ISENBORN von Bernard Craw:
(bestehend aus den vier Bänden "Stein", "Erz", "Eisen" und "Stahl")

Als der Dämonenmeister Borbarad seinen zweiten Welteroberungsversuch startet, gerät die tobrische Adelsfamilie vom Isenborn in ihrem Reichsjunkergut zunehmend in Bedrängnis. Während der hünenhafte Freiherr Härmhardt und seine kampferfahrene Gattin Olorande das heimatliche Anwesen Burg Isenborn gegen finstere Magier, Goblins und Untote verteidigen müssen, haben auch ihre Kinder gut zu tun. Fiana, eben erst zur Ritterin geschlagen, wird gleich auf ihrem ersten Ritterturnier in Kämpfe gegen Borbaradianer verwickelt und ihrer jüngerer Bruder Falk findet sich als Knappe eines tobrischen Ritters plötzlich auf der falschen Seite wieder, da dieser Ritter dem dunklen Herzog Arngrimm untersteht. Die Situation spitzt sich zu, als Burg Isenborn belagert wird - und in den folgenden Jahren müssen die vier Hauptfiguren an verschiedenen Fronten gegen die unterschiedlichsten Gegner standhalten ...

Es fällt recht schwer, eine angemessene Inhaltsübersicht zu diesem Vierbänder zu liefern, ohne Spoiler für die späteren Bände darin unterzubringen - deshalb diese eher vage Zusammenfassung.
Im Grunde genommen handelt es sich beim "Isenborn"-Zyklus um eine Schilderung der Borbarad-Invasion aus der Sicht einiger Beteiligter, die wichtig genug sind, um eine sehr interessante Geschichte zu liefern, aber zu unwichtig, um eine wirklich große Rolle in den entscheidenden Momenten zu spielen, weshalb DSA-"Promis" nur Gastauftritte haben und auch die großen Ereignisse wie die Dritte Dämonenschlacht oder das "Jahr des Feuers" nur gestreift werden.
Ich halte das für einen sehr spannenden Ansatz - auch wenn ich als Nicht-Spieler der "Sieben Gezeichneten"-Kampagne mich auch über einen noch direkteren Ansatz "mittendrin" im Zentrum der Borbarad-Invasion gefreut hätte - und muß dem Autor Craw zunächst mal ein großes Lob für seine Detailtreue und die klug durchkonstruierte Handlung machen. Daß eine Story, die sich über mehrere Jahre hinweg spannt und so viele Haupt- und wichtige Nebenfiguren umfaßt, am Ende tatsächlich einen runden Eindruck macht und (fast) alle Fragen beantwortet, ist alles andere als selbstverständlich. Craw ist aber offensichtlich sehr methodisch vorgegangen und hat stets den Überblick behalten. Im Grunde genommen gibt es nur eine Sache zu Beginn des ersten Bandes, bei der ich vermute, daß er sie schlicht vergessen hat -
Fianas "Infizierung" mit einer dämonischen Flüssigkeit, von der ich definitiv irgendwelche Folgen erwartet hatte
- ohne jedoch ausschließen zu können, daß es sich dabei vielleicht doch um eine bewußt gelegte falsche Fährte handelt.

Auch die Charaktere finde ich insgesamt sehr gelungen. Zwar sind zu Beginn speziell Fiana und Falk für meinen Geschmack etwas zu "superheldenhaft", aber das legt sich in den späteren Büchern dann auch. Die anderen Figuren sind sehr authentisch in die Welt eingebunden, haben überwiegend glaubwürdige Motivationen und wachsen einem schnell ans Herz (abgesehen von den Bösewichtern, versteht sich wink ). Dadurch wird Craws Markenzeichen - jede Romanfigur kann jederzeit das Zeitliche segnen - umso wirkungsvoller, da man wirklich nicht die geringste Ahnung hat, wer überleben wird und wer nicht. Nunja, zumindest theoretisch, denn da "Isenborn" gleichzeitig als eine Art Prequel zu seinem DSA-Debüt "Todesstille" fungiert (und nebenbei für einige andere Figuren in den späteren Bänden auch als Fortsetzung zu seinem "Im Schatten der Dornrose"), gibt es in der Praxis doch drei Personen, deren Überleben gesichert ist. Aber angesichts der Vielzahl von bedeutenden Romanfiguren ist das locker verschmerzbar (zumal zwei der drei hier sowieso nur kleine Rollen haben).

Eine gewichtige Ausnahme gibt es jedoch bei der Glaubwürdigkeit der Charaktere, und ich vermute, daß diese Ausnahme mit ebenjenem Prequel-Status gegenüber "Todesstille" zusammenhängt. Denn eine Hauptfigur von "Isenborn" vollzieht etwa in der Mitte der Handlung eine dermaßen abrupte und unvorsehbare nahezu 180°-Wende, daß ich das emotional einfach nicht akzeptieren kann. Craws Erklärung für die Wende ist ziemlich alibihaft, ich vermute, daß er hier einfach unter Zugzwang war, weil er die Wandlung einer anderen Figur bis zum Beginn von "Todesstille" vollziehen mußte und dafür einen Anlaß brauchte. Und offensichtlich ist ihm wohl kein besserer als diese 180°-Wende einer mit dieser Figur verbundenen Person eingefallen (sorry für die verwinkelte Umschreibung, aber ich will möglichst wenig spoilern ... wink ). Das ist für mich der größte konkrete Kritikpunkt an dem gesamten "Isenborn"-Zyklus.

Allerdings gibt es noch einen weiteren, der mindestens ebenso stark auf die Endnote drückt, dabei aber deutlich subjektiver ist: Craw selbst bezeichnet die Bücher als "military fantasy". Damit habe ich grundsätzlich kein Problem, denn in der langen DSA-Roman-Reihe sind solche eher actionlastige Stories mit großen Schlachten ziemlich selten und für Abwechslung bin ich immer zu haben. Leider gibt es in "Isenborn" für meinen Geschmack dennoch einfach etwas zu viele Kämpfe. Mitunter überkommt einen das Gefühl, über mehrere Kapitel hinweg letztlich nur von Kampf zu Kampf zu hechten, worunter die eigentliche Handlung zwangsläufig leidet. Aber wie gesagt: Letztlich ist es sicher Geschmackssache, wieviel Action man in einem DSA-Roman will. Für den durchschnittlichen DSA-Roman-Leser dürfte dieses Ausmaß zumindest eine Umstellung gegenüber dem bisher Gewohnten sein, auch wenn Craw insgesamt glücklicherweise schon darauf achtet, daß die Kämpfe nie alles andere dominieren.

Dennoch: Die Story leidet etwas darunter und ich bleibe bei meiner schon durch seine ersten beiden DSA-Romane gefestigten Meinung, daß Craw sich noch etwas mehr auf die Story selbst konzentrieren sollte als er es bereits tut, wenn er ein echter Top-Autor werden will. Zusätzliche Probleme ergeben sich durch die Zeitsprünge, die mitunter schon mal zwei oder drei Jahre umfassen und die Handlung insgesamt zwangsläufig etwas episodenhaft wirken lassen. Dadurch wird der Erzählfluß naturgemäß immer wieder mal empfindlich gestört. Auch fand ich es eher unglücklich, daß die Sprünge zwischen den verschiedenen Charakteren gerade in den späteren Büchern immer weiter auseinanderliegen. Grundsätzlich habe ich nichts gegen diese Taktik, vielmehr nervt es mich bei anderen Büchern schon, wenn teilweise alle paar Seiten die Perspektiven gewechselt werden und quasi jedes Kapitel mit einem Mini-Cliffhanger endet. Craw verzichtet darauf fast komplett, übertreibt es aber meiner Meinung nach, wenn er teilweise Hauptfiguren seiner Geschichte über mehrere hundert (!) Seiten hinweg komplett ignoriert.

Fazit: Der "Isenborn"-Zyklus ist eigentlich ein sehr gelungener Blick auf die Borabarad-Invasion und ihre Folgen aus einer interessanten Perspektive. Die Stärken liegen vor allem in der ausgesprochen sorgfältigen Ausarbeitung von Charakteren und Handlung (inklusive der sorgfältigen Einbettung in die Geschehnisse aus Craws bisherigen DSA-Romanen), der erstaunlichen Unvorsehbarkeit vieler Ereignisse und dem für manche sicher gewöhnungsbedürftigen, aber qualitativ sehr ansprechenden, für das Genre ungewohnt sachlichen Schreibstil. Als (teilweise subjektive) Schwächen sind eine gewisse Episodenhaftigkeit, die starke Kampflastigkeit und der beschriebene "deus ex machina" zu nennen. Insgesamt kann ich mich aber nicht beklagen und vergebe wieder einmal die Schulnote 2-.

Edit, 27.4.: Übrigens, da ich gerade den aktuellen Aventurischen Boten lese und mich über die immer stärker nachlassende formale Qualität aufrege (was diesmal an Tipp-, Grammatik-, Rechtschreib- und Flüchtigkeitsfehlern geboten wird, ist wirklich eine Frechheit!): Großes Lob an das Lektorat des "Isenborn"-Zyklus. Wer auch immer dafür letztlich verantwortlich ist (der Autor selbst? private Korrekturleser aus Familie oder Freundeskreis? Oder doch ein FanPro-Lektor?): So wenige Fehler auf über 1200 Seiten DSA-Roman durfte man bislang selten erleben. Chapeau! up

Last edited by Ralf; 27/04/11 09:22 AM.