Originally Posted by Lurker
Ein klarer Pluspunkt sind meiner Meinung nach hingegen die beiden nerdigen Nebencharaktere Specs und Tucker - mit den beiden als Hauptfiguren könnte man sicher auch einen interessanten Film machen.


Ich fand die beiden auch gut, aber interessanterweise scheinen viele der Meinung zu sein, daß der Film ab dem Eintreffen der beiden deutlich an Qualität verliere. Natürlich leiten sie einen "Stimmungswechsel" innerhalb des Films ein, bis dahin ist "Insidious" ja eher ein bodenständiger und ziemlich humorloser Gruselfilm. Anschließend wird es erstens "nerdiger" und zweitens phantastischer. Vielleicht einfach ein bißchen ZU phantastisch für jemanden, der einfach nur einen gut gemachten Gruselfilm erwartet hatte ... smile

Aber nun zu meinem sechsten FFF-Film - dem schwächsten, den ich bei der diesjährigen Veranstaltung erwischt habe:

RED STATE:

Irgendwo in der amerikanischen Provinz: Teenager Jarod (Kyle Gallner alias "Beaver" in "Veronica Mars", in "C.S.I. New York" ist er in einer wiederkehrenden Gastrolle als Mac Taylors Stiefsohn zu sehen) und zwei Freunde fahren erwartungsfroh zu einem übers Internet vereinbarten Sexdate mit einer Unbekannten. Dumm gelaufen: Das Sexdate erweist sich als Falle, die von der Anhängerschaft des berüchtigten christlich-fundamentalistischen Predigers Abin Cooper (Michael Parks, am bekanntesten wohl durch seine Rolle als Sheriff Earl McGraw in Tarantinos "Kill Bill" und "Death Proof") gestellt wurde. Als Cooper höchstpersönlich einen Polizisten erschießt, der den Machenschaften seiner Sekte eher zufällig auf die Spur zu kommen droht, schaltet der örtliche Sheriff die Bundesbehörden ein. Da das Amt für Alkohol, Tabak, Schußwaffen und Sprengstoffe dem radikalen Prediger schon länger auf der Spur ist, sieht man dort die Gelegenheit, seiner Sekte schnell ein Ende zu bereiten und schickt eine Spezialeinheit unter Führung des erfahrenen Joseph Keenan (John Goodman) zur zu einer Festung umgebauten Farm von Abin Cooper. Als die Bundesagenten sofort unter Beschuß genommen werden, eskaliert die Situation, während Jarod versucht, aus der Farm zu entkommen ...

Kevin Smith ist der König der Slacker-Komödien. "Clerks", "Mall Rats", "Chasing Amy", "Dogma", "Jay und Silent Bob schlagen zurück" - allesamt Filme, die von den vielen Anhängern kultisch verehrt werden. Nachdem jedoch bereits "Jay und Silent Bob schlagen zurück" Schwächen gezeigt hatte, schuf er mit der harmlosen romantischen Komödie "Jersey Girl" seinen ersten echten Flop (kommerziell wie auch künstlerisch) und konnte auch anschließend mit "Clerks II" und "Zack and Miri make a porno" nicht wieder ganz an die Qualitäten seiner Werke aus den 1990er Jahren anknüpfen. "Zeit für was Neues", dachte er sich wohl und drehte kurzerhand mit "Red State" seinen ersten Horrorfilm (wie er selbst sagt). Nun, tatsächlich ist "Red State" eigentlich gar kein Horrorfilm, sondern eher ein sehr schwarzhumoriger Action-Thriller mit einer deutlichen Botschaft.

Leider muß ich gleich konstatieren, daß Kevin Smith auch mit "Red State" nicht wieder zu seiner alten Form zurückgefunden hat - zumindest nicht durchgehend, denn in der brillanten Schlußviertelstunde zeigt er dann doch noch, was er vor allem als Drehbuch-Autor eigentlich drauf hat.

In den ersten 70 Minuten ist der Film jedoch erschreckend mittelmäßig, teilweise sogar langweilig geraten. Die notgeilen Teenies, die zu Beginn die Hauptfiguren zu sein scheinen, funktionieren nicht gerade als Identifikationsfiguren für das Publikum, insofern ist einem auch ihr Schicksal relativ egal. Die fundamentalistische Sekte ist zwar durchaus erschreckend und nicht unrealistisch dargestellt und Michael Parks überzeugt als charismatischer Prediger sehr wohl (auch wenn ihn Smith IMHO zu viel predigen läßt, was dann eben auf Dauer eher langweilt als erschreckt), dennoch bleiben die Geschehnisse unterm Strich sehr konventionell.
Besser wird es dann, als - relativ spät - die Bundesagenten Coopers Festung umstellen. Erstens weil John Goodman einfach eine unfaßbar coole Sau ist und zweitens weil es nun auch endlich so richtig zur Sache geht. Dennoch kann "Red State" auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich überzeugen. Der Storyverlauf bleibt weitgehend überraschungsarm, die ständigen Perspektivwechsel zwischen Cooper und seinen Anhängern, den Teenies und den Bundesagenten nerven und man wartet eigentlich nur noch darauf, daß es wenigstens einen gelungenen Showdown gibt.

Aber dann kommt der angesprochene Geniestreich von Kevin Smith, den zu spoilern allerdings eine wahre Sünde wäre. Ich kann nur sagen: Egal, wie man die ersten 70, 75 Minuten findet (und meinem Eindruck nach fand ihn der Großteil der Zuschauer übrigens deutlich besser als ich), für dieses grandiose, haarsträubende Ende lohnt es sich definitiv, durchzuhalten! up

Was die Botschaft betrifft, die ich erwähnte: Natürlich geht es Smith primär darum, gegen den Fundamentalismus zu wettern und dabei auch und gerade gegen den in der Öffentlichkeit wohl immer noch unterschätzten christlichen Fundamentalismus. Daraus läßt sich übrigens auch der Titel des Films ableiten, denn als "Red State" wird in den USA ein republikanisch geprägter Bundesstaat bezeichnet (im Gegensatz zu den demokratisch geprägten "Blue States"), in denen Religion und eben auch seine extremen Ausprägungen bekanntlich eine deutlich größere Rolle spielt. Die Titelwahl und die christlichen Fundementalisten als Antagonisten haben Smith erwartungsgemäß bereits jede Menge Beschimpfungen von Anhängern der entsprechenden politischen Richtung eingebracht, wobei aber unterzugehen scheint, daß sich seine Botschaft in "Red State" keineswegs darauf beschränkt.
Denn die Bundesbehörden werden als mindestens ebenso durchgeknallt und skrupellos dargestellt wie die religiösen Fanatiker. Im Grunde genommen ist John Goodmans Agent Keenan fast die einzige Person im gesamten Film, die man als einigermaßen vernünftig bezeichnen kann.

Natürlich ist Smiths Kritik in beide Richtungen nicht gerade subtil und letztlich wird er - eine ironische Parallele zum Sektenführer Abin Cooper - wohl sowieso nur zu den bereits "Bekehrten" predigen, aber das ist ja meistens so.

Schauspielerisch wird "Red State" eindeutig von John Goodman und Michael Parks dominiert, die übrigen Rollen sind, obwohl teilweise prominent besetzt (u.a. mit OSCAR-Nominee Melissa Leo, Kevin Pollak sowie zahlreichen Seriendarstellern wie Patrick Fischler aus "Lost", Kerry Bishé aus der letzten Staffel von "Scrubs", Marc Blucas aus "Buffy", Anna Gunn aus "Breaking Bad" oder Kevin Alejandro aus "Shark"), eigentlich zu klein, um beeindrucken zu können.

Fazit: "Red State" ist ein gut gemeinter Versuch von Kevin Smith, aus seinem bisherigen Genre auszubrechen und einen Film mit einer wichtigen Aussage zu drehen, der aber - trotz des stets präsenten schwarzen Humors - zu lange zu mittelmäßig und konventionell ausfällt, um wirklich überzeugen können. Durch die mitreißende und (voraussichtlich) unvergeßliche Schlußviertelstunde rettet sich der Film aber noch knapp auf 6,5 Punkte.