Teil 2 und 3 meiner OSCAR-Woche:

THE KING´S SPEECH:
England, 1930er Jahre: Prinz Albert (der große OSCAR-Favorit Colin Firth), von seinen wenigen Freunden Bertie genannt, ist ein Stotterer. Im aufkommenden Zeitalter des Radios ist das durchaus problematisch, zumal sein Vater König George V. (Michael Gambon) darauf besteht, daß nicht nur er, sondern auch seine Söhne auf diese Weise vom Volk sprechen. Bertie versucht etliche Sprachtherapeuten, doch ohne Erfolg. Als er eigentlich schon resigniert hat, findet seine fürsorgende Ehefrau Elizabeth (die vermutlich wir alle nur noch als "Queen Mum" kennen, gespielt von Helena Bonham Carter) den australischen Ex-Schauspieler Lionel Logue (wie Bonham Carter ebenfalls für den OSCAR nominiert: Geoffrey Rush), dessen unkonventionelle Methoden beim zunächst unwilligen Bertie tatsächlich zu fruchten scheinen. Was auch bitter nötig ist, denn es kündigt sich an, daß sein älterer Bruder David (Guy Pearce) den Thronanspruch zugunsten der Liebe aufgeben könnte ...

"The King´s Speech" vom bislang überwiegend als TV-Regisseur bekannten Briten Tom Hooper hat mit 12 die meisten OSCAR-Nominierungen in diesem Jahr erhalten und hat inzwischen auch den lange Zeit favorisierten "The Social Network" als Topfavorit in der Hauptkategorie "Bester Film" abgelöst. Worüber vor allem amerikanische Fans und Kritiker ziemlich sauer sind, die "The Social Network" für den "wichtigeren" Film halten und "The King´s Speech" für "nur" ein sehr gutes Feelgood-Movie. Quasi so ähnlich wie vor einigen Jahren, als überraschend "Shakespeare in Love" den Favoriten "Der Soldat James Ryan" besiegte. Ich persönlich muß sagen, daß beide Filme die Ehrung durchaus verdient hätten (ebenso wie "Black Swan" und der Film, den ich als nächsten rezensieren werde - es ist tatsächlich eine gute OSCAR-Saison!), würde ich jedoch zur Wahl zwischen diesen beiden Filmen gezwungen, würde ich mich ebenfalls für "The Social Network" entscheiden.

"The King´s Speech" ist tatsächlich ein sehr guter Film mit einer erneut herausragenden darstellerischen Leistung von Colin Firth (die ich übrigens angesichts der Thematik bewußt in der Originalversion mit Untertiteln genossen habe) und einem ganz allgemein großartigen Schauspielerensemble (in Nebenrollen sind neben den genannten u.a. noch Sir Derek Jacobi, Jennifer Ehle und Timothy Spall zu sehen), einer schönen Musik vom ebenfalls OSCAR-nominierten Alexandre Desplat, spritzigen Dialogen und einem gelungenen Finale.
Aber im Vergleich zum cineastisch anspruchsvollen "The Social Network" ist "The King´s Speech" eben doch ziemlich geradlinig und simpel gestrickt. Ein echtes Feelgood-Movie eben, definitiv mit dem Herz auf dem rechten Fleck, aber nicht besonders anspruchsvoll.
Dafür vergebe ich gute 8 Punkte und drücke Colin Firth die Daumen für den eigentlich bereits letztes Jahr für "A Single Man" verdienten Hauptdarsteller-Preis. Und wenn "The King´s Speech" auch als Bester Film ausgezeichnet wird, soll es mir recht sein. Die Daumen werde ich in dieser Kategorie jedoch eher für andere drücken. smile

127 HOURS:

Die Handlung von "127 Hours" ist sehr schnell zusammengefaßt: Aron Ralston (gleichzeitig OSCAR-Moderator und -Nominee: James Franco) geht am Wochenende auf eine Mountainbike-/Klettertour in den Canyons von Utah, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben. In einer Felsspalte löst sich ein Felsbrocken und klemmt Arons rechten Arm so unglücklich ein, daß er komplett feststeckt. Aron versucht alles, um sich aus der Situation zu befreien und stellt sich dabei sogar ziemlich geschickt an - wird es ihm gelingen?

Danny Boyle hat sich inzwischen als einer der besten und vielseitigsten Regisseure etabliert: Ob "Trainspotting", "28 Days Later", "Sunshine" oder "Slumdog Millionär" - Boyle wagt sich immer wieder an völlig neue Themen heran und meistens wissen die Ergebnisse sehr zu überzeugen. Das ist bei "127 Hours" nicht anders. Die Reihe der starken Darstellerleistungen in dieser OSCAR-Saison bereichert für viele sicherlich überraschend der bislang offensichtlich unterschätzte James Franco mit einer grandiosen Tour de Force. Wie Tom Hanks in "Verschollen" trägt er allein den Film und liefert auch dank Boyles überraschender Regie- und Drehbucheinfälle eine wunderbare One-Man-Show ab. Zwar gibt es zwischendurch immer wieder Erinnerungsfetzen und Phantasien Arons, die nahezu perfekt mit der minimalistischen Handlung verwoben sind - aber die dort auftauchenden Nebenfiguren dienen ausschließlich zur Unterstützung von Francos Leistung.

Auch "127 Hours" kann zudem mit einem grandiosen Soundtrack von A.R. Rahman (OSCAR für "Slumdog Millionär") aufwarten, die vor allem den Schluß mit zu einem wahrlich denkwürdigen, aufwühlenden Erlebnis macht. Zwar wird die Musik durchaus manipulativ eingesetzt, um die Emotionen zu verstärken, was vielleicht nicht jeder mag. Aber für sich genommen ist sie grandios und im Zusammenspiel mit dem Film bewirkt sie wahre Wunder!

Fazit: "127 Hours" ist eine sehr starke emotionale Erfahrung, allerdings nicht im Gegensatz zu "The King´s Speech" nicht gerade das Feelgood-Movie des Jahres, zudem nichts für schwache Nerven oder allgemein für Zartbesaitete. 9 Punkte.