TIE'SHIANNA - DER UNTERGANG DER HOCHELFEN von Florian Don-Schauen:

Weit in der aventurischen Vergangenheit: Die großen Städte der Hochelfen sind fast alle den Scharen des Goldenen Gottes (heutzutage besser als Namenloser Gott bekannt) unterlegen und auch Tie'Shianna, die Stadt des Erzes, droht der Belagerung durch den zahlenmäßig weit überlegenen Feind nicht mehr lange standhalten zu können.
Gleichzeitig ist eine elfische Botin auf dem Weg aus dem Sala Mandra in ihre Heimat Tie'Shianna, da sie um die Identität eines Verräters in der Stadt weiß, der gut und gerne deren Untergang besiegeln kann. Doch ihr Luftschiff wird von Trollen abgeschossen und sie (not)landet in Zentaurengebiet. Da die Zentauren nicht gerade gut auf die Hochelfen zu sprechen sind, muß sie erst deren Vertrauen gewinnen, ehe sie ihre Reise nach Tie'Shianna wieder aufnehmen kann ...

"Tie'Shianna" ist der DSA-Roman zum "Drakensang: Am Fluß der Zeit"-Add-On "Phileassons Geheimnis". Wie bereits der Roman zum ersten "Drakensang"-Spiel, "Das Ferdoker Pergament", wurde auch dieser vom DSA-Veteran Don-Schauen verfaßt, hat allerdings noch weniger Verbindungen zum Spiel. Im Grunde genommen überhaupt keine, abgesehen vom Setting und ein paar Mini-Anspielungen auf das Add-On.

Das ändert natürlich nichts daran, daß die Thematik des Buches eine außerordentlich spannende und exotische ist. Daran gemessen ist das Ergebnis in meinen Augen jedoch eine kleine Enttäuschung. Zwar ist es Don-Schauen gut gelungen, einerseits die Macht und Pracht der Hochelfen darzustellen und andererseits auch ihre Arroganz und Dekadenz, die letztlich ihren Fall zumindest stark mitverschuldet. Auch schafft er es, die handelnden Figuren trotz dieser negativen Eigenschaften durchaus einigermaßen sympathisch rüberzubringen. Allerdings scheitert er meiner Meinung nach dabei, auszudrücken, wie extreme Intelligenz und ebenso extreme Überheblichkeit im Zusammenspiel ihre tragische Wirkung entfalten. Konkret formuliert: Die "Bösewichte" unter den Elfen wirken auf mich nicht wirklich überzeugend. Ihre Arroganz ist zwar gut ausgearbeitet, aber die Intelligenz nehme ich ihnen nicht ab. Natürlich ist das für einen Autor nicht leicht, aber wenn Figuren, die als unglaublich intelligente, wenn auch weltfremde und egozentrische, Philosophen betitelt werden, immer wieder Argumentationen verfolgen, die so lückenhaft sind, daß dem Leser ohne großes Nachdenken etliche effektive Entgegnungen einfallen, auf die die ach so intelligenten Hochelfen nicht kommen, dann leidet die Glaubwürdigkeit dieser Personen doch erheblich.

Wie gesagt, natürlich ist das für jeden Autor schwierig - vor allem, wenn man selbst keinen IQ jenseits der 150 hat wink - und Don-Schauen hält die entsprechenden Szenen und Dialoge auch relativ kurz. Unterm Strich ist es trotzdem ziemlich störend.

Dennoch ist der Tie'Shianna-Handlungsstrang insgesamt spannend und unterhaltsam, weshalb man über diesen Kritikpunkt einigermaßen hinwegsehen kann. In gewisser Hinsicht problematisch ist jedoch der gesamte Zweithandlungsstrang um die abgestürzte Elfe und die Zentauren. Problematisch nicht etwa, weil er schlecht geschrieben oder langweilig wäre. Problematisch vor allem deshalb, weil man lange Zeit keine Ahnung hat, was das Ganze überhaupt soll. Es gibt keine erkennbare Verbindung zwischen den beiden Handlungssträngen (abgesehen von der Elfe) und auch, wenn man sich natürlich denken kann, daß sich am Ende alles ziemlich sinnvoll zusammenfügen wird - man ist einfach zu lange weitgehend ratlos und vor allem wird man durch den geraume Zeit vergleichsweise unspektakulären Handlungsverlauf immer wieder unsanft aus dem ungleich spannenderen Tie'Shianna-Strang herausgerissen. Alles in allem wirkt es IMHO zu sehr, als würden zwei voneinander unabhängige Geschichten parallel erzählt. Es wäre vermutlich sinnvoller gewesen, entweder den Zentauren-Strang deutlich kürzer zu halten oder von Beginn an mehr Verknüpfungen zwischen beiden Handlungsebenen einzubauen. So wirkt es jedenfalls irgendwie unrund.

Immerhin gestehe ich gerne zu, daß mich eine überraschende Wendung gegen Ende der Geschichte (die dann auch die beiden Erzählstränge endgültig zusammenbringt) eiskalt erwischt hat. Ganz ehrlich, da wäre ich nie drauf gekommen, auch wenn es im Nachhinein natürlich schon Anzeichen dafür gibt, die ich hätte erkennen können. Allerdings hat es seinen Grund, daß ich das nicht getan habe, und dieser Grund sorgt auch dafür, daß ich diese Wendung - so gelungen das Überraschungsmoment auch ist - trotzdem nicht gut finde. Ich will hier nicht spoilern, weil es wirklich ein Riesenspoiler wäre, aber falls jemand unbedingt wissen will, was ich meine, und ganz sicher ist, daß er das Buch sowieso nie lesen wird, bitteschön:
ZEITREISE!
rolleyes

Naja, was will man machen. Und auch wenn diese Rezension insgesamt ziemlich negativ klingen mag - so schlimm ist das Buch natürlich nicht. Diese Mängel im Detail verhindern eine richtig gute Note von mir, aber der Gesamteindruck ist dennoch noch ein positiver. Weil Don-Schauen einen guten, flüssigen Schreibstil pflegt, weil die Handlung unterhält (auch wenn das Ende leider etwas gehetzt wirkt), weil das Setting so ungewöhnlich wie spannend ist, weil die Charaktere bewegen, weil auch beide Erzählstränge für sich genommen gut funktionieren. Unterm Strich ein befriedigender DSA-Roman mit Stärken und Schwächen, ergo Schulnote 3.
"Das Ferdoker Pergament" gefiel mir aber deutlich besser.