DIE DREI MUSKETIERE (3D):

Sollte es tatsächlich jemanden geben, der die weltberühmte Geschichte um D´Artagnan und die drei Musketiere Athos, Porthos und Aramis noch nicht kennt, soll er doch bitteschön bei Wikipedia nachlesen - oder gleich bei Alexandre Dumas. smile

Die spektakuläre, in Deutschland mit internationaler Starbesetzung gedrehte Neuverfilmung der universell beliebten Story war eines der letzten vom deutschen Star-Produzenten Bernd Eichinger angestoßenen Großprojekte. Das fertige Resultat ist dem Anfang des Jahres verstorbenen Eichinger gewidmet, qualitativ aber leider nur mittelmäßig ausgefallen.

Dabei hatte ich ehrlich gesagt große Hoffnungen in das Projekt gesetzt, denn während ich bei den bisherigen Filmen des umstrittenen Regisseurs Paul W.S. Anderson ("Resident Evil", "Death Race", "Event Horizon") vor allem die in der Regel von ihm selbst verfaßten und ziemlich schwachen Drehbücher kritisiert hatte, übernahm für "Die drei Musketiere" ein durchaus namhaftes Autoren-Duo die Schreibarbeit. Nur daß deren Resultat am Ende irgendwie doch die gleichen Schwächen aufweist wie die Drehbücher von Anderson. Oder ist es egal, wie die Drehbücher aussehen, weil Anderson letztlich doch immer dreht, was er will? Keine Ahnung, jedenfalls krankt "Die drei Musketiere" vor allem an mangelnder, ja fast nonexistenter Charakterzeichnung.

Das ist schon deshalb sehr schade, weil die Darsteller ihre Sache fast durchgehend gut machen und mit sichtlicher Spielfreude ans Werk gehen (nur Til Schweiger in einer kleinen Nebenrolle wirkt irgendwie albern ...). Christoph Waltz spielt den Kardinal Richelieu mit gewohnter boshafter Süffisanz, Milla Jovovich gibt die sexy und verschlagene Milady de Winter, Orlando Bloom macht seine Sache als Buckingham ebenso gut wie der (allerdings noch stärker als die anderen Darsteller unterforderte) Mads Mikkelsen als Rochefort. Und auch die drei Musketiere selbst wissen in Person von Ray Stevenson ("Rom", "Punisher: War Zone"), Matthew MacFadyen ("Spooks", "Die Säulen der Erde") und Newcomer Luke Evans (demnächst als Bard in den "Hobbit"-Filmen zu sehen) sowie Logan Lerman ("Percy Jackson") als junger D´Artagnan mit Charisma und Tatkraft zu überzeugen. Wie viel könnte man aus diesen Schauspielern in diesen über Jahrhunderte hinweg bewährten Figuren herausholen? Es ist fast ein Wunder, wie es diesem Film gelingt, sie dem Zuschauer trotz einer Filmlänge von 110 Minuten so überhaupt nicht näherzubringen - stattdessen wird das sowieso schon große Figurenensemble auch noch um einen völlig überflüssigen "Comedic sidekick" der Musketiere ergänzt ...

Das ist also das Hauptmanko des neuen "Die drei Musketiere" und es ist ein gewichtiges. Allerdings kann Anderson dafür in anderen Bereichen einiges wiedergutmachen. Die Optik ist sehr gelungen, sowohl was Schauplätze (u.a. wurde in Bamberg und Schloß Herrenchiemsee gedreht) betrifft als auch Kameraarbeit, Spezialeffekte und die pompösen Kostüme. Auch die Dreidimensionalität wird gekonnt eingesetzt - zwar wirkt es hier nicht so spektakulär wie in Andersons letztjährigem "Resident Evil: Afterlife", übertrifft aber dennoch die meisten anderen 3D-Filme des Jahres problemlos. Die Musik des Österreichers Paul Haslinger gefällt ebenfalls, wenngleich sie in manchen Momenten nicht gerade subtil eingesetzt wird.

Fazit: "Die drei Musketiere" versucht, sich das Beste aus Blockbustern wie "Fluch der Karibik" und "Sherlock Holmes" zu nehmen und zudem die Vorlage von Alexandre Dumas ein wenig mit Jules Verne-Elementen aufzufrischen (wobei man im Grunde aber doch überraschend eng bei Dumas´ Geschichte bleibt), um ein erfolgreiches neues Franchise zu schaffen (am Ende fehlt eigentlich nur der "Fortsetzung folgt"-Schriftzug). Aus diesen Bemühungen resultiert jedoch nur ein maßvoll unterhaltsames, gut besetztes Actionfeuerwerk mit interessanten, aber komplett unterentwickelten Charakteren. Cineastisches Fastfood, sozusagen: Gesehen, einigermaßen gefallen, vergessen.
6 Punkte.

P.S.: Angesichts der Tatsache, daß die bisherigen Einspielergebnisse ähnlich mittelmäßig ausfallen wie der Film selbst, ist es übrigens eher unwahrscheinlich, daß es tatsächlich zu einer Fortsetzung kommen wird (angesichts eines Budgets von angeblich rund $100 Mio.). Höchstens ein sehr gutes Ergebnis in den USA, wo "Die drei Musketiere" erst kommende Woche startet, und/oder auf dem immer wichtiger werdenden russischen Markt könnte das wohl noch ändern.

Last edited by Ralf; 12/10/11 01:47 PM.