediglich" Tschaikowskys weltberühmte Melodien adaptiert und im Sinne der Story leicht verändert. Dies gelingt ihm einwandfrei, auch wenn sein Soundtrack aufgrund zu wenig eigenen Inputs nicht OSCAR-berechtigt war. Kamera, Ton, Tanz-Choreographie und Spezialeffekte sind ebenfalls einwandfrei gelungen.

Das einzige, was zu Kritik Anlaß gibt, ist die Handlung selbst. Zumindest wird wohl kaum jeder damit zufrieden sein, da sie erstens generell ziemlich konventionell ist, zweitens aber vor allem mit zwar starken, überzeugend dargestellten, aber doch ziemlich klischeehaften Figuren aufwartet. Die ultra-disziplinierte Ballerina, die dominante "Eislaufmutter", der verführerische Tanz-Direktor, die eifersüchtigen Konkurrentinnen - das alles wirkt zumindest sehr klischeehaft. Wie es in der echten Welt des hochprofessionellen Balletts aussieht, kann ich natürlich nicht beurteilen. Allzu sehr haben mich die Klischees auch deshalb nicht gestört, weil sie innerhalb des Films einfach hervorragend und plausibel umgesetzt wurden. Es gibt aber sicher genügend Leute, die sich daran stören.

Fazit: "Black Swan" ist vor allem in der zweiten Filmhälfte ein atemberaubendes, visuell wie akustisch beeindruckendes und hervorragend gespieltes Kunstwerk, das aber zumindest ein gewisses Offensein gegenüber der Welt des Ballett erfordert. 8,5 Punkte.